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Wirtschaft: „Wir werden bei Opel Alternativen entwickeln“ IG-Metall-Chef Wetzel über moderne Tarifpolitik

Herr Wetzel, die VWBeschäftigten bekommen über zwei Jahre keine Einkommenserhöhung. Hat es so eine lange Nullrunde schon einmal gegeben?

Herr Wetzel, die VWBeschäftigten bekommen über zwei Jahre keine Einkommenserhöhung. Hat es so eine lange Nullrunde schon einmal gegeben?

Der entscheidende Punkt ist doch nicht die Nullrunde, sondern die Beschäftigungsgarantie. Deshalb ist das VW-Ergebnis für die Beschäftigten sehr positiv, auch wenn Kröten geschluckt werden müssen.

Zum Beispiel die Abkehr vom Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, weil die neu Eingestellten künftig weniger verdienen?

Ich finde das nicht so dramatisch, denn die neuen Mitarbeiter wissen bei ihrer Einstellung, auf was sie sich einlassen, und den heute bei VW-Beschäftigten wird nichts genommen – das ist ganz wichtig.

Vom hohen Niveau des alten VW-Haustarifvertrags werden immer weniger Beschäftigte profitieren. Sind die guten Jahre in der Autoindustrie vorbei?

Alle Unternehmen müssen sich den Wettbewerbsbedingungen stellen und damit fertig werden. Dazu gehört auch, dass sich die ganze tarifpolitische Landschaft neu ordnet.

Mit dem diesjährigen Tarifabschluss von Pforzheim wollten die Metall-Tarifparteien dem entsprechen. Hat sich die Öffnung des Flächentarifs bewährt?

Mit Pforzheim wollen wir eine Antwort geben auf die unterschiedliche Situation in den Betrieben. Wenn es für unsere Mitglieder eindeutige Vorteile gibt – Arbeitsplatzgarantien und zukunftssichernde Investitionen – dann können wir vom Tarifvertrag abweichen.

Als Trendsetter für Abweichungen gelten die Siemens-Werke in Bocholt und Kamp-Lintfort, wo die IG Metall eine Abweichung um 30 Prozent akzeptierte.

Wir beschäftigen uns seit Jahren damit, im Rahmen von Firmensanierungen die bestmögliche Lösung für die Belegschaft zu erreichen. Auch bei der Handyproduktion mit ganz schwierigen Wettbewerbsbedingungen. Dort war die 30-prozentige Abweichung schon extrem groß.

Der Verband der Maschinenbauer VDMA klagt, die IG Metall würde den großen Unternehmen Abweichungen gestatten und die kleinen abblocken.

Das sind Ideologen, deren Behauptungen nicht von der Wirklichkeit gedeckt sind, und die Stimmung gegen die Gewerkschaften machen wollen.

Aber laut VDMA gibt es Belegschaften, die sich auf Abweichungen einlassen würden, aber von der IG Metall gestoppt werden.

Alle Fälle werden unter Beteiligung der Mitglieder geprüft, das ist doch selbstverständlich. Es wäre auch auf Dauer überhaupt nicht möglich, dass die IG Metall über die Köpfe ihrer Mitglieder hinweg entscheidet.

Sie sind involviert in die Sanierungsverhandlungen bei Opel. Wie viele Arbeitsplätze müssen auf Grund der Überkapazitäten in Deutschland gestrichen werden?

Opel hat über viele Jahre die falschen Autos mit falscher Technologie gebaut und hat nun große Probleme. Offenbar plant das Unternehmen nun eine Modelloffensive, bei deren Erfolg sich das Problem der Überkapazitäten zumindest teilweise lösen würde. Grundsätzlich wollen wir betriebsbedingte Kündigungen in Bochum, Rüsselsheim und Karlsruhe verhindern und werden dazu alternative Konzepte entwickeln.

Ist der Standort Bochum in der jetzigen Größe zu retten?

Bochum war immer profitabel und immer ausgelastet. Das Werk ist modern und gut entwickelt und wurde zuletzt nur schlecht gemacht.

Sie sind in dieser Woche mit dem so genannten Mitgliederbonus in die Kritik geraten, weil dadurch Gewerkschaftsmitglieder gegenüber Nichtmitgliedern privilegiert werden. Rücken Sie nun davon ab?

Es ist eine hochinteressante Debatte in Gang gekommen, deren Ergebnis wir abwarten. Mit dem Bonus wollen wir die Mitglieder stärker ins Zentrum unserer Tarifpolitik rücken. In der IG Metall haben wir einen großen Bedarf nach Konzepten, die uns attraktiver machen und uns in eine Gewinnerposition bringen.

Arbeitsrechtler und Arbeitgeber werfen Ihnen einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor.

Das ist Heuchelei. Arbeitgeber, die überall Ungleichbehandlung tolerieren oder sogar forcieren, werfen uns das vor. Wenn Firmen keinen Tarif zahlen, ist das die gröbste Form von Ungleichbehandlung – was tun die Arbeitgeber dagegen? Wir wollen aber Engagement und Mitwirkung fördern, deshalb halte ich unsere Idee mit dem Mitgliederbonus für sehr zeitgemäß.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

Detlef Wetzel , 51, ist Chef der nordrhein- westfälischen IG Metall. Wetzel hat bei einigen Unternehmen einen tariflichen Bonus für IG Metall-Mitglieder vereinbart, der sehr umstritten ist.

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