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Wer ist hier toxisch fürs Büroklima? Wie man mit Jammerlappen und anderen schwierigen Zeitgenossen umgeht, lernt man in Fortbildungen zu emotionaler Intelligenz. Dabei muss man sich auch fragen, ob man nicht vielleicht selbst der Giftzwerg ist. Foto. dpa

© picture-alliance/ dpa/dpaweb

Wirtschaft: Wie man Giftzwerge bekämpft

Emotionale Intelligenz gilt als eine Schlüsselkompetenz. Weiterbildungen helfen, sie zu entwickeln.

Heute war der Kollege wieder eine Katastrophe, die Kundin eine Nörgeltante und der Vorgesetzte unverschämt und unter aller Sau. Wem solche Gedanken gegen Feierabend vertraut sind, für den gibt es gute Nachrichten: man kann in Weiterbildungen zu emotionaler Intelligenz lernen, mit den schwierigen Menschen, die einen im Alltag begegnen, besser umzugehen. Die schlechte Nachricht: man lernt dabei auch, dass das Schwierige an den schwierigen Kollegen mitunter an einem selbst liegen kann.

„Wir alle haben diese Menschen in unserem Umfeld, die uns manchmal zur Weißglut bringen oder bis in den Schlaf verfolgen“, sagt Sebastian Kindler, der als Pädagoge an der Haufe Akademie das Halbtagesseminar „Giftzwerge, Jammerlappen, Choleriker & Co. – Umgang mit schwierigen Zeitgenossen“ mitkonzipiert hat. Doch auf dem Weg Konflikte mit diesen Zeitgenossen nicht einfach zu vermeiden, ihnen nachzugeben oder sie mit Autorität durchzusetzen steckt eine große Portion Selbstreflexion. Wo liegen meine eigenen Schwachpunkte? Wo fehlt mir die Gelassenheit?

Gerade für Führungskräfte sei emotionale Intelligenz ein wichtiges Thema, sagt Kindler. Die meisten würden befördert, weil sie ihre Sache gut machen. Für die Zusammenarbeit mit Mitarbeitern müssten sie aber lernen rationale und emotionale Fähigkeiten zu verknüpfen. Das Konzept der emotionalen Intelligenz wurde populär durch den U.S.-amerikanischen Psychologen Daniel Goleman. Die Fähigkeiten, die eigenen Gefühle und die anderer zu erkennen und damit bewusst umgehen zu können, sind für ihn entscheidende Faktoren für ein erfolgreiches Berufs- und Privatleben.

„Emotionale Intelligenz ist eine Schlüsselkompetenz“, sagt auch der Diplom-Psychologe und Psychotherapeut Michael Bried. Die Hauptzielgruppe seiner Seminare, die er für die Trainer-Societät Berlin zum Thema durchführt, sind dabei Führungskräfte. Diese seien oft intellektuell sehr differenziert, aber emotional geradezu unwissend, so Bried. Dabei hänge gerade von ihrer Haltung und ihrem Umgang mit ihren eigenen Emotionen und denen ihrer Mitarbeiter die Stimmung bei Aufgabenverteilung, Teambuilding, Veränderungsprozessen oder schwierigen Gesprächen entscheidend ab. Innerhalb eines Unternehmens variiere das Arbeitsklima zum Teil sehr stark von der einen Abteilung zur nächsten, so Bried. Emotionale Intelligenz macht für ihn den Unterschied, warum manche Teams auch unter hoher Belastung viel leisten können, andere hingegen beginnen sich gegenseitig die Schuld zu geben. Das führe dann zu inneren Reibungsverlusten und „emotionaler Vergiftung“. Ein hohes Maß an Misstrauen, Angst, Manipulation, Resignation, Zynismus und andere negative Sichtweisen mache sich breit. Die Kosten seien Konflikte, innere Kündigung, Mitarbeiterunzufriedenheit, Krankheit oder, wie Bried meint, noch die gesündere Variante, Kündigung.

„Ich bin wütend, der andere ist ein Schwein“ lautet eine häufige Schlussfolgerung. In seinen zweitägigen Seminaren trainiert Bried mit den Teilnehmern deswegen als erstes die soziale Wahrnehmung und die Perspektive zu wechseln. In Rollenspielen und Beispielen aus dem eigenen Erleben lernen die Teilnehmer den Unterschied, die eigenen Gefühle auf den anderen zu projizieren gegenüber dem Versuch sich seine eigenen Gefühle klar zu machen und dann wirklich wahrzunehmen, was in dem anderen vorgeht. Ist das wirklich so wie ich es erlebe? Warum verhält sich der andere so?

„Alle wollen nur verstanden werden“, sagt Bried, bei emotionaler Intelligenz gehe es aber nicht darum Gedanken lesen zu lernen. Die Gruppe übt aktives Zuhören, Diskussionen sachlich und emotional intelligent zu führen und konkrete mentale und körperliche Tricks, um Impulse und Emotionen, die in einem hochkommen, zu regulieren. Schon einfachste Mittel wie von 10 rückwärts zu zählen und durchzuatmen böten einem Choleriker Werkzeug für ein anderes Verhalten im Alltag, sagt Bried.

„Es geht nicht darum Hobby-Psychologen auszubilden“, meint Bried, sondern ein Grundwissen der Persönlichkeitspsychologie zu vermitteln, welche Bedürfnisse Menschen haben. Dazu gehören Selbstbestimmung, Zugehörigkeit und Bindung, Kontrolle, Sicherheit, und Wohlbefinden. Es helfe um sie zu wissen und sie zu respektieren, denn abschalten lassen sie sich nicht: „Erlebe ich, dass alle gegen mich sind, schalte ich auf Abwehr und bin verschlossen,“ sagt Bried. Dann falle Lachen und Leichtigkeit schwer. Entscheidend ist der Haltungswechsel hin zu einer positiven Selbstwahrnehmung, dass diese Person gegenüber von einem einen möglicherweise braucht. Dann stellt sich plötzlich eine neue Frage: wie kann ich nützlich sein?

Auch für Ingeborg und Thomas Dietz steckt hinter der Frage „Wie kann ich mit jemand umgehen, der stur und uneinsichtig ist?“ das eigentliche Problem, mit dem eigenen Ärger darüber umzugehen. Wieso nervt und provoziert es so, wenn ein Kollege Dinge häufig dramatisiert? In der ersten Hälfte des achttägigen Persönlichkeitstrainings zur emotionalen Intelligenz geht es deswegen ganz um emotionale Intelligenz und Achtsamkeit gegenüber sich selbst, erst bei dem zweiten Termin wird der Zugang zum Empfinden von anderen geübt. Die eigenen Gefühle früher zu erkennen, ermögliche neue Handlungsoptionen, um nicht in alte gewohnte Verhaltensmuster zu rutschen. Je weniger Menschen ihre Gefühle wahrnehmen, so Dietz, desto stärker sind sie ihnen ausgeliefert.

Dann steigt die Gefahr am Ende des Tages selbst der Giftzwerg gewesen zu sein. Wenn diese Einsicht reift, wird es Zeit sich mal zu entschuldigen. Auch das gehört zu Professionalität.

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