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Wirtschaft: Wettbewerb oder Enteignung

Regulierer und Wettbewerbsrechtler diskutieren über Marktmacht und Eingriffe ins Eigentumsrecht

Von Antje Sirleschtov

Innsbruck - Der Präsident der Bundesnetzagentur hat die Arbeit der Regulierer verteidigt. „Wir sind keine Mammutbehörde, die wahllos in die Eigentumsrechte von Investoren eingreift“, sagte Matthias Kurth auf der Tagung des Forschungsinstituts für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb (FIW) in Innsbruck. Mit Augenmaß bemühe sich die Netzagentur um einen Interessenausgleich zwischen Investoren und Wettbewerb. So sei es beispielsweise gelungen, die Stromnetze immer weiter für Wettbewerber zu öffnen, ohne dass es zu Störungen bei der Stromversorgung kam, wie sie die Netzinhaber vorhergesagt hätten. Ähnliche Erfahrungen gebe es auf dem Gasmarkt, wie das jüngste Angebot von Eon belege. Der Konzern biete bundesweit Gaslieferungen für Privatkunden an, obwohl die Gasbranche dies einst als „unmöglich“ bezeichnet hatte.

Zweifellos, darin sind sich die Experten zumindest theoretisch einig, führt Wettbewerb zu Wachstum, niedrigeren Verbraucherpreisen und Arbeitsplätzen. Erfolgsgeschichten, wie die Öffnung des Telekommunikationsmarktes, werden dafür beispielhaft herangezogen. In Deutschland achten zwei Behörden auf den Wettbewerb. Zum einen das Kartellamt, das geplante Fusionen untersucht und Monopolstellungen bestraft und untersagt. Zum anderen sorgt die Netzagentur durch Preisfestlegungen beim Zugang zu Netzen für Wettbewerb.

Allerdings führt die Arbeit dieser Behörden vor allem im Zusammenspiel mit Pendants auf europäischer Ebene (EU-Kommission) zunehmend auch zu Verzerrungen, wie in Innsbruck deutlich wurde. Beispiel Energiemarkt: Mit ihrer Forderung an die nationalen Regierungen, durch die eigentumsrechtliche Trennung von Netz und Betrieb im Energiemarkt für mehr Wettbewerb zu sorgen, hat die EU-Kommission zwar die Unterstützung vor allem der deutschen Konsumenten. Schließlich glauben die meisten Deutschen, dass sie von den großen Energiekonzernen regelrecht abgezockt werden. Noch zu wenig wird dabei jedoch das Freiheits- und Eigentumsrecht der Unternehmenseigentümer in Betracht gezogen. Und ganz und gar unklar ist auch die Frage der innereuropäischen Gerechtigkeit. So befürchtet etwa der Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio eine „Überregulierung“, die letztlich die verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsrechte der großen Stromunternehmen beschneide.

Sich im Zeitablauf ändernde politische Interessen würden auf dem Rücken der Unternehmen ausgetragen, was letztlich nicht zu mehr Wohlfahrt (dem eigentlichen Ziel von Wettbewerb) führe. Konkret sprach Di Fabio das nachdrückliche Interesse früherer Regierungen zum Ausbau von Stromnetzen durch die kommunal beherrschten Energiekonzerne an, die von der Politik heute als „böse“ Monopolisten verunglimpft würden.

Oder die europäische Dimension: Wenn Brüssel jetzt die deutsche Regierung auffordere, für eine eigentumsrechtliche Trennung von Netz und Betrieb im Energiemarkt zu sorgen, dann wird etwa Schweden als Beispiel herangeführt. Dort sind Netz und Betrieb der Vattenfall bereits getrennt. Allerdings ist der Staat in beiden Fällen der Eigentümer und es stellt sich die Frage, ob eine solche Situation in der Praxis wirklich zu mehr Wettbewerb führt oder eher zu ungleichen Situationen innerhalb der Europäischen Union – und damit womöglich zum Nachteil des Standortes Deutschland.

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