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Wirtschaftskrise: Ausnahmezustand in der EU

Die meisten EU-Staaten werden den Stabilitätspakt 2010 verletzen. Steinbrück: Wir müssen schon jetzt über eine Exit-Strategie nachdenken.

Brüssel - Die durch großzügige Konjunkturpakete dramatisch wachsenden Staatsschulden bereiten den EU-Finanzministern zunehmend Sorge. Der Finanzministerrat beriet am Dienstag bei seiner ersten Sitzung unter tschechischem Vorsitz über einen geregelten Abbau der Schulden in der Zeit nach der Finanz- und Wirtschaftskrise. „Niemand kommt derzeit an einer antizyklischen Haushaltspolitik vorbei“, sagte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). „Wir müssen aber schon jetzt über eine Exit-Strategie nachdenken. Wie kommen wir von den Schulden wieder runter?“

Die Wirtschaftsexperten der EU-Kommission rechnen damit, dass im nächsten Jahr 16 der 27 EU-Staaten mit explosionsartig anwachsenden Staatsschulden die Obergrenze des EU-Wachstums- und Stabilitätspakts überschreiten werden. Der Pakt erlaubt eine Neuverschuldung bis zu drei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandprodukts (BIP).

Während Deutschland in diesem Jahr vermutlich mit einer Neuverschuldung von 2,9 Prozent des BIP noch knapp im Rahmen des Erlaubten liegt, wird das öffentliche Defizit im kommenden Jahr mit 4,2 Prozent die Paktvorgaben reißen. Andere Mitgliedstaaten werden sich noch stärker neu verschulden. In Irland gerät das Staatsdefizit mit 13,0 Prozent des BIP in geradezu schwindelerregende Höhen. Kaum besser dürfte die Lage in Großbritannien sein, das 2010 mit 9,6 Prozent rechnen muss.

Schon in diesem Jahr wird in einigen Euro-Staaten die Neuverschuldung deutlich über den Maastricht-Vorgaben liegen: In Spanien 6,2 Prozent des BIP, in Frankreich 5,4 Prozent. EU-Wirtschaftskommissar Joaquin Almunia kündigte an, gegen sechs bis acht Länder Defizit-Strafverfahren einzuleiten.

Der Stabilitätspakt sei dennoch „nicht Makulatur“, sagte Finanzminister Steinbrück in Brüssel. Alle Finanzminister seien sich einig, dass auch in der Finanzkrise die „Glaubwürdigkeit des Paktes nicht torpediert werden“ dürfe. Unter der Leitung der EU-Kommission sollen die EU-Finanzminister in den nächsten Monaten „eine Art Fahrplan zur Rückführung der Defizite“ aufstellen. In Deutschland werde das Bundeskabinett in der nächsten Woche die Modalitäten eines „Tilgungsfonds“ festlegen“, kündigte Steinbrück an. Vertrauensbildung durch Schuldenabbau sei auch deshalb wichtig, weil einige der hoch verschuldeten EU-Mitgliedstaaten inzwischen bei ihren Staatsanleihen auf dem Kapitalmarkt so hohe Risikoaufschläge hinnehmen müssen. Thomas Gack

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