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Wirtschaft: „Wir brauchen neue Leute“

Telekom-Personalvorstand Heinz Klinkhammer über Streik, Stellenabbau und neue Beschäftigungsmöglichkeiten

Herr Klinkhammer, die Gewerkschaft Verdi droht der Telekom wegen des geplanten Arbeitsplatzabbaus mit Streik.

Verdi darf derzeit nicht streiken, die Gewerkschaft ist in der Friedenspflicht, da keine Tarifverträge gekündigt wurden. Das wäre ein wilder Arbeitskampf – da müssten wir darauf reagieren. Der Marburger Bund hat ja gerade in dieser Woche die Problematik durchaus eindrucksvoll aufgezeigt.

Anfang Februar könnte die Friedenspflicht auslaufen.

Ich glaube nicht, dass es zum Streik kommt. Es herrscht der Eindruck, dass die Telekom und Verdi zwei Züge sind, die aufeinander zurasen. Das ist aber nicht der Fall. Auch die Gewerkschaft weiß, dass uns die Arbeit in den traditionellen Geschäftsbereichen ausgeht.

Worüber streiten Sie dann mit Verdi?

Es geht zum Beispiel um das Tempo, um die Frage, wie schnell die Leute von Bord gehen müssen.

In den vergangenen zehn Jahren hat die Telekom 115 000 Stellen abgebaut. Verdi argumentiert, dass die verbliebenen Mitarbeiter heute mit Arbeit überlastet sind.

Wenn man genau hinsieht, kann man das nicht feststellen: Bei der Höhe der Gleitzeitguthaben, der Zahl der noch nicht eingelösten Urlaubstage und auch beim Krankenstand hat sich in den vergangenen Jahren nichts verändert. Zudem ist laut unserer aktuellen Mitarbeiterbefragung die Zufriedenheit gestiegen.

Als Kunde hat man oft das Gefühl, die Telekom könnte besser sein. Die Gewerkschaft fordert eine Qualitäts-, Service- und Innovationsoffensive und sagt, dass man dafür mehr Leute braucht...

Diese Forderungen sind berechtigt. Es stimmt: Wir sind bei Qualität und Service noch lange nicht da, wo wir hin wollen. Darüber werden wir sehr intensiv mit dem Sozialpartner sprechen. Wir stehen weiterhin vor der Herausforderung, langfristig Arbeitsplätze abbauen zu müssen, obwohl wir in einigen Bereichen neue Leute brauchen, und in den nächsten drei Jahren sogar neue Stellen, also Arbeitsplätze aufbauen.

Wo brauchen Sie Leute?

Wir beginnen bereits jetzt mit dem Ausbau unseres neuen Hochgeschwindigkeitsglasfasernetzes. Bis zur Fußball- WM wollen wir zehn Städte an das Netz angeschlossen haben. Hier entstehen 5000 neue Jobs – und wenn das Projekt erfolgreich ist, sogar noch mehr. Und es sind anspruchsvolle Jobs. Außerdem werden wir anfangen, die Zahl der Mitarbeiter in den T-Punkten aufzustocken und neue Geschäfte eröffnen.

Verdi meint, Ihnen fehlen die Ideen für neue Geschäftsmodelle.

Wohl kaum! Wir waren es, die seit 1995 neue Geschäftsfelder wie Mobilfunk, Internet, Breitband und jetzt das Glasfaserhochgeschwindigkeitsnetz entwickelt und aufgebaut haben. Wir sind mit sehr viel Fantasie unterwegs und suchen nach neuen Beschäftigungsmöglichkeiten – aber sie müssen profitabel sein und nicht nur arbeitsintensiv.

2004 haben sie ein Beschäftigungsbündnis geschlossen. Betriebsbedingt können Sie bis Ende 2008 nicht kündigen. Sind Sie sicher, dass 32 000 Menschen freiwillig gehen werden?

Ich halte das für machbar. Wir werden die Instrumente – Abfindung und Vorruhestand – so schärfen, dass wir interessante Angebote haben, die auch nachgefragt werden.

Sie brauchen die Unterstützung vom Bund, denn auch Beamte sollen gehen. Was wird das den Steuerzahler kosten?

Uns ist klar: Der Steuerzahler wird durch die Vorruhestandsregelung nicht zusätzlich belastet werden dürfen. Die Telekom wird dafür aufkommen müssen.

Was passiert, wenn Menschen gehen wollen, die Sie brauchen?

Es gilt das Prinzip der doppelten Freiwilligkeit. Wir geben nur Geld aus für Menschen, die das Unternehmen entbehren kann. Wir wollen junge Menschen im Unternehmen halten und sogar vermehrt einstellen, da wir als Technologiekonzern regelmäßig frisches Know- how benötigen. Wenn wir nichts tun, werden wir 2010 bei der T-Com ein Durchschnittsalter von knapp 49 Jahren haben. Deshalb werden wir in den kommenden drei Jahren auch 6000 Neueinstellungen vornehmen.

Im Osten gibt es vor allem Angestellte, die Sie leichter los werden. Verdi befürchtet dort einen Kahlschlag.

Das wird nicht eintreten. Wir achten immer darauf, dass wir ausgewogen unterwegs sind und gerade in den neuen Bundesländern bilden wir überproportional hoch aus und wir haben gezielt Call-Center eingerichtet, um die Menschen dort aufzufangen. Insgesamt werden wir darüber hinaus im kommenden Jahr mehr als 1000 Nachwuchskräfte einstellen. Das ist deutlich mehr als 2005.

Wie viele Mitarbeiter werden in Berlin vom Arbeitsplatzabbau betroffen sein?

Das steht heute noch nicht fest. Wir haben Anfang der Woche im Aufsichtsrat die notwendigen Beschlüsse über unsere Mittelfristplanung der nächsten drei Jahre gefasst und werden uns nun an die Detailarbeit machen.

Sie werden in diesem Jahr einen Milliardengewinn erzielen - und dennoch zehntausende Menschen nach Hause schicken. Wie rechtfertigen Sie das?

Die Gewinne stammen aus dem Geschäft von gestern. Wir wissen aber heute, in Zukunft werden wir deutlich weniger Menschen brauchen. Das liegt unter anderem an der technischen Entwicklung. Das bestreitet auch keiner, nicht einmal Verdi. Ich nenne nur ein Bespiel: Wir werden unsere Hauptverteiler, wo die Telefonleitungen zusammenlaufen, mittelfristig auf automatische Schaltung umstellen. Das setzt bereits im kommenden Jahr 700 Mitarbeiter frei. Wenn wir die Schaltvorgänge 2007 zu 65 Prozent automatisiert haben, brauchen wir 2100 Menschen weniger.

Das Gespräch führte Corinna Visser.

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