zum Hauptinhalt

Wirtschaft: „Wir haben zum ersten Mal seit Jahren wieder Zuwächse“

Der Präsident des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie, Hans-Peter Keitel, über Optimismus, Schwarzarbeit und privat gebaute Autobahnen

Herr Keitel, die Baubranche steckt seit Jahren in einer tiefen Krise. Ist das für Sie nicht frustrierend?

Der Branche geht es in der Tat seit mehr als zehn Jahren nicht sehr gut. Nun bin ich seit 16 Jahren in führenden Positionen, habe also auch die guten Zeiten erlebt. Außerdem sehen wir so langsam, dass wir konjunkturell wieder Boden unter die Füße bekommen.

Aber der Optimismus der Branche hält sich doch in Grenzen ...

Wir haben schon in den vergangenen Jahren versucht, einen gewissen Optimismus auszustrahlen. Leider wurde er immer wieder von den Fakten konterkariert. Nun haben wir zum ersten Mal Belege, dass sich die Lage tatsächlich etwas bessert. Seit letztem Mai haben wir erstmals seit vielen Jahren wieder Zuwächse bei den Aufträgen, zum Ende des Jahres sogar in erheblichem Maß. Wir gehen nicht davon aus, dass das in diesem Jahr sofort wieder abbricht. Insgesamt werden wir 2006 beim Umsatz wohl eine schwarze Null schaffen.

Und wann werden auch die Beschäftigten etwas davon haben?

Das ist kein Automatismus. Wir können nicht sagen: Zwei Prozent Wachstum bedeuten sofort mehr Beschäftigung. Am Bau gibt es nach wie vor eine Menge Arbeitsplätze – nur werden die oft von Arbeitskräften aus dem Ausland besetzt, den so genannten Billiglöhnern. Die Frage muss deshalb vor allem lauten: Wann hat ein gut ausgebildeter deutscher Facharbeiter wieder eine Chance, am Bau einen Arbeitsplatz zu finden?

Und, hat er eine Chance?

Jein. Vor allem auf der Kundenseite muss es dafür mehr Verständnis geben. Wenn man keinen Wert auf Qualität legt und deshalb einen nicht ausgebildeten Arbeiter aus Weißrussland beschäftigt, dann darf man sich nicht wundern, wenn man anschließend fünf oder zehn Jahre lang mit der Mängelbeseitigung zu tun hat. Wenn ein Privatmann sein Haus bewusst so bauen möchte, habe ich das nicht zu kritisieren. Problematisch wird es, wenn auch die öffentliche Hand nur noch auf den billigsten Preis schaut. Genau das ist der Grund für die schlechten Chancen der deutschen Arbeitskräfte.

Der Zentralverband des deutschen Baugewerbes, der kleine und mittlere Baufirmen vertritt, ist deutlich skeptischer als Sie von den großen Baukonzernen. Was machen Ihre Kollegen falsch?

Falsch machen die gar nichts, sie haben einfach eine andere Struktur. Wir selbst profitieren besonders stark von positiven Effekten im Industriebau und leicht positiven Effekten im öffentlichen Bau. Im Wohnungsbau, wo vor allem kleinere Unternehmen tätig sind, gibt es dagegen einen deutlichen Rückgang.

Unterschiede gibt es auch zwischen den neuen und den alten Bundesländern. Wann wird die Bauwirtschaft im Osten wieder so wachsen wie im Westen?

Wenn die Wanderungsbewegung von Ost nach West nicht zum Stillstand kommt und wenn sich die Industrie nicht entsprechend entwickelt, dann wird das Bauen im Osten auch langfristig von Subventionen abhängen. Der Aufholprozess wird leider länger dauern, als wir uns das heute wünschen.

Liegt das auch daran, dass dort nach der Wiedervereinigung zu viel gebaut wurde?

Auf den einen oder anderen Ort bezogen gibt es das natürlich. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass der Osten einen Mangel an Einkaufszentren hat. Aber es gibt jede Menge anderer Bauaufgaben – zum Beispiel den Sanierungsbedarf, der im Osten selbstverständlich genauso gedeckt werden muss wie im Westen.

Was könnte die Politik tun, um dem Bau speziell im Osten auf die Beine zu helfen?

Ich halte nicht viel davon, generelle Strukturprobleme durch branchenspezifische Rezepte lösen zu wollen. Deshalb habe ich mich immer dagegen ausgesprochen, direkte Subventionstatbestände zu schaffen. Subventionen können nie groß genug sein, um wirtschaftliche Probleme wirklich zu beheben. Programme mit einer oder zwei Milliarden Euro sind uns natürlich immer willkommen, aber sie lösen die Probleme nicht, im Gegenteil: Bei den öffentlichen Haushalten schaffen sie erst welche. Das heißt aber nicht, dass die öffentliche Infrastruktur vernachlässigt werden soll. An Projekten wie der Autobahn Warschau-Berlin können sich ostdeutsche Unternehmen wunderbar beteiligen – auch in Polen.

Als Hauptproblem der Branche gilt oft die Schwarzarbeit. Was tun Sie dagegen?

Das muss man differenziert sehen. Beim Wohnungsbau stellt sich zum Beispiel die Frage, ob ein systematischer Abbau der Nachbarschaftshilfe nicht eher dazu führt, dass Wohneigentum gar nicht mehr errichtet wird. Ich glaube deshalb nicht, dass das unsere Zielrichtung sein muss. Zum Problem wird die Schwarzarbeit dort, wo es um große Volumina und nicht nur um Nachbarschaftshilfe geht, wo also legale Arbeitsplätze verdrängt werden. Hier sind wir absolut in einem Boot mit der Gewerkschaft. Wir alle begrüßen die Kontrollen, die ja auch verstärkt stattfinden. Baustellen müssen nicht geführt werden wie Hochsicherheitstrakte, aber es muss ganz klar erkennbar sein, ob jemand Sozialversicherungsbeiträge gezahlt hat oder nicht.

Große Hoffnungen setzt die Branche derzeit auf öffentlich-private Partnerschaften, so genannte Public Private Partnerships. Wird über PPP-Projekte nicht mehr geredet, als tatsächlich passiert?

Dieser Eindruck rührt daher, dass alle immer auf Autobahnprojekte schauen. Dabei hat sich im Hochbau schon eine Menge getan. Wir werden bis Mitte 2006 deutschlandweit ein PPP-Volumen von einer Milliarde Euro erreicht haben, zum Beispiel im Bau und Betrieb von Schulen.

Aber beim Autobahnbau hakt es noch.

Ja, hier muss jetzt Druck gemacht werden. Derzeit werden die Angebote für die Strecke Augsburg-München bearbeitet. Ich hoffe, dass wir noch dieses Jahr zur Vergabe kommen. Daneben gibt es zwei weitere Projekte, die in die Ausschreibung gehen. Fest steht aber auch, dass wir durch einzelne Pilotprojekte die Mobilität mit dem Auto nicht sichern können. Dafür brauchen wir ein groß angelegtes Konzept für das gesamte deutsche Autobahnnetz.

Und dazu gehört dann eine Pkw-Maut zur Bezahlung der PPP-Bauten?

Die Frage der Finanzierung lässt sich schlecht wegdiskutieren. Ob das dann aber über eine Pkw-Maut geht oder über andere Nutzerbeiträge – die mir persönlich lieber wären –, muss man im Detail sehen. Man könnte sich auch eine anteilige zweckgebundene Zuwendung der Kraftfahrzeug- und der Mineralölsteuer für die Straße vorstellen.

Und trotzdem sollen PPP-Projekte für den Steuerzahler billiger sein als der staatliche Autobahnbau?

Die Antwort lautet: Effizienz. Bei der öffentlichen Hand haben wir oft Planungsprozesse, die fast schon so viel kosten wie das Bauen selbst. Das zweite ist das Bauen. Wir bringen die Expertise ein von Menschen, die seit Jahren weltweit Autobahnen bauen. Warum müssen Autobahnen immer wie in Deutschland gebaut werden?

Im vergangenen Jahr hat der österreichische Baukonzern Strabag große Teile von Walter Bau übernommen. Ist die Konsolidierung der Branche abgeschlossen?

Keinesfalls. Strabag und Walter Bau waren nur ein besonders auffälliges Beispiel, weil es sich unter den größten zehn abgespielt hat. Unter den größten 500 spielt sich das aber jeden Tag ab. Wir werden sicher noch weitere Strukturbereinigungen erleben.

Könnte ein deutscher Baukonzern ins Visier ausländischer Konkurrenten geraten?

Das ist durchaus möglich – genauso, wie deutsche auch andere übernehmen. Aber generell muss man sehen, dass wir in unserer Branche immer dort liefern, wo der Kunde bauen möchte.

Das Interview führte Anselm Waldermann

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false