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Wirtschaftskrise: Arbeitslosigkeit sprengt die Etats

Der Bund befürchtet Zusatzkosten von 100 Millarden bis 2013. Die Kommunen geraten in die Klemme – und fordern bereits Hilfe.

Berlin - Konjunkturkrise und steigende Arbeitslosigkeit werden die öffentlichen Kassen noch heftiger belasten als bisher bekannt. Allein für den Bundeshaushalt erwartet die Regierung in den Jahren 2009 bis 2013 nach neuester Planung zusätzliche Arbeitsmarkt-Ausgaben von fast 100 Milliarden Euro. Bereits im kommenden Jahr wird der Bundesfinanzminister 30 Milliarden Euro mehr für die Kosten der Arbeitslosigkeit aufbringen müssen als vor dem Einbruch der Weltwirtschaft kalkuliert. Das ergibt sich aus einem dem „Handelsblatt“ vorliegenden Zahlentableau der Regierung, das der neuen mittelfristigen Finanzplanung zugrunde liegt.

Neben dem enorm steigenden Finanzbedarf der Bundesagentur für Arbeit (BA) schlagen dabei Mehrausgaben für das steuerfinanzierte Hartz-IV-System noch einmal in ähnlicher Größenordnung zu Buche: Die Arbeitslosenversicherung benötigt nach den neuen Planzahlen bis 2013 insgesamt gut 52 Milliarden Euro zusätzlich aus dem Bundeshaushalt, um ihre Defizite zu decken. Zugleich verschlingt aber auch das Hartz-IV-System zusätzliche Bundesausgaben von 46 Milliarden Euro. Weitere Zusatzlasten in zweistelliger Milliardenhöhe treffen die Kommunen.

Hinter den düsteren Daten steht der erwartete kräftige Anstieg der Arbeitslosigkeit speziell im kommenden Jahr. Für das laufende Jahr erwartet die Regierung einen Anstieg um rund 450 000 auf jahresdurchschnittlich 3,7 Millionen Arbeitslose, für 2010 dann einen weiteren Anstieg um bis zu 900 000 auf 4,6 Millionen.

Während die Zunahme der Arbeitslosigkeit im laufenden Jahr besonders den Bereich der Arbeitslosenversicherung trifft, werden sich die Mehrbelastungen künftig zunehmend stärker auf das Hartz-IV-System verlagern. Die Bundesagentur für Arbeit erwartet, dass im Jahr 2010 allein dort 450 000 Arbeitslose mehr Ansprüche geltend machen. Umso höher wird das Ausgangsniveau für die Ausgabenentwicklung in den Folgejahren sein.

Welche Sprengkraft die Kosten der Arbeitslosigkeit haben, zeigt sich auch an der Gesamtentwicklung des Bundeshaushalts. Gegenüber der alten Planung kalkuliert die Regierung nun mit insgesamt 295 Milliarden Euro zusätzlicher Neuverschuldung bis 2013. Davon entfallen 185 Milliarden Euro auf geringere Steuereinnahmen; die übrige Lücke von 110 Milliarden Euro auf der Ausgabenseite geht zu fast 90 Prozent auf die Mehrkosten der Arbeitslosigkeit zurück. Nicht in der Rechnung enthalten sind Zusatzlasten durch Bankenrettung und Konjunkturhilfen wie die Abwrackprämie, die der Bund außerhalb des laufenden Etats in einem Sonderfonds verbucht.

„Jetzt ist eine effektive Arbeitsmarktpolitik noch wichtiger als bisher“, sagte CDU/CSU-Haushaltexperte Steffen Kampeter dem „Handelsblatt“. Die Arbeitsverwaltung müsse sich auf „marktgerechte Qualifizierung und Vermittlung“ konzentrieren. Hartz IV müsse „endlich zum Sprungbrett werden, nicht zum Abstellgleis“.

Speziell der finanzielle Zündstoff im Hartz-IV-System hat bisher in der Debatte über Etatbelastungen nur am Rande eine Rolle gespielt. Hauptproblem hier: das Arbeitslosengeld II. Nach den Annahmen, die noch der ursprünglichen Planung für 2009 zugrunde lagen, sollten die Ausgaben dafür von 20,3 Milliarden Euro pro Jahr schrittweise auf 18 Milliarden Euro sinken. Nun erwartet die Regierung dagegen einen Anstieg auf über 26 Milliarden Euro ab 2010. Zusatzlasten von weiteren zehn Milliarden Euro bis 2013 stehen dem Bund bei der Wohnkostenhilfe für Hartz-IV-Bezieher ins Haus.

Doch das ist nicht alles. Weil die Wohnkostenhilfe zum Hauptteil von den Kommunen bezahlt wird, baut sich neben den knapp 100 Milliarden Euro beim Bund parallel dazu eine hohe Mehrbelastung in den Kommunalhaushalten auf. Rechnet man die Entwicklung mit den Planzahlen des Bundes hoch, müssen die Kommunen bis 2013 insgesamt zwischen zwölf und 18 Milliarden Euro mehr für Wohnkosten ausgeben als zuvor erwartet.

Ein besonderes Ärgernis für die Kommunen, das in nächster Zeit noch für heftige Konflikte sorgen dürfte: Der exakte Wohnkostenanteil des Bundes wird jährlich nach der Zahl der Hartz-IV-Bezieher in den beiden Vorjahren ermittelt. Damit aber würden die Kommunen 2010 gleich doppelt belastet. Da der Arbeitsmarkt bis zum Jahreswechsel 2008/09 noch sehr gut lief, käme der Bund ausgerechnet im härtesten Jahr des Planungszeitraums mit einem besonders niedrigen Eigenanteil an den steigenden Wohnkosten davon.

„Das ist das groteske Ergebnis einer unzulänglichen Anpassungsformel“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Stephan Articus, dem „Handelsblatt“. Der Bund dürfe sich nicht aus der Pflicht stehlen. „Wir fordern deshalb: Wenn die Ausgaben für die Unterkunftskosten steigen, muss der Bund seinen Anteil daran erhöhen.“

Für dieses Jahr schätzt der Städtetag die Wohnkosten auf insgesamt 14 Milliarden Euro, von denen formelgemäß 26 Prozent vom Bund zu zahlen sind. Für 2010 sei ein Anstieg auf 16 Milliarden Euro zu erwarten, von denen der Bund aber laut Anpassungsformel maximal noch 25 Prozent übernehmen müsste. Eine solche zusätzliche und überproportionale Belastung sei für die Kommunen nicht akzeptabel, warnte Articus. HB

Dietrich Creutzburg

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