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Wirtschaft: "Wir fürchten den Wettbewerb nicht" (Interview)

Vorstandsvorsitzender Klaus Zumwinkel über den Börsengang, das Briefmonopol und den ungewissen Ausgang des EU-BeihilfeverfahrensKlaus Zumwinkel (56) ist Vorstandsvorsitzender der Deutschen Post AG. Der promovierte Ökonom begann seine Laufbahn 1974 bei der Unternehmensberatung McKinsey, 1979 wurde er dort Partner.

Vorstandsvorsitzender Klaus Zumwinkel über den Börsengang, das Briefmonopol und den ungewissen Ausgang des EU-Beihilfeverfahrens

Klaus Zumwinkel (56) ist Vorstandsvorsitzender der Deutschen Post AG. Der promovierte Ökonom begann seine Laufbahn 1974 bei der Unternehmensberatung McKinsey, 1979 wurde er dort Partner. 1985 wechselte Zumwinkel zum Versandhaus Quelle, wo er 1987 zum Vorstandsvorsitzenden aufrückte. Seit 1989 ist Zumwinkel Chef der "Gelben Post". Dank umfangreicher Rationalisierungsbemühungen in der ersten Hälfte der 90er Jahre schaffte er es, das Unternehmen in die Gewinnzone zu führen. Sein Ziel ist es, die Deutsche Post von einem nationalen Monopolanbieter zu einem weltweit agierenden Logistikkonzern umzubauen.

Herr Zumwinkel, glauben Sie an Wettbewerb?

Ich komme aus der Industrie und weiß deshalb sehr genau, dass Wettbewerb Wohlstand schafft.

Der Wohlstand Ihrer Kunden könnte größer sein, wenn der Postmarkt in Deutschland dereguliert und damit das Verschicken von Briefen billiger würde.

Ich rechne nicht damit, dass bei Wettbewerb im Briefbereich die Preise wie bei der Telefonie sinken werden.

Ihre Konkurrenten behaupten, wenn auch sie Briefe bis 200 Gramm und Infopost bis 50 Gramm transportieren könnten, dann kostete ein Brief nur 80 Pfennige statt 1,10 Mark.

Wettbewerber behaupten viel. Ich lade alle ein, in zweieinhalb Jahren ...

wenn das so genannte Briefmonopol Ende 2002 fällt ...

den Beweis für ihre Behauptung anzutreten. Letztlich kommen auch die Wettbewerber an den hohen Lohnkosten in Deutschland nicht vorbei. 80 Pfennige für einen bundesweit in unserer Qualität zugestellten Brief - ich halte das für exotisch.

Warum schaffen es andere europäische Monopolisten, Briefe billiger zu transportieren?

In den vergangenen zehn Jahren haben wir nur einmal, nämlich 1997, die Portopreise um zehn Prozent erhöht. In der gleichen Zeit betrug die Inflation in Deutschland insgesamt 24 Prozent. Real sind die Briefpreise also gesunken. So gesehen kostet das Verschicken eines Briefes heute nur real 96 Pfennige. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern stehen wir an vierter Stelle. Damit sind wir zwar nicht die Billigsten. Aber man darf auch nicht vernachlässigen, dass wir höhere Lohnkosten haben. Ein deutscher Postzusteller verdient doppelt so viel wie ein englischer. Außerdem sind wir ein wesentlich größeres Land als beispielsweise Holland. Wir müssen unsere Briefe nachts per Flugzeug transportieren. Das ist teurer als anderswo. Und letztlich kostet ein Brief bei uns im Inland genau so viel wie ein Brief nach Lissabon. In anderen Ländern ist die Auslandspost viel teurer als der Brief im Inland. Wenn man also genauer hin sieht, dann sehen wir hier in Deutschland mit unserer Portohöhe ganz gut aus.

Dennoch vermutet die EU-Kommission, dass Sie durch das Briefmonopol ungerechtfertigte Beihilfen erhalten.

Ich versichere Ihnen, das wir wettbewerbsfähig sind. Die Post AG ist einmal mit 394 000 Mitarbeitern gestartet. Jetzt haben wir noch 250 000 Beschäftigte. Die Post hat ein gewaltiges Rationalisierungsprogramm hinter sich. Wir fürchten den Wettbewerb nicht. Und was das Beihilfeverfahren in Brüssel, das unser Wettbewerber UPS angestrengt hat, betrifft: Da ist die Sachlage ganz simpel. Wenn man alle Auflagen, die der deutsche Gesetzgeber der Post aufgegeben hat, heraus rechnet, also 12 000 Postfilialen, die flächendeckende Versorgung zu gleichen Preisen und alle anderen Lasten, dann sind wir genau so produktiv wie die Wettbewerber. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es nicht zu einem Beihilfetatbestand kommt.

Welche Auswirkungen hätte eine für Sie negative Entscheidung der EU-Kommission auf Ihren Börsengang?

Noch einmal, nach unsere festen Auffasssung kann es dazu in keinem Fall kommen.

Das klingt insgesamt aber nicht nach einer so erfolgversprechenden Story wie sie etwa die Telekom kurz vor dem Börsengang hatte.

Das sehe ich nicht so. Unsere Unternehmensgeschichten ähneln sich in Teilen. Auch die Deutsche Post hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Wir haben große Anstrengungen unternommen, um wettbewerbsfähig zu werden. Unsere Aktionäre können wir mit Resultaten überzeugen. So sicher und schnell wie wir transportiert niemand in ganz Europa Pakete und Briefe. Unsere Umsätze - letztes Jahr 44 Milliarden Mark -, unsere Gewinne - letztes Jahr über zwei Milliarden Mark - und die Rendite werden die P-Aktie attraktiv machen. Unsere internationale Ausrichtung ist ein Teil unserer Börsenstory und verspricht attraktive Zukunftschancen bei der Globalisierung.

Können Anleger mit ähnlichem Wachstum rechen wie im Telekommunikationsmarkt?

Das Wachstum der Umsätze in der Logistikbranche kommt aus der Globalisierung. Der Welthandel wächst doppelt so stark wie das Weltsozialprodukt. Die Logistikbranche wird also weltweit einen enormen Boom erfahren. Sicher werden die Wachstumsraten nicht so fantastisch sein wie im Telekommunikationsgeschäft. Aber von zweistelligen Wachstumsraten in den attraktiven internationalen Segmenten können wir fest ausgehen. Diese positive Entwicklung, die ja bereits seit zehn Jahren läuft, wird in Zukunft sogar noch überlagert vom Internet. Kunden und Produzenten treten weltweit in direkten Kontakt. Die im Netz gehandelten Waren verursachen zusätzliches Wachstum der Logistikbranche. Das ist wie damals bei den Goldgräbern in Kalifornien. Da waren einige erfolgreich, andere nicht. Aber alle brauchten Ausrüstung und mussten deshalb auf Spezialisten zurückgreifen. Letztlich sehen wir uns genau in dieser Rolle.

Werden die Renditen im gleichen Maße wachsen wie der Markt?

Unseren Anlegern können wir ein renditestarkes Unternehmen präsentieren. Die Eigenkapitalverzinsung der Post liegt bei 40 Prozent, das kann sich sehen lassen.

Dagegen stehen allerdings höhere Kosten als bei Ihren Wettbewerbern. Sie halten ein großes Filialnetz vor und haben höhere Personalkosten. Werden die Renditeaussichten auch noch so rosig aussehen, wenn das Briefmonopol fällt?

Die Gewinne sind bei der Post in den vergangenen Jahren immer schneller gewachsen als die Umsätze. Das wird auch künftig so bleiben. Wir verdienen in dem so genannten reservierten Bereich heute eine Umsatzrendite von rund zehn Prozent. Zugegeben, betriebswirtschaftlich braucht man in Deutschland nicht 12000 Postfilialen, die uns der Gesetzgeber vorschreibt. Doch die Bevölkerung legt Wert auf dieses flächendeckende Netz. Und was die Personalkosten betrifft: Wir haben im deutschen Postmarkt anders als in anderen Branchen ein System, in dem über den Lohn konkurriert wird. Weil wir aus dem öffentlichen Bereich kommen, haben wir noch eine andere Lohnstruktur als unsere Wettbewerber. Unsere Zusteller verdienen im Durchschnitt mehr als bei der Konkurrenz.

Ein klarer Wettbewerbsnachteil!

Stimmt. Es gibt im Postmarkt keinen Flächentarif. Anfang diesen Jahres haben wir allerdings mit unseren Sozialpartnern einen bahnbrechenden Tarifvertrag beschlossen. Jeder neue Mitarbeiter, der zu uns kommt, startet danach mit marktgerechten Entgelten.

Wie groß wird der Anteil am Post-Kapital sein, den Sie Anfang November an die Börse bringen?

Letztlich entscheidet das der Bundesfinanzminister. Ich rechne mit 30 bis 35 Prozent. Die Entscheidung wird allerdings erst nach der Sommerpause getroffen.

Mit welchem Interesse der Anleger rechnen Sie?

Erfahrungsgemäß ist das Interesse der Anleger sehr groß, wenn ein Stück aus dem täglichen Leben zu günstigen Konditionen an den Markt kommt. Ich rechne mit einer mehrfachen Überzeichnung der Aktie. Ob daraus allerdings ein Gelbfieber wird, weiß ich natürlich nicht. Wir haben jedenfalls fest vor, die Anleger für unsere Aktie zu begeistern.

Wird Ihnen dabei ein Kollege von Manfred Krug helfen?

Gewiss, auch wir werden unser Unternehmen in der letzten Phase vor dem Börsengang personifizieren. Die erste Phase, in der wir uns der Öffentlichkeit als international tätigen Konzern präsentiert haben, liegt hinter uns. Jetzt hat gerade die zweite Phase begonnen. In den Medien lassen wir Helden des Internets erklären, warum E-Commerce ohne Logistik und damit die Deutsche Post nicht funktioniert. Für die dritte Phase, kurz vor dem Börsengang, lassen wir uns etwas besonderes einfallen. Aber warum ein Kollege von Manfred Krug? Warum nicht eine Dame in Gelb? Das Interview führten Antje Sirleschtov und Maren Peters.

Herr Zumwinkel[glauben Sie an Wettbewerb?]

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