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Frost bringt Frust. Sieben Milliarden Euro zahlen die Länder pro Jahr für Regionalzüge – die meisten betreibt die Deutsche Bahn. Foto: dpa

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Winter-Chaos: Die Bahn muss zum Rapport

Angesichts massiver Verspätungen und Zugausfälle in Folge des Winters steigt der Druck auf die Deutsche Bahn, baldmöglichst besser zu werden. Die Länder wollen sich das Winter-Chaos nicht länger bieten lassen.

Berlin - Angesichts massiver Verspätungen und Zugausfälle infolge des Winters steigt der Druck auf die Deutsche Bahn, baldmöglichst besser zu werden. „Die Bahn hat sich offenbar verkalkuliert“, sagte Sachsens Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) am Donnerstag dieser Zeitung. Am kommenden Montag wollen die Länderverkehrsminister auf einer Sondersitzung in Berlin über die Konsequenzen aus dem Winter-Chaos beraten. Dabei dürfte es auch um hohe Rückforderungen der Länder und Verkehrsverbünde an die Bahn wegen Vertragsverstößen gehen.

Bahn-Chef Rüdiger Grube habe nach dem vergangenen Winter zugesagt, dass die Züge zuverlässiger fahren würden, befand Morlok. „Jetzt ist das Gegenteil der Fall.“ Hier werde die Bahn eine Menge zu erklären haben. Das Unternehmen habe nicht genügend Züge angeschafft und zu wenig in die Infrastruktur investiert. Nun werde es über Nachrüstungen bei Wagen und Gleisen nachdenken müssen. Morlok will auch den finanziellen Druck erhöhen. In Zukunft müssten sich die Besteller der Züge, also Länder und Verkehrsverbünde, über Schadenersatz Gedanken machen, wenn es derart massive Qualitätsprobleme gebe. Bislang gibt es überwiegend nur Rückforderungen der Länder, wenn Züge zu spät oder gar nicht fahren.

Auch Thüringens Verkehrsminister Christian Carius (CDU) ist mit der Arbeit des Staatskonzerns unzufrieden. „Ich erwarte, dass die Bahn die erwarteten Leistungen bringt und die dafür technischen Mittel entsprechend vorhält“, forderte er.

Hintergrund des Unmuts sind bundesweite Verspätungen und Zugausfälle im Regional- wie im Fernverkehr. Zeitweise war in den Tagen um Weihnachten nur jeder fünfte Fernzug pünktlich, wie eine interne Aufstellung des Konzerns zeigt, die dem Tagesspiegel vorliegt. Im Regionalverkehr waren zwischen dem 13. und dem 26. Dezember nur sechs von zehn Zügen pünktlich. In vielen Bundesländern sind zudem noch tagelang einzelne Strecken gesperrt, andernorts ist der Fahrplan wegen fehlender Fahrzeuge stark ausgedünnt. Viele Züge befänden sich mit winterbedingten Schäden in den Werkstätten, berichten Verkehrsverbünde.

Scharfe Kritik kam von den Besteller-Organisationen, die mit Geld des Bundes Nahverkehrsleistungen einkaufen. Man sei „massiv verärgert, da sich das System Schiene trotz der Erfahrungen des vergangenen Winters seit nunmehr fünf Wochen erneut als sehr störanfällig präsentiert“, sagte Bernhard Wewers, Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft Schienenpersonennahverkehr, dieser Zeitung. Der Bund solle genügend Geld für eine winterfeste Infrastruktur bereitstellen. Außerdem müssten Gewinne aus der Schienensparte DB Netz in die Gleise zurückfließen, statt an die Bahn-Holding zu gehen. Dies sorgt laut Wewers dafür, dass derzeit Fahrzeuge und Personal zum Schneeräumen fehlten, die Fahrgäste nicht gut informiert würden, Weichenheizungen fehlten sowie warme Warteräume in den Bahnhöfen. Nötig sei „ein konkretes Programm zur Verbesserung der Wintertauglichkeit von Netz und Bahnhöfen“.

Der Bahnindustrie-Verband forderte, bei den Fahrzeugen eine größere Reserve vorzuhalten. „Sie sollte eine Größe zwischen zehn und 15 Prozent der eingesetzten Fahrzeugflotte haben, um etwaige Fahrzeugausfälle betrieblich kompensieren zu können“, sagte Verbandshauptgeschäftsführer Ronald Pörner. Die größten Ausfälle könnten allerdings in den nächsten Wintern noch auf die Fahrgäste zukommen. „Die Infrastruktur ist seit Jahren deutlich unterfinanziert. Das könnte in den nächsten Jahren zu Problemen bei der Leistungsfähigkeit des Schienennetzes führen.“ Schon heute gebe es zu viele Langsamfahrstellen – Gleisabschnitte also, über die Züge wegen des schlechten Schienenzustandes nur mit gebremstem Tempo rollen dürfen. In Gleise, Weichen, Signale und Stellwerke müsse investiert werden, damit der Betrieb wieder reibungslos laufe.

Auch Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn befürchtet, dass es keine schnelle Lösung gibt. „Die Probleme werden noch lange bestehen bleiben. Bis das Netz ausgebessert ist und mehr Zugmaterial zur Verfügung steht, werden noch Jahre vergehen.“

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