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Wirtschaftskrise: Die Schande der Banker

Noch haben die G-20-Staaten die Lehren der Krise nicht in verbindliche Regeln umgesetzt. Besonders umstritten ist, wie viel Eigenkapital die Finanzinstitute vorhalten müssen.

Berlin - Peer Steinbrück verbreitete Zuversicht. Die Regierungen der G-20- Gruppe zögen in Sachen Regulierung und Überwachung der Finanzmärkte „doch sehr an einem Strang “, sagte der Bundesfinanzminister am Samstag vergangener Woche nach dem jüngsten Treffen mit seinen Kollegen aus den 20 wirtschaftlich führenden Industrie- und Schwellenländern. Das Signal, versicherte Steinbrück, sei klar: Es werde „keine Rückkehr zum Business as usual“ wie vor der Krise geben.

Das klingt gut, doch die Zusicherung des SPD-Politikers ist bisher nicht gedeckt. Denn auch ein Jahr nach der weltweiten Schockwelle infolge der Pleite der New Yorker Investmentbank Lehman Brothers gibt es für die zentralen Elemente der vielfach versprochenen Reform des globalen Finanzsystems keine verbindlichen Vereinbarungen.

So sind sich die G-20-Regierungen schon seit dem ersten Krisengipfel in Washington darüber einig, dass künftig Unternehmen für alle Arten von Finanzgeschäften mehr Eigenkapital vorhalten sollen, um für Krisenzeiten besser gerüstet zu sein. Nach Ausbruch der Krise hatte sich gezeigt, dass viele Geldhäuser ihre Gewinne dadurch in die Höhe getrieben hatten, dass sie ihren Kapitaleinsatz mittels hoher Kredite vervielfachten. Zugleich hatten sie mit allerlei Bilanztricks und Gesellschaften in Steueroasen die weltweit geltenden Vorschriften für die Mindestausstattung mit eigenem (Aktien-)Kapital unterlaufen.

Die Deutsche Bank zum Beispiel betreibt bis heute ihre Geschäfte mit 50 Mal mehr geliehenem Geld, als sie an Eigenkapital ausweisen kann. Nur so erreicht die Bank ihre umstrittene hohe Eigenkapitalrendite, vorausgesetzt die Zinskosten für das geliehene Geld sind geringer als die Gewinne aus den damit finanzierten Anlagen. Dumm nur, dass dieser sogenannte Kredithebel in beide Richtungen wirkt. Genauso, wie er die möglichen Gewinne vervielfacht, multipliziert er auch die Verluste. Darum verloren viele Banken im Gefolge der US-Hypothekenkrise binnen weniger Monate fast ihr gesamtes Eigenkapital und konnten nur noch mit Staatshilfen überleben – oder wie es Deutsche-Bank- Chef Josef Ackermann ausdrückte: „Wir haben uns fast nackt ausgezogen, und dann hatten wir keine Reserven.“

Doch so einig sich alle Beteiligten bei der Diagnose dieser Schwäche sind, so umstritten sind die nötigen Gegenmaßnahmen. Dabei forderte jüngst US-Finanzminister Timothy Geithner sogar eine pauschale Begrenzung des Kredithebels („leverage ratio“). Anders als bisher würde das benötigte Eigenkapital sich dann nicht mehr nach den – von den Banken selbst berechneten – Risiken richten, sondern es würde eine absolute Obergrenze für das Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital geben. Dagegen laufen jedoch Banklobbyisten auf beiden Seiten des Atlantiks Sturm, weil dies die Gewinnchancen dauerhaft begrenzen würde. Die Entwicklung der Kredithebel sollte allenfalls Anlass für die Aufsichtsbehörden sein, „eine Bank genauer zu untersuchen“, fordert etwa Bernd Brabänder, Geschäftsführer beim Bundesverband deutscher Banken. Keinesfalls solle es eine pauschale Obergrenze geben. Minister Steinbrücks Sprecher mochte zur Frage, ob die Bundesregierung Geithners Vorschlag unterstützt, denn auch lieber gar nichts sagen. Und beim Basler Ausschuss für Bankenregulierung, in dem die Notenbanker der G-20-Staaten die Details der angestrebten Regeln aushandeln sollen, hieß es brav, die Einführung einer Kredithebel- Grenze werde lediglich „erwogen“.

Hinzu kommt, dass die meisten Banken wegen der Verluste infolge der Rezession derzeit ohnehin kapitalschwach sind. Angesichts der drohenden Kreditklemme sei die Forderung nach mehr Eigenkapital kontraproduktiv, beschwerte sich darum der Zentrale Kreditausschuss, dem alle deutschen Banken und Sparkassen angehören, in einem Brief an Minister Steinbrück.

Ähnliche Warnungen erhob die Finanzbranche auch in anderen G-20-Staaten. Folgsam versprachen die Minister daraufhin, die angestrebten Reformen erst umzusetzen, „wenn die Erholung sicher ist“. Weil das vermutlich nicht in allen Staaten gleichzeitig eintreten wird, droht das gesamte Vorhaben im alten Standortwettbewerb der Staaten hängen zu bleiben.

Das Gleiche gilt auch für das zweite Großprojekt der Finanzmarktreform: Den Umgang mit jenen Giganten des Finanzgewerbes, die im Falle einer Insolvenz so viele andere Kreditgeber mit in den Abgrund reißen würden, dass die Staaten gezwungen sind, sie mit Steuergeldern zu stützen. „Too big to fail“ (Zu groß, um unterzugehen) hieß es lange, jetzt lautet die Sorge „Too big to rescue“ (Zu groß, um gerettet zu werden). Dazu hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel jüngst die kühne Forderung erhoben, keine Bank dürfe mehr „so groß werden, dass sie die Regierung erpressen kann“.

Würde Merkels Forderung umgesetzt, müssten, so wie es auch Großbritanniens Notenbankchef Mervin King forderte, alle Großbanken zerschlagen werden. Dazu wird es aber vermutlich vorerst nicht kommen. Immerhin aber haben sowohl US-Minister Geithner als auch sein britischer Kollege Alistair Darling vorgeschlagen, für die „systemrelevante“ Übergröße einen Preis zu verlangen, nämlich wiederum in Form von Eigenkapital, das mit der Höhe der Bilanzsumme überproportional wachsen soll. Käme es dazu, wäre Größe erstmals ein finanzieller Nachteil im Geldgewerbe – und viele Regierungen würden bekämpfen, was sie gerade erst mit Milliardensummen gefördert haben. Schließlich haben sie im Zuge der Bankenrettung systematisch Fusionen gefördert, die wie im Fall Commerzbank und Dresdner Bank noch größere Konglomerate hervorbrachten.

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