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Wirtschaft: Wirtschaft findet Unionspläne halbherzig

Industrie und Handwerk kritisieren Plan für höhere Mehrwertsteuer und fordern mehr Ehrlichkeit

Berlin - Das Wahlprogramm von CDU und CSU ist bei Wirtschaft und Ökonomen auf Zustimmung, in Teilen aber auch auf deutliche Ablehnung gestoßen. „Das Programm enthält Licht und Schatten. In der Steuerpolitik ist keine klare Linie erkennbar“, bemängelte Ludwig Georg Braun, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Kritisiert wurde insbesondere das Vorhaben, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, um mit den Mehreinnahmen die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu senken. Dies sei „das falsche Signal“, erklärte Otto Kentzler vom Handwerksverband ZDH. Die Gewerkschaften lehnten die Pläne der Union ab.

Kernpunkte des am Montag präsentierten Programms sind neben der Mehrwertsteuer-Erhöhung eine Reform von Einkommen- und Körperschaftsteuer, ein Abbau des Kündigungsschutzes sowie eine Verlängerung des Bezugs von Arbeitslosengeld für Ältere. Die Neuverschuldung soll bis 2013 auf null gesenkt werden.

Grundsätzlich weise das Unionsprogramm damit in die richtige Richtung, sagte Jürgen Thumann, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Werde alles so umgesetzt, „können Bürger und Unternehmen wieder Vertrauen in die Wirtschaftspolitik und in den Standort Deutschland fassen“, erklärte er. Als „Wermutstropfen“ bezeichnete Thumann es aber, dass die Union die Mehrwertsteuer erhöhe, ohne die Sozialsysteme zu reformieren. Damit werde die Konsolidierung des Haushalts über die Einnahmenseite betrieben, statt Ausgaben zu senken. ZDH-Chef Kentzler sagte, eine Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung sei auch durch Reformen bei der Bundesagentur für Arbeit sowie bei der Arbeitsmarktpolitik möglich.

DIHK-Präsident Braun fügte hinzu, im Ergebnis werde die Belastung mit Steuern und Abgaben im kommenden Jahr sogar ansteigen. Wie Thumann forderte er, dass auch die Bundesländer einen Beitrag zur Gesundung der Staatsfinanzen leisten müssten. Es sei zwar gut, dass die Union auf „leere Versprechungen“ verzichte. Noch mehr Ehrlichkeit hätte man ihr aber bescheinigen können, wenn sie die Kraft gefunden hätte, das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre zu erhöhen.

Die Gewerkschaften übten dagegen scharfe Kritik. IG-Metall-Chef Jürgen Peters verurteilte die Unionspläne als „Griff in die Tasche von Beschäftigten, Rentnern und Arbeitslosen“. Er kündigte den Widerstand der Gewerkschaften gegen die Einschränkung von Mitbestimmung und Kündigungsschutz sowie die Einrichtung betrieblicher Bündnisse an. Verdi-Chef Frank Bsirske erklärte, was die CDU als Reform des Arbeitsrechts bezeichne, habe nur das Ziel, „die Beschäftigten und ihre Betriebsräte gegenüber ihren Arbeitgebern erpressbar zu machen“.

Ökonomen reagierten zurückhaltend auf das Konzept. Es sei „offenbar nur ein Einstieg in Reformen“, sagte Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz, dem Tagesspiegel. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer sei „ein ziemlich hohes Risiko für die ohnehin schwache Binnenkonjunktur“. Neue Jobs würden damit allenfalls langfristig entstehen. Zudem wäre es sinnvoller, die Reform der Einkommen- und der Körperschaftsteuer Anfang 2006 statt Anfang 2007 durchzuführen.

Gebhard Flaig, Konjunkturchef des Münchener Ifo-Instituts, bemängelte die Unschärfe der Unionspläne. Zwar gebe es gute Ansätze, sie seien aber „halbherzig“, insbesondere beim Kündigungsschutz. Statt vieler Detailregeln für große und kleine Betriebe sei ein Gesetz „aus einem Guss“ nötig, empfahl er. Zu einem raschen Aufschwung werde das Programm nicht führen. „So was dauert viele Monate, wenn nicht Jahre“, sagte er.

Auch Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, hatte weiter reichende Reformankündigungen erhofft. „Das ist die Programmatik, die wir kennen. Die Union wird noch nachlegen müssen“, sagte er dieser Zeitung. Bei der Sanierung der Finanzen zeige die Partei „eine erstaunliche Mutlosigkeit“. Ulrich Ramm, Chefvolkswirt der Commerzbank, urteilte indes, CDU und CSU könnten für eine bessere Stimmung im Land sorgen. „Die Leute könnten merken, dass sich endlich etwas bewegt – das könnte auch die Investitionen der Unternehmen und den Arbeitsmarkt endlich in Schwung bringen“, sagte er.

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