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Wirtschaftskrise: Neue Manager braucht das Land

Kapitalspritzen, Verstaatlichung, Enteignung: Alles wird anders – auch die Anforderungen an Führungskräfte.

Fast eine halbe Billion Euro stellt der Bund für die Rettung der Banken in einem Sonderfonds bereit. Die Summe ist gigantisch, doch das Management der Einrichtung ist gerade mal so groß wie bei einem kleinen Mittelständler: Ein Chef und zwei Stellvertreter, das muss reichen.

Einfach war die Besetzung des dreiköpfigen Lenkungsausschusses trotzdem nicht: Es dauerte keine zwei Monate, da warf Karlheinz Bentele (61), von Haus aus ein Verwaltungsmann der SPD, das Handtuch. Kurz darauf zog sich auch der als Chef bestallte Banker Günther Merl (62) zurück. Inzwischen sind die Vakanzen wieder besetzt, als Chef fungiert Hannes Rehm (66), der zuletzt die Norddeutsche Landesbank führte. Hinzu kam Genossenschaftsbanker Christopher Pleister (60), von Anfang an dabei war Gerhard Stratthaus (66), ehemals CDU-Finanzminister von Baden-Württemberg.

Die Männer sind vom Fach – aber ihr Altersdurchschnitt liegt nur knapp unter dem Rentenalter, und neben ihrer epochalen Aufgabe kümmern sie sich um zahlreiche Posten und Pöstchen. So amtiert Rehm auch als Präsident der Industrie- und Handelskammer Hannover und sitzt im Aufsichtsrat von drei Unternehmen. Stratthaus listet im Abgeordnetenhandbuch des Stuttgarter Landtags außer dem Sonderfonds sechs Posten auf.

Doch das ist nur der Anfang des Problems. Aus dem Fonds sollen bald 18,2 Milliarden Euro als Eigenkapital an die Commerzbank fließen. Der Termin steht zwar noch nicht fest. „Wir prüfen Details der technischen Umsetzung“, sagt Commerzbank-Sprecherin Simone Fuchs. Aber klar ist, dass der Bund zwei Aufsichtsräte benennen wird, sobald er wie geplant ein Viertel der Bank plus eine Aktie übernimmt.

Wer das sein wird, bestimmt die Bundesregierung in solchen Fällen hinter verschlossenen Türen – und das ruft Kritik hervor. „Die Auswahlverfahren sind bisher wenig transparent. Um Filz und Korruption zu verhindern, sollte man das ändern. Wenn der Staat Manager in Aufsichtsräte oder andere Gremien entsendet, sollte das sauber und nachvollziehbar passieren“, sagt Jörg Rocholl, Professor an der European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin.

Nach Tagesspiegel-Informationen will der Bund keine Staatssekretäre in den Commerzbank-Aufsichtsrat entsenden, sondern unabhängige Persönlichkeiten mit unternehmerischem Profil. Der direkte Durchgriff des Staates soll so bewusst vermieden werden. Ausdrücklich will man nicht Geschäftspolitik machen, sondern nur die Staatseinlagen schützen.

Dass der Bund solch hervorgehobene Funktionen extern besetzt, ist ungewöhnlich. Bei der Deutschen Post – dort hält der Staat rund 30 Prozent der Anteile – sitzt Finanzstaatssekretär Werner Gatzer im Aufsichtsrat. Auch beim 100-prozentigen Staatskonzern Deutsche Bahn hat die Bundesregierung drei Staatssekretäre in den Aufsichtsrat entsandt.

Dabei wird in den Berufungsrichtlinien des Bundes für solche Gremien ausdrücklich empfohlen, Außenseiter zu benennen. „Im Interesse des Bundes und des Unternehmens sollen auch sachverständige Personen, die nicht dem öffentlichen Dienst angehören (zum Beispiel Persönlichkeiten aus der Wirtschaft) Mitglieder von Überwachungsorganen sein“, heißt es in dem Papier. Seitenweise listet es öffentlich-rechtliche und private Unternehmen auf, an denen der Bund unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Die größten Brocken sind die Bahn samt ihrer vielen Töchter, Post und Telekom, eine Reihe von Flughäfen und die KfW.

Doch gerade diese drei Buchstaben sind in der Finanzkrise zu einem Synonym für das Versagen von Politikern in der Wirtschaft geworden. Bei der staatlichen Bankengruppe hat die vielfältige Zusammensetzung des Kontrollgremiums wenig geholfen. Der Verwaltungsrat zählt bis heute trotz aller Diskussionen 36 Mitglieder, von denen allein sieben Bundesminister sind. Hinzu kommt ein Sammelsurium von Abgeordneten, Landespolitikern, Gewerkschaftern und Lobbyisten – der Bauernverband ist mit seinem Präsidenten ebenso vertreten wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

Einer ist im Zuge der Kritik an der Struktur der KfW offenbar klüger geworden: Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine hat den Verwaltungsrat vor einem Vierteljahr verlassen und den Weg für Parteifreundin Gesine Lötzsch frei gemacht. Mehr Sachverstand dürfte diese Rochade der KfW allerdings kaum gebracht haben: Die Bundestagsabgeordnete wurde in der DDR als Lehrerin für Deutsch und Englisch ausgebildet, während Lafontaine auch bei seinen Gegnern als Finanzexperte gilt. Immerhin war er einst Bundesfinanzminister.

In Zeiten von Kapitalspritzen, Verstaatlichung und Enteignung wächst der staatliche Einfluss auf die Wirtschaft, warnt der Berliner Professor Rocholl. „Damit hängt der Erfolg von Unternehmen leider stärker davon ab, wie gut ihre politischen Kontakte sind.“ Nicht nur müsse der Staat fachkundige Vertreter für Aufsichtsräte und andere Kontrollgremien finden, sondern die Wirtschaft müsse Führungspositionen anders besetzen als früher. „Es braucht einen neuen Managertypus, der sich auch im politischen Umfeld gut bewegen kann und eine breite Ausbildung mitbringt.“ Moritz Döbler

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