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Wirtschaft: „Wir haben die Telekom zum Handeln gezwungen“

Matthias Kurth, Chef der Regulierungsbehörde, zur Öffnung der Ortsnetze, zu den Preisen und zum Start der neuen Mobilfunktechnik UMTS

Herr Kurth, Sie haben der Telekom gerade gestattet, die Grundgebühr um knapp zwei Euro zu erhöhen. Das ist keine gute Nachricht für die Verbraucher...

Wir haben die Aufgabe, den Wettbewerb in Deutschland zu fördern. Und wir hatten eine Entscheidung der EUKommission. Die hat kritisiert, dass der Abstand zwischen den Preisen, die die Wettbewerber für die Anschlüsse an die Telekom bezahlen, und den Preisen, die die Endkunden bezahlen, zu gering ist. Darüber haben auch die Wettbewerber seit Jahren geklagt. Die Telekom war zum Handeln gezwungen. Wir haben ihr die Möglichkeit eröffnet, den Preisabstand zu vergrößern.

Das hätten Sie auch erreichen können, wenn Sie niedrigere Mietpreise für die Wettbewerber vorgeschrieben hätten.

Wir haben die Vorleistungspreise wiederholt gesenkt, zuletzt im April um 5,5 Prozent. Eine weitere Absenkung schien uns nicht gerechtfertigt, denn die Preise müssen der Kostensituation entsprechen. Ein Wettbewerb, der unter Kosten stattfindet, ist nicht dauerhaft tragfähig.

Wie hoch sind denn die wahren Kosten für einen Anschluss?

Um das festzustellen, haben wir ein sehr detailliertes Modell entwickelt. Wir übernehmen nicht ungeprüft die Forderungen der Telekom oder die Wünsche der Wettbewerber. Wenn wir Investitionen in die Netze wollen, dann können wir nicht sagen: Das ist doch alles bereits abgeschrieben bei der Telekom. Wir wollen auch alternative Investitionen fördern. Und wir wollen gerade nicht, dass Wettbewerb nur auf den bestehenden Netzen der Telekom stattfindet. Bei unserer Entscheidung haben wir daher auch Kosten einbezogen, die neue Investitionen in die Anschlussnetze rechtfertigen. Das nutzt langfristig den Kunden und dem Wettbewerb.

Müssen Kunden sich jetzt auf steigende Preise einstellen?

Nein. Im Gegenteil: Die Erhöhung betrifft ja nur die monatlichen Grundentgelte für analoge Anschlüsse. Auf der anderen Seite haben wir seit Jahren eine dramatische Entlastung der Verbraucher bei den Verbindungspreisen – und die geht weiter. Ein Beispiel: Seit der Einführung von Call-by-Call im Ortsnetz gibt es sehr günstige und attraktive Angebote für lokale Gespräche.

Wie stark nutzen die Kunden das Angebot billiger Ortsgespräche bei alternativen Anbietern?

Sieben Prozent der Verbindungsminuten im Ortsnetz gehen nach unseren ersten Erkenntnissen bereits auf das Konto der Call- by-Call-Anbieter. Da findet eine signifikante Umverteilung zugunsten des Wettbewerbs statt. Call-by-Call und Preselection im Ortsnetz lösen einen weiteren Schub aus, der die Verbindungspreise auch im Ortsnetz senkt.

Der Markt steht vor erheblichen Veränderungen. Gerade wird das Telekommunikationsgesetz novelliert. Der Referentenentwurf liegt vor. Die Wettbewerber befürchten, dass die neuen Regeln das Ende von Call-by-Call bedeuten könnten...

Im Entwurf des neuen Telekommunikationsgesetzes steht, dass wir in bestimmten Abständen erstmals 2006 überprüfen sollen, ob die Telekom weiterhin das Inkasso für die Wettbewerber durchführen soll. Call- by-Call ist ein Modell, das im deutschen Markt etabliert und bei den Leuten beliebt ist. Das wollen wir nicht abschaffen. Unschön bei Call-by-Call ist aber, dass die Anbieter gerade bei kleinen Beträgen davon abhängig sind, dass die Telekom die Rechnung für sie stellt. Würden wir das heute abschaffen, dann käme der Call-by-Call-Markt zum Erliegen. Unsere Vorstellung war immer, dass es alternative Abrechnungsmethoden geben könnte, die diese Abhängigkeit von der Telekom reduzieren. Da stimmen mir die Wettbewerber zu – leider sind die Dinge auf Seiten der Wettbewerber aber noch nicht so in Gang gekommen, wie ich mir das gewünscht hätte. Mittelfristig muss sich da etwas tun.

Wenn wir den ganzen Markt betrachten: Wie viele ernst zu nehmende Wettbewerber der Telekom sehen Sie denn?

Da müssen wir sehr deutlich differenzieren. Im Markt für Geschäftskunden hat die Telekom erhebliche Wettbewerber, die auch sehr erfolgreich im deutschen Markt agieren. Großunternehmen mit vielen Filialen oder Außendienststellen können durchaus mit vier und mehr alternativen Angeboten neben einem Angebot der Telekom rechnen – zum Teil mit gravierend unterschiedlichen Preisen. Da hat der Wettbewerb sehr viel erreicht. Bei den Privatkunden muss man differenzieren. Aber in bestimmten Marktsegmenten will ich durchaus einräumen, dass das ein zähes Geschäft ist, Wettbewerb zu fördern.

Wie viele Anbieter würden denn übrig bleiben, wenn Sie morgen die Regulierung einstellen?

Meine Überzeugung ist, dass im Festnetz – insbesondere im Anschlussbereich – der Wettbewerb nur dank der Regulierung existiert. Wenn dort jetzt nicht mehr reguliert würde, wäre dieser Wettbewerb nicht mehr vorhanden. Aber ich bin dafür, dass die Segmente des Marktes, in denen der Wettbewerb erfolgreich vorangekommen ist, aus der Regulierung entlassen werden können.

Das neue Gesetz soll der Entwicklung des Marktes Rechnung tragen. Sind Sie mit dem Entwurf zufrieden?

Jeder Entwurf kann immer noch besser werden. Aber es gibt viele Teile, die unsere Arbeit erleichtern werden. Zum Beispiel muss uns die Telekom jetzt genauere Unterlagen über ihre Kosten vorlegen. Das war in der praktischen Arbeit bisher häufig ein Streitpunkt. Es gibt auch Vorschläge, die Gerichtsverfahren zu beschleunigen.

Gibt es gar nichts zu meckern?

Wir haben einige Anregungen. Zum Beispiel gibt es eine Bestimmung zum Weisungsrecht des Wirtschaftsministeriums, wo wir uns eine andere Regelung wünschen. Da geht es um die Unabhängigkeit der Behörde. Wir möchten, dass bei Regulierungsaufgaben jede Weisung des Ministeriums gegenüber der Regulierungsbehörde wie bisher veröffentlicht wird – das sorgt für mehr Transparenz.

Der Bund ist ja immer noch größter Aktionär der Telekom. Sie befürchten also, dass Ihnen die Regierung künftig stärker in ihre Arbeit hineinredet?

Die Regulierungsbehörde ist bewusst beim Wirtschaftsminister angesiedelt worden – und nicht beim Finanzminister, der über das Bundesvermögen wacht. Das ist ein Teil der inhaltlichen Sicherung der Unabhängigkeit der Behörde. Es gibt da ein natürliches Spannungsverhältnis zwischen den Ministerien. Ich finde, wir sind gut aufgehoben beim Wirtschaftsministerium. Eine unzulässige Einflussnahme auf Regulierungsentscheidungen gibt es bisher nicht.

Werden Sie mit dem neuen Gesetz künftig mehr oder weniger zu tun haben?

Zunächst einmal werden wir mehr zu tun haben, weil wir jetzt alle regulierungsrelevanten Entscheidungen mit der EU-Kommission abstimmen müssen.

Sie haben also mehr zu tun aber weniger zu sagen?

Brüssel hat ein Vetorecht.

Brüssel hat verlangt, dass die neuen EU-Rahmenrichtlinien bis 25. Juli in nationales Recht umgesetzt werden. Das neue Telekommunikationsgesetz wird aber frühestens im Dezember fertig sein. Muss Deutschland mit einer Strafe rechnen?

Deutschland ist nicht das einzige Land, dass die Frist nicht einhält. Die EU könnte ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Doch die Kommission müsste natürlich Gleichbehandlung wahren und auch gegen alle anderen Staaten vorgehen, die die Frist nicht einhalten. Ich gehe davon aus, dass die EU von der Einleitung eines Verfahrens absehen wird, so lange sie sieht, dass sich der deutsche Gesetzgeber bemüht, die Übergangsfrist so kurz wie möglich zu gestalten. Und das ist der Fall.

Auch in Deutschland läuft eine Frist ab: Ende dieses Jahres müssen die Netze für die neue Mobilfunktechnik UMTS stehen. Inzwischen haben die Netzbetreiber den Marktstart für UMTS immer wieder verschoben. Ärgert Sie das?

Für mich ist relevant, dass die Lizenznehmer ihre Auflagen erfüllen. Und die sehen vor, dass die UMTS-Netze Ende des Jahres 25 Prozent der Bevölkerung erreichen. Im Moment sieht es so aus, dass vier von den sechs Lizenznehmern diese Bedingung erfüllen. Wir haben nicht vorgeschrieben, wie viele UMTS-Kunden ein Unternehmen tatsächlich haben muss.

Sie werden also nichts unternehmen, wenn die Netze Ende des Jahres nicht genutzt werden?

Nein. Ich sehe die Frage, wann es losgeht, sehr entspannt. Natürlich müssen die Unternehmen selbst entscheiden, wann es genug Endgeräte und Dienste für UMTS gibt, die sie ihren Kunden anbieten können. Ich vertraue in dieser Hinsicht auf den Wettbewerb. Es wird mit Sicherheit niemand ein Netz, das er mit vielen Millionen Euro aufgebaut hat, ungenutzt herumstehen lassen. Wenn einer vorprescht und ein paar attraktive Endgeräte hat, mit denen er das Weihnachtsgeschäft bestreiten will, dann wird es vielleicht doch noch einmal spannend.

Was passiert mit den zwei UMTS-Lizenzen der Mobilfunkanbieter Mobilcom und Quam? Beide Anbieter haben UMTS mittlerweile aufgegeben.

Das werden wir entscheiden, wenn es so weit ist, also nach dem 31. Dezember.

Das Gespräch führte Corinna Visser.

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