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Wirtschaft: Wenn der Aufschwung einfriert

Der harte Winter lässt die Wirtschaft stocken – Fischer, Bauern und Bauarbeiter können nichts tun.

Berlin - Die Kutter liegen im Hafen, die Ostseehäfen sind zugefroren. Kein Fischer fährt hinaus, um Hering oder Dorsch zu fangen. „Für die Fischer bedeutet das Einkommensverluste und höhere Kosten, denn sie müssen dafür sorgen, dass ihre Schiffe vom Eis nicht beschädigt werden“, sagt Peter Breckling, Generalsekretär des Deutschen Fischerei-Verbandes. Von Katastrophenstimmung wegen der klirrenden Kälte kann Brecking aber nicht berichten. „Die Fischer sind darauf eingestellt.“

Fischer, Dachdecker, Bauern – fast alle, die draußen arbeiten, leiden unter dem strengen Winter. Im Januar ist die Arbeitslosigkeit bereits deutlich gestiegen, bald dürfte die Lage noch schlechter werden. Womöglich versetzt der strenge Winter der Hoffnung auf einen raschen Aufschwung sogar einen Dämpfer.

Das befürchtet zumindest der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). „Der Wirtschaft gehen durch den harten Winter etwa zwei Milliarden Euro verloren“, hat Chefökonom Volker Treier ausgerechnet. Das bedeute, dass das Wachstum im laufenden Quartal um 0,4 Prozentpunkten geringer ausfallen wird. „Das ist eine Menge, gemessen an normalen Wintern und geht vor allem auf die Probleme in der Bauwirtschaft zurück“, sagte der Ökonom dieser Zeitung. „Die Witterung hat das Zeug dazu, den Jahresauftakt einzutrüben.“ Zumal Öl wegen der Kälte teurer sei als üblich, das drücke die Kaufkraft der Verbraucher.

Treier nimmt zwar an, dass vieles nachgeholt wird, sobald die Temperaturen steigen. Womöglich reichten aber die Kapazitäten der Bauwirtschaft nicht aus, um alles nachzuarbeiten. „Dann gibt es Engpässe.“ Müsse der Auftrag gar auf 2011 verschoben werden oder falle mangels staatlichem Geld ganz weg, brächten sie 2010 gar kein Wachstum. „Auf das Jahr hochgerechnet würde die Wachstumsrate dann um 0,1 Prozentpunkte geringer ausfallen“, nimmt der DIHK-Experte an.

Vor allem die Bauindustrie hat Probleme. Bei Minusgraden wird kein Beton gegossen, keine Straße asphaltiert, kein Dach gedeckt. Nach Angaben des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie meldeten im Januar 56 Prozent der Unternehmen eine Behinderung der Bautätigkeit durch die Witterung. Das ist der höchste Wert seit 1997. Dabei ist das ostdeutsche Bauhauptgewerbe etwas stärker betroffen als das westdeutsche.

Weil die Firmen nichts zu tun haben, verlieren jedes Jahr viele Bauarbeiter im Winter ihren Job. Die Zahl der Arbeitslosen in den Bau-Berufen ist von 114 000 im Dezember auf 159 000 im Januar gestiegen. Doch im Vergleich zum Januar 2009 ist die Arbeitslosenzahl um 4,4 Prozent gesunken. Heiko Stiepelmann, Chef der volkswirtschaftlichen Abteilung beim Bauindustrieverband erklärt das so: „Die Firmen versuchen, ihre Leute durch den Konjunkturzyklus zu schleusen.“ Die Facharbeiter werden gebraucht, wenn die Bautätigkeit wieder anspringt. Helfen sollen dabei die Konjunkturprogramme des Bundes. Dagegen sind bereits 2009 die Bauaufträge aus der Wirtschaft eingebrochen. „2010 erwarten wir ein Umsatzminus von lediglich 1,5 Prozent, weil ein großer Teil der Maßnahmen aus dem Konjunkturprogramm nun wirksam wird“, sagt Stiepelmann.

Vor allem bei den Dachdeckern ruhen die Baustellen, sobald es winterlich wird. „Dann sind Arbeiten auf dem Dach für die Mitarbeiter nicht mehr zumutbar“, erklärt Felix Fink vom Dachdeckerverband ZVDH. Traditionell bricht in der Branche die Zahl der gewerblichen Beschäftigten in den Monaten November und Dezember um zehn Prozent ein. „Bevor das Saison-Kurzarbeitergeld bei uns 2006 eingeführt wurde, lagen die Zahlen sogar bei 15 bis 20 Prozent“, sagt Fink. In der Baubranche dämpft das von der Bundesagentur für Arbeit und den Betrieben getragene spezielle Kurzarbeitergeld den saisonal bedingten Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Die Firmen gehen davon aus, dass sie die nun ausgefallenen Aufträge später nacharbeiten können. Aber: „Wenn wirklich drei Monate ausfallen, wird es eng“, sagt Stiepelmann. Denn auch in der Ausfallzeit entstehen Kosten, und im Sommer kann es zu Kapazitätsproblemen kommen, wenn sich die gesamte Bautätigkeit auf nur wenige Monate konzentriert.

Doch noch sehen die Baufirmen gelassen auf den Wetterbericht. Das gelte auch für die Landwirte, sagt Michael Lohse vom Bauernverband. Solange der Schnee auf den Feldern liege, halte er die Erde warm. Kritisch werde es erst, wenn eisiger Wind über die offenen Acker fege. „Bis Mitte März kann es frieren“, sagt Lohse. „Aber dann wäre es gut, wenn Schnee und Frost ein Ende hätten.“ 

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