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Teure Türme. Bereits 2008 hat der Staat die Finanzbranche, hier das Bankenviertel La Defense in Paris, im großen Stil gerettet. Ein Ende der Krise ist aber nicht in Sicht. Foto: dpa

© dpa

Wirtschaft: Wirtschaft fordert Staatsgeld für Banken

IW-Chef Hüther will bis zu 74 Milliarden Euro in die Branche stecken, um eine Kreditklemme abzuwenden.

Berlin - Drei Jahre ist es nun her, dass der deutsche Staat ein Tabu brach. Er stieg mit bis dahin kaum vorstellbaren Summen bei den Banken ein, um ihren Zusammenbruch zu verhindern. Die Schulden, die diese Rettungsaktion hinterließ, werden die Steuerzahler noch auf Jahre abstottern müssen.

Womöglich kommen bald neue hinzu. Um eine erneute Bankenkrise abzuwenden, sollen die Staaten der Euro-Zone nun erneut bei ihren Instituten einsteigen – per Zwang. Das fordert Michael Hüther, der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). „Das Risiko einer Kreditklemme ist nicht von der Hand zu weisen“, sagte er am Dienstag dem Tagesspiegel zur Begründung. In den Defizitländern trete sie bereits zutage. „Es geht nicht um einzelne Banken, sondern um alle systemrelevanten Institute in Europa.“ Vorbild solle die Bankenrettung in den USA sein. Nach dem Zwangseinstieg 2008 verkaufte der  Staat seine Beteiligungen an der Finanzbranche wieder, bis heute hat er sechs Milliarden Dollar damit verdient.

Ein Geldproblem haben die großen Banken derzeit tatsächlich – die europäische Bankenaufsicht EBA hat sie nach einem Stresstest dazu verpflichtet, ihr Kapitalpolster um 106 Milliarden Euro zu erhöhen. Dieses Geld müssen sie bis zum Sommer aufbringen. Die deutschen Institute kommen auf einen Fehlbetrag von 13,1 Milliarden Euro. Die Commerzbank muss dabei mit fünf Milliarden Euro die schwersten Lasten schultern.

Doch das ist ein schwieriges Unterfangen: Es finden sich kaum Anleger, die bereit sind, den Banken frisches Geld zu geben. Zugleich läuft die Wirtschaft schlecht, und die Institute müssen Wertberichtigungen bei Staatsanleihen verkraften. Um ihre Kapitalbasis zu verbessern, schränkten die Institute bereits ihr Geschäft ein, fürchtet Hüther. Für die Gesamtwirtschaft könne dies in eine schwierige Gemengelage führen: Womöglich gerate der Kontinent in eine Spirale aus Banken-Entschuldung, Kreditklemme und Konjunkturschwäche – in der Folge stiegen die Kreditkosten für die Staaten wieder, und die Banken müssten erneut Anleihen abschreiben. Die Krise würde Endlos-Schleifen drehen.

Dass die Branche ein Problem hat, zeigen die Übernacht-Einlagen der Institute bei der Europäischen Zentralbank. Von Montag auf Dienstag parkten sie dort 501,9 Milliarden Euro, so viel wie noch nie. In normalen Zeiten liegen diese Einlagen bei einem Bruchteil davon, überschüssiges Geld leihen die Häuser einander. Die Politik der Banken zeigt, dass es ein großes Misstrauen gibt – sie fürchten offenbar, dass ihre Geschäftspartner das Geld nicht zurückzahlen können, sollte sich die Schuldenkrise abrupt verschärfen.

Eine Zwangs-Teilverstaatlichung könnte laut Hüther die Probleme lösen. Konkret plädiert er dafür, dass die Europäer mit Geld aus dem Rettungsfonds EFSF 60 oder 70 Prozent der Kapitallücke bei den großen Banken stopfen – den Rest sollen Private beisteuern. Der EFSF müsste dann also bis zu 74 Milliarden Euro in die Banken stecken. Dann würden aber auch wieder Kredite gewährt, auch das Risiko von Staatspleiten sänke, sagt Hüther. „Es dürfte drei Jahre dauern, bis das Geld zurückfließt.“

Sein Vorstoß ist beachtlich, weil Hüther bislang sehr liberale Thesen vertreten hat und dafür steht, dass sich der Staat aus dem Wirtschaftsleben zurückhält. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag reagierte mit Zurückhaltung. In Deutschland werde es zwar 2012 keine Kreditklemme geben, in den kleineren Ländern sei sie aber in „Nuancen“ vorhanden, sagte Chefvolkswirt Alexander Schumann. „Es passt aber eher in unsere Wirtschaftskultur, wenn eine Banken-Stützung auf Freiwilligkeit beruht“, befand er. Vor einer Kreditklemme hierzulande hatte kürzlich Industriepräsident Hans-Peter Keitel gewarnt. Er sieht vor allem den Mittelstand in Gefahr.

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