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Wirtschaft: "Wir wollen endlich fairen Wettbewerb"

RON SOMMER wurde im Mai 1995 mit einem Fünfjahresvertrag Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom.Der 1949 als Sohn eines Russen und einer Ungarin im israelischen Haifa geborene Sommer studierte in Wien Mathematik.

RON SOMMER wurde im Mai 1995 mit einem Fünfjahresvertrag Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom.Der 1949 als Sohn eines Russen und einer Ungarin im israelischen Haifa geborene Sommer studierte in Wien Mathematik.Nach Jahren bei Siemens-Nixdorf und an der Spitze von Sony Deutschland organisierte Sommer als Telekom-Chef den größten Börsengang der Finanzgeschichte.Mit Sommer sprachen Heike Jahberg, Hermann-Josef Knipper und Daniel Wetzel.

TAGESSPIEGEL: Die Telekom ist wieder vor der Regulierungsbehörde gescheitert.Hat Herr Scheurle etwas gegen Sie?

SOMMER: Es geht hier nicht um Personen.Warum die Regulierungsbehörde bei ihren Entscheidungen permanent gegen die Deutsche Telekom entscheidet, ist für mich absolut unverständlich.So behauptet der Regulierer immer wieder, daß die Zahlen der Telekom nicht nachvollziehbar wären.Tatsache ist aber, daß wir an der Wall Street und in Tokio notiert sind und unsere Kostenrechnungen von bedeutenden Wirtschaftsprüfern nach den weltweit modernsten Methoden geprüft werden.Da macht es sich der Regulierer zu einfach.Selbst die einschlägige Verordnung sagt, daß die Besonderheiten der Vergleichsmärkte zu berücksichtigen sind.

TAGESSPIEGEL: Nun hat Ihnen der Regulierer die Preselection-Gebühren gekürzt, die Sie von Kunden beim Wechsel zu einem anderen Anbieter verlangen wollten.Ziehen Sie vor den Kadi?

SOMMER: Zunächst einmal: Es gibt keine Wechselgebühr.Wenn ein Kunde uns verlassen will, kann er das selbstverständlich kostenlos tun.Nimmt er dabei allerdings eine Leistung von uns in Anspruch - etwa die Einstellung eines anderen Unternehmens für Ferngespräche in unseren Vermittlungsrechnern - dann entstehen uns Kosten.Und die müssen wir erstattet bekommen.Wir prüfen die Entscheidung des Regulierers zur Zeit daraufhin, ob wir juristische Schritte einleiten müssen.Und die nächste Entscheidung steht schon bald an, wenn der Regulierer über den entbündelten Netzzugang befindet.

TAGESSPIEGEL: Dabei geht es um die Miete, die Sie kassieren, wenn Sie einem Wettbewerb einen Teilnehmeranschluß überlassen.Scheurle will bis zum 17.August entscheiden.Was steht auf dem Spiel?

SOMMER: Diese Entscheidung hat erheblichen Einfluß auf die langfristige Profitabilität der Telekom.Aber es geht hier nicht allein um die Telekom.Auf dem Spiel steht auch die zukünftige Rolle Deutschlands im Informationszeitalter, um die Chancen im globalen Wettbewerb.Darüber müssen sich alle Beteiligten klar werden.

TAGESSPIEGEL: Das hört sich an, als riefen Sie nach Protektionismus.

SOMMER: Absolut nicht.Das glatte Gegenteil ist der Fall.Wir können doch die entbündelte Anschlußleitung - zu deren Angebot in dieser Form wir durch Gerichtsbeschluß gezwungen sind - nicht unter Kosten anbieten, und damit unsere Wettbewerber immer weiter subventionieren.Ich will nur faire Wettbewerbsbedingungen.Wenn es immer heißt, die Telekom sei gegen Wettbewerb und wolle nur ihr Monopol verteidigen, ist das ein schwacher Vorwurf.Wir wären doch nie in der Lage, ohne Wettbewerb die Produktivitätssteigerungen zu erzielen, die wir in den nächsten Jahren erzielten müssen, um auf Weltklasse-Niveau zu kommen.Unser Markt ist ja nicht Deutschland, sondern die Welt.Wir können nicht mit zwei Standards operieren: Monopol verteidigen in Deutschland, Monopol bekämpfen außerhalb - das wäre doch schizophren.Wir müssen ein Global-player werden, wenn wir bestehen wollen.Die Mega-Fusionen auf dem US-Markt sind nur ein Vorgeplänkel.Schon bald wird es in der Telekommunikation transatlantische und transpazifische Fusionen geben, neben denen die Daimler-Chrysler-Fusion klein erscheinen wird.

TAGESSPIEGEL: Der Regulierer torpediert die Weltmarkt-Chancen der Telekom?

SOMMER: Noch einmal: Wir wollen faire Wettbewerbsbedingungen.Mir geht es nur darum, die Telekom nicht zum Subventionierer der Wettbewerber werden zu lassen.Es gibt Schwächen in der Regulierungspraxis, die massiv vom ursprünglichen politischen Willen des Gesetzgebers abweichen und die gegen die Interessen eines wichtigen deutschen Unternehmens und der deutschen Wirtschaft insgesamt sind.Denn sie führen zu Markverwerfungen, weil sie den Investor bestraft und denjenigen belohnt, der nicht investiert.

TAGESSPIEGEL: Ein Privatmann braucht nur 21 DM für seinen Telefon-Anschluß zahlen.Einem Wettbewerber wollen Sie aber 47 DM berechnen.Muß da der Regulierer nicht gegen Sie entscheiden?

SOMMER: Bei dieser Argumentation wird immer vergessen, daß der private Telefonanschluß nicht mit den 21 DM bezahlt ist - er wird durch die Gesprächsgebühren subventioniert.Die tatsächlichen Kosten liegen viel höher.Das ist eine historische und politisch gewollte Tatsache, übrigens nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.Im übrigen haben wir uns mit unserem Entgeltantrag streng an das Gesetz gehalten.Nur: Wenn ich den Anschluß jetzt einem Wettbewerber zu den niedrigen Subventionspreisen vermiete, dann würden wir für einen Konkurrenten einen Teil der Kosten übernehmen - und das kann keiner von uns erwarten.

TAGESSPIEGEL: Wird eine neue Fehlentscheidung des Regulierers den Aktienkurs nach unten reißen?

SOMMER: Die Aktie hatte schon 1997 gelitten, als die Interconnection-Preise festgesetzt worden sind.Damals ist der Aktienwert des Unternehmens in zwei Stunden um zehn Mrd.Mark gesunken.Das Risiko im Wert des Unternehmens sind nun einmal die Entscheidungen des Regulierers.

TAGESSPIEGEL: Beispiel Kabelgeschäft: Der Regulierer verlangt, daß Sie die Preiserhöhung für Kabelfernsehen ab Januar wieder zurücknehmen.

SOMMER: Hier hat der Regulierer eine Entscheidung getroffen, die wir absolut nicht nachvollziehen können.Das Kabelgeschäft ist bekanntermaßen hochdefizitär und hat allein 1997 Verluste in Höhe von 1,1 Milliaraden Mark eingefahren.Wir haben unseren Aktionären gesagt, daß wir sehr systematisch an diesem Problem arbeiten.Und wir werden uns auch weiterhin nicht von unserer Linie abbringen lassen.Wir werden das Kabelgeschäft in Tochtergesellschaften ausgründen und damit regionalisieren - weil da die Stärke des Kabels gegenüber dem Satelliten liegt.Weil die Rentabilität trotz allem kein für unsere Aktionäre akzeptables Niveau erreicht, werden wir Partner mit ins Boot nehmen, die in der Lage sind, zusätzliche Werte zu schaffen.Wir sind da völlig offen.

TAGESSPIEGEL: Man unterstellt der Telekom, Sie wolle das Kabelgeschäft nicht verkaufen, damit Konkurrenten mit neuen Nutzungsideen draußen bleiben.

SOMMER: Das stimmt nicht.Wir haben heute über 1000 Wettbewerber.Ob ich 1150 oder 1151 Wettbewerber habe, spielt vor diesem Hintergrund eine untergeordnete Rolle.Im Gegenteil.Mir ist es lieb, wenn mir heute ein Wettbewerber eine Kabelregion komplett abnimmt und mit neuen Investitionen ein neues Geschäft aufbaut.Ein kalkulierbarer Wettbewerber ist mir lieber als einer, der ohne eigene Investitionen nur durch regulatorische Schlupflöcher Gewinne auf meine Kosten macht.

TAGESSPIEGEL: Wie Mobilcom oder Tele 2.

SOMMER: Namen spielen hier keine Rolle.Ich kritisiere nur grundsätzlich, daß in dieser Regulierungsphase noch so viele Schlupfloch-Geschäft gemacht werden können - auf unsere Kosten.

TAGESSPIEGEL: Sie mußten den gesamten Jahregewinn ausschütten, um das Dividendenversprechen zu halten.Wird es langsam eng für die Telekom?

SOMMER: "Eng" ist sicherlich nicht der richtige Begriff.Die Telekom ist ein profitables Unternehmen.Die Zahlen des letzten Jahres belegen das.Aber der Regulierer muß sich klar sein, daß es hier nicht um Sandkastenspiele geht.Unsere Gegner sind keine zarten Pflänzlein, die eines besonderen Schutzes bedürften.Es sind Konzerne, die unsere Größenordung - und zum Teil sogar auch noch stärkere Bilanzen haben.Warum sollen wir Energiekonzerne, die in ihrem Stammbereich Monopolgewinne erzielen, bei ihrem Eintritt in die Telekommunikation auch noch subventionieren?

TAGESSPIEGEL: In Köln, der einzigen Stadt in der Sie schon Konkurrenz bei Ortsgesprächen haben, laufen Ihnen jeden Tag hundert Kunden weg.Die telefonieren lieber mit Netcologne.Wenn andere Großstädte nachziehen, dürfte Ihr Marktanteil zusammenschmelzen.

SOMMER: Die Zahlen, die sie genannt haben, stimmen nicht.Ich kenne die Situation in Köln sehr gut - und wir brauchen diesen Wettbewerb dort nicht zu scheuen.Wir haben dort 5000 Mitarbeiter, die unglaublich gut motiviert sind.Unsere Serviceorganisation erledigt heute über 90 Prozent der Aufträge innerhalb von 24 Stunden - nicht nur in Köln, sondern bundesweit.

TAGESSPIEGEL: Service ist gut.Aber der Kunde sieht doch vor allem, daß er anderswo 40 Prozent billiger telefoniert.

SOMMER: Das stimmt ja so pauschal gar nicht.Sie können heute mit der Telekom eine Stunde von Berlin nach Los Angeles mit höchster ISDN-Qualität telefonieren für etwas mehr als 30 Mark.Noch besser im City-Bereich: Da kann der Privatmann abends für 1,80 Mark eine Stunde lang telefonieren.Und der Citytarif geht bei uns immer 25 Kilometer über die Stadtgrenze hinaus: Wenn sie in einen Vorort telefonieren, dann zahlen sie bei uns Citytarif - die Wettbewerber berechnen ein Ferngespräch.

TAGESSPIEGEL: Der Bund besitzt rund 74 Prozent der Telekom.Wie lange noch?

SOMMER: Bis zum Jahr 2000 darf der Bund nur mit unserer Zustimmung Aktien an strategische Partner der Deutschen Telekom abgeben.Ich gehe aber davon aus, daß der Bund seine Anteile ab dem Jahr 2000 sehr schnell reduzieren wird.

TAGESSPIEGEL: Wann erfreuen Sie die Kunden wieder mit Preissenkungen?

SOMMER: Preise kennen nur eine Richtung: Nach unten.Aber für Deutschland wichtiger ist, daß die Telekom in die Zukunft investiert.Denn Telekommunikation ist ein zentraler Faktor der Wettbewerbsfähigkeit im 21.Jahrhundert.Wenn die Regulierung dazu führt, daß nur noch die Telekom in Deutschland investiert und sich alle anderen nur aufs Trittbrett stellen, kann das nicht im Interesse der Telekom und des Standortes Deutschland sein.

TAGESSPIEGEL: Verhindert die Kostensituation der Telekom neue Preissenkungen?

SOMMER: Unsere Kostensituation entwickelt sich sehr positiv.Wir haben unsere Personalkosten im vergangenen Jahr von 18,4 Mrd.DM um 400 Millionen abgebaut, und werden eine ähnliche Größenordnung auch in diesem Jahr wieder erzielen.Das Gesamtziel, innerhalb von sechs Jahren 60 000 Stellen sozialverträglich abzubauen, haben wir bereits heute, nach drei Jahren, zu zwei Dritteln erreicht.Auch beim Schuldenabbau machen wir hervorragende Fortschritte.Unser Ziel war, die Verbindlichkeiten von 125 Mrd.DM in sechs Jahren um 60 Mrd.DM abbauen.Auch hier haben wir in der halben Zeit zwei Drittel des Weges geschafft.

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