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Wirtschaft: „Wir stehen unter ständiger öffentlicher Beobachtung“

Der Chef der Stiftung Warentest, Werner Brinkmann, über neue Testmethoden, den Erfolg der Discounter und den Streit mit Uschi Glas

Herr Brinkmann, mit Ihren Testurteilen stellen Sie die Welt auf den Kopf. AldiProdukte schneiden fast immer gut ab, Bioware schlecht. Wie kommt das?

Aldi-Produkte erhalten in der Tat häufig ein „gutes" Qualitätsurteil. Vor allem aber reagieren Lebensmitteldiscounter sehr schnell auf unsere Tests, das zeichnet sie aus. Wenn sie mal schlecht abschneiden, nehmen sie in aller Regel das entsprechende Produkt sofort aus dem Sortiment. Der Kunde kann daher sicher sein, dass er nach einer Testveröffentlichung dort nichts bekommt, was bei uns schlecht abgeschnitten hat.

Und die Bio-Produkte?

Bei uns schneiden Bio-Produkte immer mal wieder schlecht ab, häufig weil sie keine Konservierungsstoffe enthalten und daher naturgemäß schnell verderben. Das bringt ihnen dann schlechte Urteile. Aber manchmal erhalten Öko-Produkte auch gute Noten, etwa im aktuellen Test von Tomatenkonserven.

Wenn bei Ihnen ein Produkt oder eine Versicherung mangelhaft abschneiden, sind die dann erledigt?

Bei technischen Geräten und bei Lebensmitteln ist das sicherlich so. Bei den Finanzdienstleistungen noch nicht. Hier erreichen wir weniger Leser als bei unseren Produkttests, haben aber auch schon bewirkt, dass für den Verbraucher ungünstige Tarife vom Markt verschwunden sind. Allerdings ist die Auflage von Finanztest geringer als die von test.

Warum ist das so?

Finanzdienstleistungen sind ein schwieriges Feld. Wer sich mit den Ergebnissen von Finanzdienstleistungsuntersuchungen beschäftigt, muss mehr beachten als jemand, der eine test-Tabelle liest.

Sind die Verbraucher zu bequem?

Es gibt Menschen, die wir kaum erreichen. Das gilt vor allem für Leute aus bildungsfernen Schichten. Wir können nur ein Angebot machen, aber wir können niemanden zwingen, es anzunehmen.

Die Auflage von Finanztest sinkt.

Ja, aber das liegt nicht an Finanztest, sondern am wirtschaftlichen Umfeld. Wenn die Börsen boomen würden, würden sich mehr Menschen für die Geldanlagethemen in Finanztest interessieren.

Die SPD-Abgeordnete Lucie Kurlbaum- Beyer geißelte das erste test-Heft als zu sexy. Vielleicht täte Ihnen heute ein bisschen mehr Sex ganz gut?

Verbraucherschutz und Sex passen begrifflich schlecht zueinander. Verbraucherschutz ist spannend und interessant. Und vielfältig. Früher haben wir überwiegend Haushaltsgeräte getestet, heute testen wir mehr Lebensmittel, Unterhaltungselektronik, Kommunikationstechnik, und wir haben das große Thema Gesundheit. Für die Zukunft planen wir, auch ärztliche Leistungen zu testen.

In Pilotprojekten beziehen Sie jetzt erstmals auch soziale und ökologische Aspekte in Ihre Tests ein. Glauben Sie, dass es die test-Leser interessiert, ob ein Produkt unter ethisch und ökologisch korrekten Umständen hergestellt worden ist?

Das wissen wir noch nicht. Unsere österreichischen Kollegen, die früher begonnen haben, hatten eine große Resonanz. Ich bin gespannt, wie das bei uns laufen wird. Ich halte es aber für möglich, dass sich viele unserer Leser mehr für Preis und Qualität einer Ware als für ihre Herstellungsbedingungen interessieren.

Ist Ihr neuer Testansatz nicht eine Mogelpackung? Immerhin fahren Test-Mitarbeiter ja nicht nach Indien oder China, um selber nachzuschauen, wie die Arbeiter behandelt werden.

Die Untersuchungen haben sicherlich noch nicht die Tiefe, die unsere Leser sonst von uns gewohnt sind, aber Mogelpackungen sind sie nicht. Es gibt Veröffentlichungen auf diesem Gebiet, die Antworten der Hersteller auf unsere Fragen, und es gibt die Berichte unserer Auditoren. Wenn man diese Quellen zusammenführt, kommt man schon zu interessanten Ergebnissen. Aber bis wir mit eigenen Erhebungen den gesamten Produktionsgang nachkontrollieren können, ist noch ein weiter Weg.

Sind die Produkte in den letzten 40 Jahren besser geworden?

Ja, sie sind viel besser geworden. Dass sie bei uns nicht im gleichen Maße bessere Urteile bekommen, liegt daran, dass wir auch unsere Kriterien verschärft haben.

Sie testen Bestatter, Windeln und Rentenversicherungen. Was testen Sie nicht?

Fertighäuser und Jachten. Da ist uns der Einkauf der Prüfmuster zu teuer.

Niemand testet die Stiftung Warentest …

Das ist nicht richtig. Die Anbieter beschäftigen sich sehr intensiv mit unseren Testergebnissen...

Wie Uschi Glas, die Sie jetzt wegen der schlechten Note für ihre Hautcreme verklagen will...

Wir sehen dem Prozess gelassen entgegen, weil wir sicher sind, dass unsere Testergebnisse stimmen. Wenn die Anbieter glauben, dass sie zu schlecht weggekommen sind, wehren sie sich. Das ist normal. Und sie schauen auch sehr genau auf die Ergebnisse ihrer Konkurrenten. Wir stehen unter ständiger öffentlicher Beobachtung. Insofern müssen wir unseren Test jeden Monat neu bestehen.

Das Interview führte Heike Jahberg.

Werner Brinkmann (57) ist seit 1992

Mitglied des

Vorstands der Stiftung Warentest. Seit

Januar 1995 ist der promovierte Jurist

Alleinvorstand der Test-Organisation.

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