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Wirtschaft: Wichtiger als die Politik ist der Kontostand der Kandidaten

Washington Wegen des Essens ist keiner ins Washingtoner Hilton gekommen an diesem Juni-Abend. Es gibt Würstchen, Schokoladenkuchen und Kekse.

Washington Wegen des Essens ist keiner ins Washingtoner Hilton gekommen an diesem Juni-Abend. Es gibt Würstchen, Schokoladenkuchen und Kekse. Besonders exklusiv wirkt die Versamlung auch nicht. Rund 2000 Gäste, die Frauen juwelengeschmückt, die Männer im Smoking, quetschen sich in den unterirdischen Ballsaal. Und doch hat jeder 1000 Dollar gezahlt, um dabeizusein. Für jeden, der in Washingtons konservativen Kreisen etwas auf sich hält, war der Abend ein Pflichttermin. Der mögliche künftige Präsident der Vereinigten Staaten, der Gouverneur von Texas, George W. Bush, warb zum ersten Mal in der Hauptstadt um Wahlkampfspenden.

"Bush hat seine Seele an die Lobbyisten von Washington verkauft", sagt Steve Forbes vorwurfsvoll. Der Verleger-Erbe kann sich die Distanz zum Lobbyismus leisten. Vor drei Jahren, als er selbst Präsident werden wollte, verpulverte Forbes 37 Mill. Dollar seines Privatvermögens, um seinen Lebenstraum zu erfüllen.

Wer heute versucht, sich um die Präsidentschaft zu bewerben, braucht vor allem eines: Geld. Mindestens 20 Mill. Dollar seien nötig, um in den Vorwahlen (Primaries), die der parteiinternen Auswahl der Spitzenkandidaten dienen, eine Chance zu haben, schätzen Experten. 1996 konnten es sich lediglich Forbes und der texanische Milliardär Ross Perot leisten, ihren persönlichen Ehrgeiz aus der Privatschatulle zu finanzieren. Für alle anderen Bewerber heißt es damals wie heute: betteln, schnorren, Geld einsammeln.

Das Gefühl der Peinlichkeit kommt trotzdem nicht auf. Die Amerikaner sind es gewohnt, angepumpt zu werden. Wer in Deutschland wäre nicht überrascht, plötzlich einen Anruf von der örtlichen Polizei- oder Feuerwehrwache zu bekommen und dabei um eine finanzielle Zuwendung gebeten zu werden? In den USA ist das nichts Ungewöhnliches.

"Bevor es in den USA an die Vorwahlen geht, finden die sogenannten "wealth primaries" (Geld-Primaries) statt, sagt Allan Lichtman von der American University in Washington. Sie entscheiden nicht nur darüber, wie viel Mittel ein Kandidat für seine Kampagne zur Verfügung hat, sondern beeinflussen auch sein Ansehen in der Öffentlichkeit und in seiner eigenen Partei, erläutert der Professor. Die Fähigkeit, viel Geld zusammenzutrommeln, wird zum Erfolgskriterium. Ideologische Fragen treten in den Hintergrund.

"Die Leute suchen den Sieger", sagte Donald Evans von der Bush-Kampagne kürzlich einem US-Journalisten. Dass Bush Junior, Sohn des früheren Präsidenten, von seiner Partei aufgestellt wird, ist inzwischen angesichts seines finanziellen Erfolges so gut wie sicher. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres erleichterte er seine Anhänger bereits um den Rekordbetrag von über 36 Mill. Dollar. Damit hat er nicht nur doppelt so viel eingesammelt wie sein demokratischer Gegenspieler Al Gore, sondern auch alle zehn Rivalen in der eigenen Partei weit abgeschlagen.

In Meinungsumfragen räumt mehr als die Hälfte der Amerikaner ein, dass sie eigentlich wenig über Bushs politische Positionen wissen. Kürzlich sagte Amtsinhaber Bill Clinton zwar: "Geld mag sehr wichtig sein, aber Ideen sind noch wichtiger." Er müsste es aber eigentlich besser wissen. Der Präsident beherrscht die Schnorrerei um Wahlkampfspenden so perfekt wie kaum ein anderer. Großzügige Förderer seiner Partei ließ er im Lincoln-Schlafzimmer des Weißen Hauses nächtigen.

Bill Bradley, bei den Demokraten bisher Al Gores einziger Konkurrent, will erst im Herbst präzisieren, mit welchen Inhalten er das Weiße Haus zu erobern hofft. Zunächst einmal sorgte der ehemalige Basketballspieler und frühere Senator, der immer noch von seinem Ruhm als Sportler profitiert, dafür, dass die Kasse stimmt: 11,5 Mill. Dollar bekam der politische Underdog zusammen und jagte damit dem Gore-Lager einen Schrecken ein.

"Die Kandidaten bemühen sich heute nicht mehr um den Aufbau einer politischen Basisorganisation, sondern vor allem um ihr Bankkonto", erzählt Professor Lichtman. Knapp 25 Jahre nach einer Gesetzesreform, die darauf abzielte, dass bei amerikanischen Präsidentschaftswahlkämpfen nicht die Finanzen, sondern die politischen Themen im Vordergrund stehen, sind die Verhältnisse wieder auf den Kopf gestellt worden. Zwar gilt weiter die damals im Gesetz verankerte Obergrenze für individuelle Spenden an einzelne Kandidaten (1000 Dollar), gleichzeitig aber explodierten die Wahlkampfkosten. Nur Spenden, die nicht einem einzelnen Kandidaten, sondern der Partei im allgemeinen zugute kommen, unterliegen keiner Beschränkung.

Yvonne Esterhazy

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