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Wirtschaft: „Wir brauchen das Kapital dringend“ Goldman-Sachs-Experte Schenck über Investoren

Herr Schenck, welches Potenzial hat das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen in Deutschland? Dieses Jahr ist seit 2000 das bei weitem stärkste.

Herr Schenck, welches Potenzial hat das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen in Deutschland?

Dieses Jahr ist seit 2000 das bei weitem stärkste. Das hat gute Gründe, die auf absehbare Zeit bestehen bleiben. Wir werden eine sehr lebhafte Aktivität sehen.

Wie hoch schätzen Sie das Transaktionsvolumen in diesem und im nächsten Jahr?

Wir werden dieses Jahr deutlich jenseits der Marke von 130 Milliarden Euro landen, und ich halte das auch für 2006 für realistisch. Von 2002 bis 2004 lagen wir stets unter 100 Milliarden Euro.

Sind andere Länder noch aktiver?

Deutschland machte in den vergangenen Jahren zehn bis zwölf Prozent des europäischen Volumens aus. Langfristig müsste der Anteil auf ein Drittel steigen, weil das in etwa unserem volkswirtschaftlichen Gewicht entspricht. Ich bin davon überzeugt, dass wir 2005 erstmals wieder eine Steigerung sehen. Nach den ersten acht Monaten sind es knapp 15 Prozent.

Woran liegt diese Entwicklung?

Die Finanzinvestoren sind weiter sehr aktiv. Da haben sich die Parameter nicht verändert, das Zinsumfeld ist immer noch sehr günstig. Außerdem haben Finanzinvestoren viel Geld eingesammelt und suchen nach Anlagemöglichkeiten. Die Haupttriebfeder ist derzeit aber, dass die strategischen Investoren, also die Unternehmen, zurückgekehrt sind. Die meisten haben ihre Hausaufgaben, was die Kosten und Schuldenabbau angeht, erledigt. Und die Börse nimmt Wachstumsstrategien heute viel positiver auf, als dies noch vor ein paar Jahren der Fall war. In vielen Branchen sind zudem die langfristigen Geschäftsaussichten gut. Das alles führt dazu, dass Firmen wieder stärker auf externes Wachstum setzen.

Welche Branchen sind denn derzeit attraktiv für Fusionen und Übernahmen?

Im industriellen Geschäft haben wir zum Beispiel einige Transaktionen gesehen, etwa die Übernahme von Flender, einem Spezialisten für industrielle Antriebstechnik, durch Siemens oder von Moeller, einer Automatisierungsfirma, durch den britischen Finanzinvestor Doughty Hanson. Das sind klassische deutsche Industrieunternehmen. Auch im Konsumgüterbereich tut sich einiges. Die Energieversorger bleiben sehr aktiv, wobei sie als Käufer und nicht als Verkäufer auftreten, und das auch weniger in Deutschland, sondern im Ausland. Und es passiert einiges im Finanzdienstleistungsbereich – immerhin soll eine der großen deutschen Banken mit einer italienischen Bank zusammengeführt werden.

Unter M&A wird häufig verstanden, dass deutsche Unternehmen von ausländischen übernommen werden – und nicht umgekehrt. Ist dieser Eindruck richtig?

Nein. Das wäre eine sehr einseitige Sicht der Dinge. Adidas kauft Reebok, Eon steigt in Ungarn ein, die Deutsche Telekom will Telering in Österreich übernehmen. Von einem Ausverkauf deutscher Unternehmen zu sprechen, ist falsch. Ich sehe auch bei Goldman Sachs eher ein Übergewicht bei deutschen Unternehmen, die investiv tätig sind.

Die Union will Beteiligungsverkäufe wieder besteuern. Würde das M&A-Geschäft unter einem Regierungswechsel leiden?

Rein steuerliche Überlegungen sind selten die Triebfeder bei einer strategischen Entscheidung, ob man sich von einem Teilbereich trennt oder nicht. Ich denke nicht, dass eine steuerliche Veränderung das M&A-Geschäft lahm legen würde, zumal die meisten Unternehmen die letzten Jahre effektiv genutzt haben, ihre Überkreuzbeteiligungen abzubauen.

Die Finanzinvestoren sind in Deutschland dank der Heuschrecken-Debatte in Verruf geraten. Was bleibt unterm Strich?

Das war eine sehr unglücklich geführte Diskussion. Da ist eine wichtige Investorengruppe diskreditiert worden, deren Kapital wir dringend brauchen. Das Positive an der Heuschrecken-Debatte ist aber die Gegenreaktion gewesen. Denn inzwischen ist ja auch breit diskutiert worden, was Finanzinvestoren wirklich machen und wie nötig sie für den Standort sind.

Das Interview führte Moritz Döbler.

Marcus Schenck

leitet bei Goldman Sachs das Investment Banking für Deutschland. Er war an großen Deals beteiligt, etwa der Mannesmann-

Übernahme durch

Vodafone.

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