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Wirtschaftskrise: An der Verhütung gespart

Die Verbraucher sparen bei der Verhütung – Bayer Schering fährt die Produktion von "Yasmin" zurück

Berlin - Wer an die „Pille“ denkt, kommt an Schering nicht vorbei. Das Berliner Pharmaunternehmen, das seit 2006 zu Bayer gehört, ist nach eigenen Angaben Weltmarktführer bei hormonellen Verhütungsmitteln. Antibabypillen wie Yaz, Yasmin oder Yasminelle sind die umsatzstärksten Produkte im Konzern. Doch jetzt deutet sich eine Wende an: Nach einer Rekordproduktion im vergangenen Jahr stellt sich der Konzern offenbar auf eine sinkende Nachfrage nach seinen Hormonpräparaten ein. Und auch von anderer Seite drohen massive Probleme.

Nach Informationen des Tagesspiegels am Sonntag aus unternehmensnahen Kreisen hat Bayer Schering nach sinkenden Absatzzahlen seine Erwartungen für dieses Jahr schon mehrfach nach unten korrigiert und auch die Produktion heruntergefahren. Statt wie bisher im Fünf- Schicht-Betrieb würden die Verhütungspillen im Berliner Stammwerk nur noch in drei Schichten produziert, hieß es. Anders als im vergangenen Jahr werde nun an den Wochenenden nicht mehr produziert. Das solle einen mehrwöchigen Leerlauf in den letzten Wochen des Jahres verhindern.

Den Informationen zufolge will der Konzern in diesem Jahr jetzt nicht mehr wie noch zu Beginn des Jahres vorgesehen 240 Millionen Verpackungseinheiten in Berlin produzieren (wie 2008), sondern nur noch 180 Millionen, also ein Viertel weniger. Noch im vergangenen Jahr war das Unternehmen mit der Produktion seiner Yaz-Pille kaum hinterhergekommen, weil die Nachfrage vor allem in den USA überraschend hoch war. Damals schoben die Mitarbeiter im Berliner Werk noch Sonderschichten.

Unternehmenssprecher Oliver Renner bestätigte auf Anfrage, dass in Berlin derzeit im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet wird. Es sei normal, dass es gelegentliche Spitzen gebe. Dass die Nachfrage gesunken sei, könne er aber ebenso wenig bestätigen wie die Planungszahlen, sagte Renner. „Der Umsatz mit unserer Yaz-Produktfamilie wächst wie geplant weiter.“ Aktuelle Zahlen werde Bayer mit dem Quartalsbericht Ende Juli vorlegen.

Dagegen halten Analysten es für plausibel, dass die Nachfrage rückläufig ist. Wegen der Wirtschaftskrise herrsche große Unsicherheit, sagte Ulrich Huwald, Pharmaanalyst von M. M. Warburg in Hamburg, dieser Zeitung. Bayer habe bisher immer konservativ geplant. Es könne sein, dass der Konzern sich mit einer geringeren Pillenproduktion darauf einstelle, dass Verbraucher künftig verstärkt zu billigeren Nachahmerprodukten griffen statt zu teuren Markenpräparaten, die Bayer produziert.

Auch Bayer-Schering-Chef Andreas Fibig hatte kürzlich im Tagesspiegel-Interview eingeräumt, dass der Preisdruck in der Pharmabranche zunehme. „Das bekommen auch wir zu spüren“, sagte er. 2008 hatte Bayer mit Verhütungsmitteln 1,2 Milliarden Euro umgesetzt.

Probleme mit den Pillen drohen auch von anderer Seite. Seit 2000 hat es in Deutschland sieben Todesfälle in Zusammenhang mit der Einnahme des Bayer-Präparats Yasmin gegeben, wie das Bundesinstitut für Arzneimittel bestätigt hat. Zudem hatte das Schweizer TV-Magazin „10 vor 10“ über den Fall einer 16-Jährigen berichtet, die nach Einnahme der Pille eine schwere Lungenembolie erlitten hatte. Sie ist seitdem schwerstbehindert. Die Schweizer Aufsichtsbehörde hat eine Überprüfung aller zugelassenen Antibabypillen angekündigt. Bayer betonte dagegen auf Anfrage, dass Ergebnisse aus zwei internationalen Studien die „hohe Sicherheit von Yasmin“ bestätigten. Zudem sei bekannt, dass bei allen Verhütungspillen das Thromboserisiko steige. Das pharmakritische „Arznei-Telegramm“ hält die Studien dagegen für methodisch fragwürdig. Die Publikation hatte bereits 2007 vor Pillen mit dem Wirkstoff Drospirenon gewarnt, den auch Yasmin enthält. Das Thromboserisiko könne um bis zu 80 Prozent höher sein als bei Pillen mit dem verwandten Stoff Levonorgestrel.

Bayer Schering sieht sich nach den Vorfällen nun offenbar mit Klagen in Zusammenhang mit Yasmin konfrontiert. Unternehmenssprecher Renner wollte dies zwar nicht direkt kommentieren, sagte aber: „In den gegen uns geltend gemachten Ansprüchen gibt es keine Kausalität zwischen der Einnahme unseres Produkts und Thrombosen.“ Betroffenen Frauen riet er, ihren Arzt zu konsultieren.

Maren Peters

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