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Parteifreunde und Rivalen in der Region: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (links) und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD) auf der Glienicker Brücke (im März 2015).

© Bernd Settnik/dpa

Wirtschaftsförderung in Berlin und Brandenburg: Warum Woidke eine Fusion von ZAB und Berlin Partnern anregt

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bringt eine Fusion der Standortförderagenturen von Berlin und Brandenburg ins Spiel. Das Thema hat eine Vorgeschichte.

Woidke ist in den Urlaub entschwunden, an die Ostsee. Kurz vor der Abfahrt hatte er ein vor Jahren in einer Schublade verschwundenes Projekt wieder hervorgeholt: die Fusion der Wirtschaftsförderung von Berlin und Brandenburg, von „Berlin Parnter“ und Zukunftsagentur Brandenburg (ZAB). „Wir als Brandenburger stehen bereit, dieses Thema neu anzugehen, weil ich wirklich glaube, dass diese Region gemeinsam stark ist, dass die Vorteile, die Berlin hat, und die Vorteile, die Brandenburg hat, zusammen genommen eine der stärksten Regionen in Europa ausmachen“, sagte Woidke dem RBB. Dies werde auch von der Wirtschaft immer wieder gewünscht. Dieser Vorstoß provozierte am Montag sehr unterschiedliche Reaktionen.

Zustimmung erntete er speziell bei Institutionen, die beide Bundesländer seit jeher als Einheit denken oder sich der Förderung der Hauptstadtregion besonders verpflichtet fühlen. „Dietmar Woidke hat Recht: Berlin und Brandenburg bilden eine gemeinsame Wirtschaftsregion. Die muss auch gemeinsam vermarktet werden“, sagte zum Beispiel Alexander Schirp, Geschäftsführer der Vereinigung der Unternehmerverbände in Berlin und Brandenburg (UVB). Für Schirp wäre das auch ein klares Signal, dass beide Länder wieder enger zusammenrücken und intensiver kooperieren. Ein gemeinsamer, einheitlicher Auftritt könne auch zeigen, wie stark sich die Hauptstadtregion entwickelt hat. „Den Vergleich zu anderen Metropolregionen brauchen Berlin und Brandenburg nicht zu scheuen – die Perspektiven sind exzellent“, sagt Schirp.

Brandenburg: Nicht überall sieht das Bundesland so ländlich aus wie hier in Petersdorf im Landkreis Oder-Spree. Die größten Industrieunternehmen sitzen allerdings fast alle im Umland von Berlin. Die habe man eh im Blick, argumentiert man in der Hauptstadt.
Brandenburg: Nicht überall sieht das Bundesland so ländlich aus wie hier in Petersdorf im Landkreis Oder-Spree. Die größten Industrieunternehmen sitzen allerdings fast alle im Umland von Berlin. Die habe man eh im Blick, argumentiert man in der Hauptstadt.

© Patrick Pleul/dpa

Zustimmung kam auch vom Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI): „Das Wachstum Berlins macht nicht an der Landesgrenze halt“, argumentierte dessen Präsident Markus Voigt. „Deshalb ist es überfällig, über eine stärkere Zusammenarbeit beider Länder zu sprechen – übrigens nicht nur bei der Wirtschaftspolitik.“ Damit Brandenburg vom Berliner Wachstum profitiere und umgekehrt seinen Beitrag zu einer smarten Wachstumsstrategie für die Metropole leisten könne, sei mehr als eine gemeinsame Wirtschaftsförderung nötig. „Dazu gehört beispielsweise auch eine gemeinsame Wohnungs- und Ansiedlungspolitik am Stadtrand; dazu gehört die Verzahnung der Hochschulplanung, um die Arbeitsteilung und die Profilbildung der Hochschulen besser aufeinander abzustimmen; dazu gehört eine gemeinsame Strategie für die Energiewende und noch einiges mehr. Eine gemeinsame Wirtschaftsförderung wäre hoffentlich nur der erste Schritt in Richtung Länderfusion reloaded.“

Aus Berlin der Verdacht: "Rosinenpickerei"

In der Berliner Politik vernimmt man überwiegend Skepsis. Wirtschafts-Staatssekretär Henner Bunde (CDU) sagte, er halte „die Zusammenarbeit der beiden Länder und der Wirtschaftsförderer BPWT und ZAB für so gut, dass es keiner gemeinsamen Gesellschaft bedarf“. Beide Länder würden als gemeinsamer Wirtschaftsraum wahrgenommen werden. Aber: „Berlin hat nun einmal die größere Anziehungskraft. Deshalb ist es auch weiterhin sinnvoll, getrennt um Investoren und Bestandsunternehmen zu werben, denn Wettbewerb ist auch hier gut fürs Geschäft“, sagte Bunde.

Ähnliches hörte man aus Berlins Senatskanzlei. Und auch der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Frank Jahnke, an: Man könne das Angebot von Woidke als „gutes Signal“ betrachten. Er sei jedoch argwöhnisch, dass sich Brandenburg „die Rosinen herauspicken will“. Jahnke betont wie der CDU-Wirtschaftspolitiker und parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Heiko Melzer, die Erfolge der grenzübergreifender Förderpolitik für Branchen, der sogenannten Cluster. Eine neue Strukturdebatte sei deshalb nicht notwendig, betonte Melzer.

Die Grünen-Wirtschaftspolitikerin Nicole Ludwig würdigte ebenfalls die Arbeit für die Cluster. „Aber ohne Länderfusion macht eine gemeinsame Wirtschaftsfördergesellschaft wenig Sinn“, erklärte sie. Und die sei eben nicht in Sicht. Jutta Matuschek, Wirtschaftspolitikerin der Linken, forderte eine Evaluation der gemeinsamen Innovationsstrategie bevor man eine gemeinsame Wirtschaftsfördergesellschaft aufbauen sollte.

Wowereit erfand und beerdigte die Idee

Woidkes Idee ist nicht neu. Über Jahre war sie eines der Lieblingsprojekte der Wirtschaftspolitiker in beiden Ländern. Die Fusion der Fördergesellschaften sollte ein Bekenntnis für die gemeinsame Wirtschaftsregion sein und zugleich ein starkes Bekenntnis zu einer Länderfusion. Doch der Idee vom einheitlichen Wirtschaftsförderer beiderseits der Landesgrenze wurde 2007 vom damaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), kurzerhand beerdigt – nachdem er mehrfach umsonst in Potsdam darum geworben hatte, auch wegen Brandenburgs höherer Förderquoten. Schließlich hatte Wowereit den Brandenburgern Rosinenpickerei vorgeworfen und wollte plötzlich in der Ansiedlungspolitik vermeiden, dass ihm „die Brandenburger da reinfummeln“. Es lag wohl auch daran, dass Brandenburg bei der Länderfusion resolut alle Signale auf Rot gesetzt und sie nicht mal mehr für gewollt erklärt hatte.

Die Berlins Industrie- und Handelskammer (IHK) setzte damals, 2009, einen drauf und forderte: „Keine faulen Kompromisse mit Brandenburg mehr eingehen.“ Und jetzt? Man bewerte den Vorschlag grundsätzlich positiv, sagte IHK-Sprecher Alexander Dennebaum.

Es sei richtig, dass die länderübergreifende Zusammenarbeit intensiviert werden müsse. „Berlin und das Berliner Umland sind heute schon eine fast integrierte Wirtschaftsregion, deshalb wäre auch hier eine gemeinsame Wirtschaftsförderung für den Ballungsraum beziehungsweise die Metropolregion sinnvoll. „Für Berlin und Brandenburg insgesamt muss man aber die unterschiedliche Wirtschaftsstruktur und die damit unterschiedlichen Anforderungen an die Wirtschaftsförderung bedenken“, sagte der Kammer-Sprecher.

Was denkt man bei den Agenturen selbst?

Bei den Fördergesellschaften betonte man vor allem, wie gut die Zusammenarbeit bereits sei: ZAB-Sprecher Alexander Gallrein verwies auf die gemeinsame Innovationsstrategie, mit der die Hauptstadtregion bereits seit 2011 als Standort gemeinsam vermarktet werde – konkret in den Clustern Energietechnick, Gesundheitswirtschaft, IT, Medien und Kreativwirtschaft, Optik, Verkehr, Mobilität und Logistik. Hinzu kommt das gemeinsame Ansiedlungsbüro in Schönefeld, um Unternehmen in das Umfeld des Hauptstadtflughafens BER zu locken. Dort bauten beide Länder zudem mit dem „Expo Center“ ein Messezentrum auf. Auch auf internationalen Messen treten Berlin Partner und ZAB gemeinsam auf mit einem Stand für die eine Hauptstadtregion. „Wenn wir ins Ausland fahren nehmen wir Berlin mit und umgekehrt auch“, sagte Gallrein. „Wir verstehen uns als gemeinsame Wirtschaftsregion und vermarkten uns gemeinsam.“

Und Stefan Franzke, Sprecher der Geschäftsführung von Berlin Partner, ließ ausrichten: „Wir arbeiten mit der Zukunftsagentur Brandenburg sehr eng und partnerschaftlich zusammen. In fünf Clustern treiben wir länderübergreifend Innovationsprojekte erfolgreich voran und treten national und international als Hauptstadtregion auf“.

Blick aus dem 33. Stock des Hochhauses "Upper West" auf das Bikini, die Gedächtniskirche und Kurfürstendamm (von links nach rechts). Berlin wird wegen seiner wachsenden Wirtschaft auch in Potsdam nicht nur als Subventionsgrab wahrgenommen, sondern als wirtschaftliches Zentrum der Region.
Blick aus dem 33. Stock des Hochhauses "Upper West" auf das Bikini, die Gedächtniskirche und Kurfürstendamm (von links nach rechts). Berlin wird wegen seiner wachsenden Wirtschaft auch in Potsdam nicht nur als Subventionsgrab wahrgenommen, sondern als wirtschaftliches Zentrum der Region.

© Jörg Carstensen/dpa

Spekulationen über Woidkes Motiv

Wozu also Woidkes Vorstoß? Aktiv und akut diskutiert wurde es bisher jedenfalls nicht, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium. Und auch bei den Kammern in Brandenburg hat sich die Stimmung gedreht. In den wiederkehrenden Umfragen der Industrie- und Handelskammern in Berlin und Brandenburg war die Fusion lange Jahre eine zentrale Forderung aus der Wirtschaft.

Oder wie es Mario Tobias, Hauptgeschäftsführer der IHK Potsdam, zum jüngste Konjunkturreport der Kammer Berlin, Potsdam, Cottbus und Ostbrandenburg sagte. Brandenburg und Berlin würde zwar „behutsam enger“ zusammenrücken. Immerhin 44 Prozent der befragten Unternehmen waren wirtschaftlichen Beziehungen zum Nachbarn wichtig, zwei Prozentpunkte mehr als 2015. „Trotzdem steigt die Zustimmung für eine Länderehe nicht analog“, sagte Tobias. „Die Brandenburger fürchten um ihre Identität, scheinen sich scheibchenweise von der Länderfusion zu verabschieden“ Tatsächlich sank in Brandenburg der Anteil der Fusionsbefürworter auf einen Tiefstand von 40 Prozent. In Berlin fordern dagegen drei Fünftel der Unternehmen eine Länderfusion.

Möglichweise, so wird in Potsdam spekuliert, wollte Woidke mit seinem Vorstoß zu den Wirtschaftsförderer auch einfach nur Wahlkampfhilfe für den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) leisten. Dass sich aber tatsächlich etwas bewegt, zwei Monate vor der Abgeordnetenhauswahl, glaubt in Brandenburg niemand.

Im Koalitionsvertrag von Woidkes rot-rotem Regierungsbündnis steht übrigens dazu: „Wir wollen die Zusammenarbeit der Wirtschaftsförderung von Berlin und Brandenburg weiter verbessern, um die gemeinsame Hauptstadtregion zu einer europäischen Innovationsregion zu entwickeln. Dazu streben wir eine Kooperationsvereinbarung der beiden Wirtschaftsfördergesellschaften an.“

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