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Wirtschaft: „Wir sind noch da“

Die Nachfahren des Schering-Gründers betreiben in Lübeck eine Apotheke

Berlin - Während sich mit Merck und Schering zwei milliardenschwere Pharmakonzerne um eine mögliche Fusion streiten, schaut ein kleiner Drogerieartikel-Hersteller in Lübeck mit einer Mischung aus Sorge und Staunen nach Berlin. Es ist die Firma Blücher-Schering. „Wir sind die einzigen unmittelbaren Nachfahren des Schering-Unternehmensgründers, in der fünften Generation“, erklärt Geschäftsführer Rik Schering. Er ist der Ur-Urenkel des Berliner Apothekers Ernst Schering. Der 37-Jährige leitet das Unternehmen Blücher-Schering mit 20 Mitarbeitern seit über zehn Jahren, in direkter Nachfolge von Renate Blücher-Schering. Sie war noch ein Kind, als der Zweite Weltkrieg das schon damals mächtige Pharmaunternehmen Schering durcheinander wirbelte.

Am 13. März 1851 hatte Ernst Schering in Berlin eine Apotheke in der Chausseestraße gekauft und „Grüne Apotheke“ genannt. Über den Betrieb der Apotheke hinaus wächst schnell die industrielle Herstellung von pharmazeutischen Chemikalien und 1857 entstehen die ersten Gebäude der Schering AG. Während Ernst Schering den Aufstieg der Schering AG im Vorstand und Aufsichtsrat miterlebt, bleibt die „Grüne Apotheke“ im Familienbesitz und wird von Sohn Richard Schering weitergeführt. Richard gründet 1881 die Firma „R. Schering Fabrik chem.-pharmaz. Präparate“, die Apothekenwaren wie „reines Malz-Extrakt“, „medizinische Seifen“ und „Medizinal-Weine“ herstellt, darunter eine damals sehr erfolgreiche „Pepsin-Essenz“ für den Magen. Ab 1923 führt Sohn Kurt Blücher-Schering die Gesellschaft als Mitinhaber, an der ab 1924 die Schering AG eine 50-prozentige Beteiligung erhält.

Bis 1939 laufen die Geschäfte ausgezeichnet. Dann kommt der Krieg, beide Schering-Werke liegen in Schutt und Asche. Doch während Schering als Aktiengesellschaft im Streubesitz in West-Berlin bleibt und sich allmählich wieder berappelt, läuft es schlecht für Blücher-Schering. Die Keimzelle des Unternehmens, die „Grüne Apotheke“, liegt im Osten und wird 1946 enteignet. Daraufhin entschließt sich die Familie, die an der Schering AG nicht mehr beteiligt ist, zur Umsiedelung nach Lübeck. Hier versucht sie, das Erbe der „Grünen Apotheke“ weiterzuführen. „Wir sind ein kleines Unternehmen, das sich erfolgreich mit Naturprodukten am Markt hält“, sagt Rik Blücher-Schering heute, und einen Vergleich mit Schering lehnt er ab. Im Sortiment seiner Firma finden sich auch heute noch ausschließlich Präparate mit natürlichem Ursprung. Am wichtigsten ist noch immer der Pepsin-Wein mit Namen „Blücher-Schering“, den die Firma bundesweit an Apotheken und Drogeriemärkte liefert. Pepsin – der Wirkstoff des Pepsinweines – ist ein natürlicher Bestandteil des Magensaftes und hilft nach Unternehmensangaben „gegen Völlegefühl, Aufstoßen, verzögerte Verdauung“.

Es gibt noch ein anderes Unternehmen, das mit Schering verwandt ist – die medizinische Schuhfirma „Dr. Scholl“. Dr. Scholl gehört der US-Firma Schering-Plough, die aber außer dem Namen nichts mehr mit Schering zu tun hat. Schering-Plough entstand aus der im Zweiten Weltkrieg verstaatlichten USTochter der deutschen Schering AG, die alle ihre Patente und Unternehmungen in Übersee verlor.

Für Rik Blücher-Schering aus Lübeck ist das alles weit weg. Und doch würde es seiner Familie weh tun, wenn der Name Schering nach einer Übernahme durch Merck in Deutschland verschwinden würde. Regelmäßig kümmern sich die Blücher-Scherings um das Grab des großen Ernst Schering in Berlin, und „am Schicksal der Schering AG nehmen wir Anteil – auch wenn wir unternehmerisch nicht mehr verbunden sind“, sagt Blücher-Schering. Für seine Firma ist er trotz der verschärften Konkurrenz auf dem Markt zuversichtlich. „Wir haben ein gutes Image – jeder Apotheker kennt Blücher-Schering“, sagt er. Natürlich weiß er, dass der Teilname Schering dabei nicht unwichtig ist. „Der Name ist unser Kapital – auch in Zukunft“, sagt er und kündigt energisch an: „Wenn Merck tatsächlich Schering übernimmt und der Name verschwinden sollte, dann werden wir den Namen weitertragen. Wir sind noch da.“

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