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Wirtschaft: „Wir wetzen nicht den ganzen Tag die Messer“

Hanns Ostmeier, Deutschlandchef des weltweit führenden Private-Equity-Investors Blackstone, über Heuschrecken, Übernahmen und Verantwortung

Herr Ostmeier, der Standort Deutschland ist für internationale Investoren so attraktiv wie noch nie. Warum?

Der Restrukturierungsbedarf ist nach wie vor hoch. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass sie nicht mehr auf einer Insel leben, sondern in einer globalisierten Welt. Manche Firmen müssen ihre Stärken aufbauen und benötigen dafür Kapital. Andere trennen sich von Randgeschäften und finden in Private-Equity-Fonds dankbare Käufer.

Trotzdem hat sich das Bild von einfallenden Heuschrecken eingeprägt. Wie viel Zeit geben Sie der Öffentlichkeit, bis sie mit dem Thema entspannt umgehen kann?

Das wird sich entwickeln. Noch herrscht die Meinung: Jeder Wandel ist bedrohlich. Ich sehe die Gefahr, dass umstrittene Einzelfälle – wie etwa die Bundesdruckerei in Berlin – weiter politisch instrumentalisiert werden. Mit der Zeit sollte die Diskussion aber sachlicher werden.

Warum sind die Investoren nicht früher gekommen?

Erst der Euro hat die Tür zum internationalen Kapitalmarkt aufgestoßen. Das hat zur Folge, dass auch in der Deutschland AG andere Maßstäbe gelten: Konzentration auf das Kerngeschäft, mehr Ertrag, mehr Wachstum. Das macht viele deutsche Firmen – und die Bereiche, die sie abstoßen – attraktiv. Und da es bei uns keine großen Pensionsfonds gibt, die ihr Kapital in der deutschen Wirtschaft investieren, kommt das Kapital jetzt von außen.

Aber erlebt die Deutschland AG nicht gerade ein Comeback? Porsche ist bei VW eingestiegen, auch um den Konzern vor Übernahmen zu schützen.

Das macht mich nicht schlaflos. Die Beteiligung von Porsche macht sogar Sinn wegen der engen Geschäftsbeziehungen beider Konzerne. Problematisch wäre es gewesen, wenn sich im Stile der alten Deutschland AG eine Bank oder Siemens oder Eon bei VW eingekauft hätten.

Wann wird das erste Dax-Unternehmen aufgekauft?

Schwer zu sagen. Tatsache ist: Die Übernahme eines Dax-Konzerns ist jederzeit möglich. Es gibt Dax-Firmen, die an der Börse weniger als zehn Milliarden Euro kosten. Das ließe sich heute zweifellos finanzieren.

Worauf warten Sie noch?

Eine Übernahme ist doch kein Selbstzweck. Private-Equity-Manager wetzen nicht den ganzen Tag ihre Messer und warten nur darauf, ein Dax-Unternehmen auf den Haken zu nehmen. Man muss unterscheiden: Beteiligungsgesellschaften kaufen sich in der Regel gar nicht über die Börse ein. Entscheidend für uns ist, ob ein Unternehmen von sich aus Kapitalgeber sucht. Anders Hedge-Fonds: Sie halten verschiedene Aktienpakete, die sie laufend in hohem Tempo an der Börse umschichten. Für Blackstone gilt im Übrigen: Feindliche Übernahmen sind tabu!

Interessiert sich Blackstone für eine deutsche Großbank?

Ja, wir sehen uns grundsätzlich den deutschen Finanzsektor an. Der einzige Grund allerdings, warum man jetzt eine deutsche Bank kaufen sollte, ist die Aussicht, ihre Ertragskraft zu steigern. Eine Reihe deutscher Banken, auch einige größere, hat keine eigene strategische Perspektive. Das könnte für einen Investor interessant sein, der ein deutsches Geldhaus mit einem europäischen zusammenführt.

Will Blackstone auch im deutschen Verlagswesen investieren?

Wenn wir das richtige Objekt finden, sind wir sehr interessiert. Wir haben Erfahrung in den USA und halten den deutschen Printmarkt für attraktiv. Es gibt Familienunternehmen, die ihre Zukunft neu regeln wollen. Es gibt zahlreiche Verlagsinseln, die man zusammenführen könnte.

Blackstone legt zurzeit einen neuen Fonds auf, der 12,5 Milliarden Dollar schwer sein soll. Wie viel Geld können Sie in Deutschland investieren?

Zum Fonds kann ich mich nicht äußern. Aber so viel kann ich sagen: Wenn sich morgen ein gutes Investment in einem Transaktionsvolumen in zweistelliger Milliardenhöhe anböte, könnten wir das machen. Und wenn es übermorgen ein zweites in dieser Größenordnung gäbe, würden wir es auch realisieren können.

Auch andere Private-Equity-Fonds müssen viel Kapital anlegen – treibt das die Preise für Unternehmensbeteiligungen?

Wir haben keinen Druck, das Geld kurzfristig anlegen zu müssen. Wir haben dieses Jahr an vielen Objekten gearbeitet, ohne im Preis bis zum Äußersten zu gehen. Natürlich tut es weh, wenn man am Ende leer ausgeht. Doch ich halte viel von dem Grundsatz: Der beste Deal ist der schlechte, den man nicht gemacht hat.

Besteht die Gefahr, dass sich Private-Equity-Firmen übernehmen?

Das kann man nicht ausschließen. Schließlich geht es um Risikokapital. Aber auch Unternehmen, die verkaufen, tragen für Überhitzungen Verantwortung. Wer den größten Dummen sucht, der den höchsten Preis zahlt, bekommt ihn auch – und einen schlechten neuen Eigentümer.

Dann sind am Ende die Verkäufer schuld, wenn Sie ein zu großes Risiko eingehen?

Nein, aber Verkäufer sollten die Chancen von Private Equity erkennen: Es gibt Unternehmen, die eine gute Substanz haben, aber zu wenig daraus machen. Sei es, weil sich die Eigentümer umorientieren, oder, weil das Risiko zu groß ist. Wir können mit einem großen Fonds das Risiko gut auf uns nehmen und etwa ein 50 Jahre altes mittelständisches Unternehmen bei einem Wachstumsschritt unterstützen.

Und der Betrieb wird dann in fünf Jahren umgekrempelt. Verstehen Sie, dass mancher Mittelständler davor Angst hat?

Jeder, der sich mit Private Equity einlässt, muss wissen, dass wir nur Lebensabschnittsgefährten sind. Die Nachkriegszeit ist vorbei, der Wettbewerb ist ein anderer. Wenn man als Mittelständler nicht die Kraft hat, Wettbewerber zuzukaufen, um größer und vielleicht börsenfähig zu werden – dann wird man irgendwann selbst gekauft. Kapital ist nun einmal der Lebenssaft eines Unternehmens.

Was ist mit Mitarbeitern, dem Knowhow, den Kunden?

All das fließt ja in die Bewertung eines Unternehmens ein. Wenn wir nach fünf Jahren wieder mit Gewinn verkaufen wollen, muss das Unternehmen wertvoller geworden sein.

Mit weniger Arbeitsplätzen?

Das kann so sein, muss es aber nicht. Entscheidend ist, dass Unternehmen eine zukunftsfähige Struktur bekommen, um Jobs zu sichern und neue zu schaffen. Das sehen oft auch Betriebsräte ein. Das ist für den Einzelnen, der seinen Job verliert, sicher kein Trost. Für die Firma insgesamt kann es aber lebensnotwendig sein.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer

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