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Wirtschaft: Widerstand gegen Eichels Bilanzpolizei

Das Deutsche Aktieninstitut nennt die Pläne „Aktionismus vor der Wahl“– doch die Börse lobt den Finanzminister

Berlin/Frankfurt (Main) (mot). Die Pläne der Bundesregierung, eine „Bilanzpolizei“ gegen Kursmanipulierer einzusetzen und den Anlegerschutz zu stärken, sind am Dienstag auf Widerstand gestoßen. Das Deutsche Aktieninstitut sprach von Aktionismus kurz vor der Bundestagswahl. Rückendeckung erhielt Finanzminister Hans Eichel (SPD) dagegen von Börsenchef Werner Seifert und Anlegerschützern. „Der Markt produziert keine vertrauenswürdigen Jahresabschlüsse“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börse AG. Die Kursverluste an den Aktienmärkten setzten sich unterdessen fort.

Im Falle eines Wahlsiegs will Eichel im Rahmen seines „Finanzmarktförderungsplans 2002-2006" schärfer als bisher gegen Bilanztrickser vorgehen. Dazu soll eine Art Polizeieinheit gegründet werden, die der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) (siehe Lexikon Seite 16) angegliedert ist, aber privatrechtlich organisiert wird. Die Bilanzpolizei soll Sonderprüfungen vornehmen und Wirtschaftsprüfer im Falle von Interessenkonflikten ablehnen können. Dies kündigte Eichel in einer Rede an der Frankfurter Börse an. Börsenchef Seifert unterstützte Eichels Pläne und forderte eine staatliche Aufsicht von Wirtschaftsprüfern. Statt die Kontrolle der Bilanzen nur den Prüfern zu überlassen, die von den zu prüfenden Firmen bezahlt werden, sollten staatliche Stellen zumindest Stichproben durchführen. Auch solle nicht das zu prüfenden Management entscheiden, welches Wirtschaftsprüfungsunternehmen den Auftrag erhalte.

Max Dietrich Kley, stellvertretender Vorstandschef der BASF und Präsident des Deutschen Aktieninstituts (DAI) kritisierte Eichels Vorstoß kurz vor der Wahl. Die Politik geben sich dem „beliebten Sport der Managerschelte“ hin, statt „sich sachorientiert mit dem Thema Aktie und Kapitalmarkt auseinanderzusetzen“. Die Bilanzskandale in den USA sollten die Bundesregierung nicht zu Aktionismus verleiten. „Missstände in den USA sollten vom amerikanischen Gesetzgeber bekämpft werden und nicht in Deutschland vom deutschen Gesetzgeber.“

Auch Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereiningung für Wertpapierbesitz, kritisierte den Zeitpunkt, zu dem Eichel sein Vorhaben bekannt gebe. An der Sache ändere dies aber nichts: „Mehr Kontrolle ist eine Konsequenz aus dem Absturz des Neuen Marktes und dem Bankgesellschafts-Skandal“, sagte Hocker dem Tagesspiegel. Nachdem viele Anleger-Millionen vernichtet worden seien, müsse der Staat nun „zwischen mehr Bürokratie und einer schärferen Aufsicht abwägen. „Wir brauchen Ermittler, die sich etwas trauen“, sagte Rechtsanwalt Klaus Rotter. Eine wie der TÜV privatrechtlich organisierte Ermittlungseinheit, die nicht dem Beamtenrecht unterliege aber staatliche Aufgaben übernehme, sei sinnvoll. Die Staatsanwälte und das BAFin seien mit der Aufdeckung von Börsentricks fachlich überfordert.

„Es fehlt uns nicht am nötigen Know-how“, wies Manfred Wick, Leitender Oberstaatsanwalt in München, den Vorwurf zurück. „Aber wir brauchen mehr Ermittler, die den Staatsanwälten im Vorfeld ihrer Untersuchungen zuarbeiten“, sagte er dem Tagesspiegel. Eine Börsenpolizei, wie sie Eichel plane, sei eine Möglichkeit, um Verdachtsfälle früher aufzuspüren und an die Staatsanwaltschaften weiterzuleiten.

Nach Eichels Plänen sollen Manager künftig auch für falsche Informationen haften, die sie in Interviews und Reden verbreiten. Bisher sollte das nur für Falschinformationen in Pflichtmitteilungen gelten.

Talfahrt an den Börsen

An den Börsen gingen die Kurse auf Talfahrt. Der Nikkei-Index in Tokio fiel um mehr als drei Prozent auf den tiefsten Stand seit 19 Jahren (9217,04 Punkte). Gedrückt von einer schwachen T-Aktie rutschte auch der Dax bis 17 Uhr um mehr als vier Prozent auf 3446 Zähler. Am Neuen Markt fielen die Kurse im Schnitt um 3,3 Prozent.

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