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Wirtschaft: „Wir brauchen die Politik“

Auto-Präsident Wissmann über Elektromobilität

Herr Wissmann, schon 2009 waren Elektroautos auf der IAA ein zentrales Thema. 2011 sind sie es wieder. Kaufen kann man ein deutsches E-Auto immer noch nicht. Warum nicht?

Einspruch! Auf der IAA wird das erste Elektroauto eines deutschen Herstellers mit Reichweitenverlängerer zu sehen sein, der Opel Ampera. Weitere Modelle kommen in den nächsten Jahren Schritt für Schritt auf den Markt. Schon jetzt haben fast alle Hersteller Autos mit Hybridantrieb im Angebot. Bei Qualität, Zuverlässigkeit, Komfort, Design und Sicherheit unserer Autos haben wir selbst die höchsten Ansprüche. Wir sehen den Weg in die Elektromobilität daher als Langstreckenlauf, nicht als Sprint: Entscheidend ist, wer als Erster ins Ziel kommt.

In gut neun Jahren sollen eine Million Elektro- und Hybridautos auf deutschen Straßen fahren. Das sind ungefähr 200 Mal so viele wie heute. Wie groß wird der Anteil deutscher Hersteller sein?

Deutschland soll – so hat es die Bundeskanzlerin gesagt – 2020 Leitmarkt für Elektromobilität sein. Das ist ein anspruchsvolles Ziel. Die deutsche Automobilindustrie selbst trägt den Löwenanteil der Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen: in den nächsten drei bis vier Jahren sind das zehn bis zwölf Milliarden Euro. Wir brauchen aber auch die Unterstützung der Politik, damit die Infrastruktur aufgebaut werden kann. Wenn wir die Fortschritte unserer Hersteller und Zulieferer anschauen, dann bin ich sehr zuversichtlich, dass wir im internationalen Wettbewerb ganz vorn dabei sein werden.

Daimler-Chef Zetsche und andere fordern staatliche Kaufanreize, damit ein Massenmarkt entstehen kann. Müssten die Hersteller, die zuletzt äußerst gut verdient haben, diese Anreize nicht selbst bieten?

Noch sind wir nicht in der Markthochlaufphase. Die Bundesregierung hat aber ihre Unterstützung zugesagt, wenn diese im Markthochlauf zur Elektromobilität benötigt wird. Unsere Hersteller und Zulieferer sind schon jetzt mit hoher Innovationsgeschwindigkeit unterwegs. Das wird auf der IAA zu sehen sein: Erstmals gibt es eine Halle der Elektromobilität. Neben Herstellern und Zulieferern sind dort auch Energie- und Chemieunternehmen dabei. Die IAA wird die weltweit größte Elektromobilitätsmesse.

Die Mehrkosten bei der Anschaffung eines E-Autos liegen bei einigen 1000 Euro. Wird Elektromobilität ein Luxus für wenige?

Bei jeder Innovation sind zu Beginn die Stückkosten hoch. Es kommt darauf an, dass Elektroautos gute Stückzahlen erreichen – dann sinken auch die Kosten je Fahrzeug. Bei der Batterietechnologie gibt es noch einige Herausforderungen, etwa bei Reichweite, Ladedauer und Speicherkapazität. Wir entwickeln das Elektroauto nicht für wenige, sondern durchaus für einen größeren Kundenkreis. Aber: Auch in zehn Jahren wird das Auto mit optimiertem Verbrennungsmotor noch den größten Marktanteil haben. Denn auch die Clean Diesel und Benziner werden immer sparsamer im Verbrauch.

Ein Blick in die Zukunft: Wird es auf der IAA im Jahr 2050 noch um individuelle Automobilität gehen?

Mit Sicherheit. Das Auto feiert 2011 sein 125-jähriges Bestehen – und damit eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Die aufstrebenden Märkte in Osteuropa, Russland und Asien beweisen, dass der Wunsch nach dem eigenen Auto, nach individueller Mobilität kultur- und kontinentübergreifend ist. Die Freude am Auto ist weltweit. Daher wird das Automobil auch in den nächsten Jahrzehnten eine der wichtigsten Investitionsentscheidungen der privaten Haushalte sein. Allerdings wird es künftig mehrere Antriebsarten geben: Elektro, Hybrid, Wasserstoff – und hocheffiziente klassische Motoren.

Die Fragen stellte Henrik Mortsiefer.

Matthias Wissmann ist seit 2007 Präsident des Verbands der Deutschen Automobilindustrie (VDA). 1993 war er Bundesforschungsminister, von 1993 bis 1998 Bundesverkehrsminister.

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