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Eiskalt erwischt. In den nächsten Tagen wird mit weiteren Schneefällen gerechnet – die Probleme bei der Bahn dürften also noch eine Zeit lang andauern. Foto: ddp

© ddp

Winter-Chaos: Verkehrspolitiker verlieren Geduld mit Bahn

Die Bahn wusste, dass der Winter massive Probleme bereiten würde. Verkehrsminister Ramsauer verteidigte den Konzern bis zuletzt. Nun ist auch er genervt.

Berlin - Sie hatten das Ziel bereits vor Augen. Nach stundenlanger Reise stand der ICE aus München in der Nacht zum Dienstag kurz vor dem Hamburger Hauptbahnhof, da gingen plötzlich die Lichter aus. Ein Kurzschluss in der Oberleitung hatte die Stromzufuhr unterbrochen. Zwar floss die Energie bald wieder, der Zug aber blieb dunkel und kalt. Ein Abschleppversuch misslang, die Kupplungsklappen waren vereist. Erst nach zwei Stunden konnten die rund 50 Passagiere über Notbrücken in einen anderen ICE umsteigen, der auf das Gleis neben dem Pannenzug gelenkt worden war.

Immer neue Fälle von Verspätungen und Ausfällen angesichts von Kälte und Schnee im ganzen Land nerven die Bahnfahrer. „Relativ stabil“ sei die Lage, sagte gleichwohl eine Sprecherin des Konzerns am Dienstag, zumindest im Vergleich zu Weihnachten. In den kommenden Tagen ist den Meteorologen zufolge weiter mit Neuschnee und Eisregen zu rechnen – das Chaos dürfte also weitergehen.

Dass der Winter schwierig werden würde, wusste die Bahn schon, bevor die erste Flocke gefallen war. In einem Bericht mit dem Titel „Prävention Winter 2010/2011“ schreiben die Manager den Abgeordneten im Verkehrsausschuss auf, wo die Schwachstellen des Konzerns liegen. Man habe nicht genügend Züge zur Verfügung, heißt es in dem Papier, das vom 29. Oktober datiert und dieser Zeitung vorliegt. Für „normale Bedingungen“ sei die Fernverkehrssparte gerüstet. Für „außergewöhnliche Ereignisse“ seien aber „keine weiteren Reserven vorhanden“, schränken sie ein. Um über einen größeren Fahrzeugpuffer zu verfügen, streiche die Bahn daher bis März Verbindungen und lasse einige ICEs nur in einfacher statt in doppelter Länge fahren.

Gereicht hat es nicht – mittlerweile ersetzen auf einigen Strecken Regionalzüge die IC-Waggons, damit diese zwischen den Großstädten an Stelle der ICEs fahren können. Das große Manko der Bahn ist, dass ständig ein Zehntel der 252 Züge starken ICE-Flotte in der Werkstatt steht. Grund: Die Achsen müssen nach einem Bruch zehnmal häufiger auf Schäden kontrolliert werden als geplant. In ihrer Not hat die Bahn elf frühere Interregio-Waggons von der Niederländischen Staatsbahn zurückgekauft und weitere Züge aus der Schweiz, Österreich und Frankreich geliehen. Und die ICEs müssen mit Tempo 160 statt 250 über die Schienen schleichen, damit nicht umherfliegende Steine die Achsen weiter beschädigen.

Bemerkenswert ist: Über den Zustand bei der Netzsparte der Bahn findet sich in dem Bundestags-Papier kein Wort. Kritiker bemängeln etwa, dass zu wenige Weichen beheizt sind und einfrören. Die Qualitätsoffensive, die Bahn-Chef Rüdiger Grube im September verkündet hat, erweist sich bislang als unwirksam. Mehr Personal zur Information der Kunden, zur Reparatur und zum Schneeräumen war einer der Kernpunkte des Programms.

Verkehrspolitiker fordern von der Bahn nun, sich auf den Winter 2011/2012 besser vorzubereiten. „Im Moment fährt fast kein Zug pünktlich“, sagte Winfried Hermann (Grüne), Vorsitzender des Verkehrsausschusses, dieser Zeitung. Grube sei seit anderthalb Jahren im Amt, der Sparkurs unter Hartmut Mehdorn könne keine Entschuldigung mehr sein. Er kümmere sich aber offenbar vorwiegend um Großprojekte. „Die Bahn muss nun alle verfügbaren Züge in Europa leasen oder kaufen, um für 2011 besser gewappnet zu sein.“ Hier gebe es noch ein großes Potenzial. Zudem mangele es weiter bei der Information der Kunden. „Oft sind Reisende mit Internetzugang besser informiert als die Zugbegleiter.“ Uwe Beckmeyer, verkehrspolitischer Sprecher der SPD, forderte die Regierung auf, die Bahn durch die geplante Dividende von 500 Millionen Euro nicht zu schwächen. „Das Unternehmen braucht nun jeden Cent, um in besseres Material zu investieren.“

Die Winterprobleme nerven auch Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Er lässt seine Beamten derzeit aufschreiben, welche Ausfälle es auf Schienen, Straßen und in der Luft gab und warum. Mitte Januar will er den Bericht vorlegen.

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