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© Kitty Kleist-Heinrich

Wirtschaftslage: Es läuft nicht rund

Fünf Dax-Konzerne melden massive Einbrüche bei Umsatz und Ergebnis. Eine schnelle Besserung erwarten sie nicht.

Deutschlands Konzerne blicken mit Skepsis in die Zukunft. Bei der Vorlage ihrer Quartalszahlen gaben Schwergewichte der deutschen Industrie wie Siemens, BASF, Volkswagen und MAN sowie auch die größte deutsche Fluggesellschaft Lufthansa am Donnerstag durchweg zurückhaltende bis düstere Prognosen ab. Umsätze und Ergebnisse brachen in den zurückliegenden drei Monaten zum Teil zweistellig ein. Fast überall setzen die Unternehmen wegen der rückläufigen Geschäfte Kurzarbeit ein. Zwar sind in einigen Unternehmen Stellenstreichungen geplant. Entlassungen stehen derzeit jedoch noch nicht an.

SIEMENS: WENIGER AUFTRÄGE

Noch kann Siemens von seinem hohen Auftragsbestand zehren. In den Büchern des Technologiekonzerns standen zur Jahresmitte Bestellungen im Volumen von 84,3 Milliarden Euro. Doch die Rezession macht sich immer stärker bemerkbar: „Erwartungsgemäß hat das wirtschaftliche Umfeld deutliche Spuren im Neugeschäft hinterlassen“, sagte Konzernchef Peter Löscher in einer Telefonkonferenz. Ähnlich wie bei den Konkurrenten General Electric, Alstom und ABB brach der Auftragseingang zwischen April und Juni um 27 Prozent ein. Er lag nur noch bei 17,2 Milliarden Euro – und damit zum ersten Mal seit 2005 unter dem Wert des Umsatzes. Der sank im dritten Quartal des Geschäftsjahres um vier Prozent auf 18,3 Milliarden Euro.

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© Tsp

Schwierigkeiten macht Siemens vor allem die Industriesparte, die von eher kurzfristigen Aufträgen lebt. Firmen investieren derzeit weniger in neue Fabriken und Produktionsanlagen. Das von langfristigen Investitionszyklen geprägte Energiegeschäft behauptet sich dagegen laut Konzernchef Löscher nach wie vor gut. Die Gesundheitssparte schließlich leidet vor allem unter der schwachen Nachfrage auf dem wichtigen US-Markt. Löschers Fazit: „Insgesamt können wir im dritten Quartal insbesondere im Vergleich zum Wettbewerb zufrieden sein.“

Der operative Gewinn in den drei Geschäftsfeldern Industrie, Energie und Medizintechnik brach im dritten Quartal verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um gut ein Fünftel auf 1,67 Milliarden ein. Dennoch hält Siemens an seiner Prognose fest, ein Ergebnis über dem Vorjahreswert von 6,6 Milliarden Euro zu erreichen. Nach neun Monaten kommt Siemens auf 5,54 Milliarden Euro. Der Umsatz soll nur halb so stark schrumpfen wie die Weltwirtschaft insgesamt – wobei Siemens von einem Rückgang von 2,6 Prozent ausgeht. Die Wirtschaftskrise wird auch bei Siemens Arbeitsplätze kosten. 1600 Stellen sollen in Europa in der Industriesparte abgebaut werden. In Deutschland trifft es 120 Stellen im Bereich Gebäudetechnik. Die Zahl der Kurzarbeiter, die wegen der Ferien derzeit von 19 000 auf 15 000 gesunken sei, werde steigen, kündigte Löscher an. Siemens beschäftigt 409 000 Mitarbeiter, 128 000 davon in Deutschland. Einen nachhaltigen Aufschwung für die Wirtschaft erwartet Löscher erst für die zweite Hälfte 2010.

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© Tsp

BASF: DÜSTERER AUSBLICK

Ebenso wie Siemens enttäuschte auch der Chemiekonzern BASF die Börse mit einem düsteren Ausblick auf die kommenden Monate. Finanzvorstand Kurt Bock sagte, der Abschwung scheine gestoppt und es sehe nach einer Stabilisierung auf niedrigem Niveau aus. „Ein nachhaltiger Aufschwung ist aber noch nicht in Sicht.“ Für BASF werde das zweite Halbjahr „grundsätzlich nicht besser“ ausfallen als das erste. Der weltgrößte Chemiekonzern rechnet für das Jahr nun mit einem starken Rückgang bei Umsatz und Ergebnis und ist damit etwas pessimistischer als zuvor. „Unser Ziel, auch im Jahr 2009 die Kapitalkosten zu verdienen, werden wir voraussichtlich nicht erreichen“, sagte Bock. Für die Aktionäre ist das eine schlechte Nachricht, denn an diese Bedingung knüpft BASF die Zahlung einer stabilen Dividende.

Von April bis Juni brach der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Sondereinflüssen um 53 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro ein. BASF spürte die Folgen der Krise vor allem in seinen Segmenten Chemikalien, Kunststoffe, und Produkte für die Auto- und Bauindustrie. Der Konzern setzte 12,5 Milliarden Euro um – ein Minus von 23 Prozent.

Wegen der gesunkenen Nachfrage hat BASF weltweit seine Produktionskapazitäten bereits um mehr als ein Viertel zurückgefahren. Aktuell liegt die Kapazitätsauslastung nur bei rund 60 Prozent. Bis Ende 2009 sollen rund 2000 Stellen gestrichen werden, im Zuge der Übernahme des Schweizer Spezialchemiekonzerns Ciba bis 2013 noch weitere 3700 Stellen. BASF beschäftigt derzeit knapp 107 000 Menschen. In Europa sind etwa 3700 Mitarbeiter in Kurzarbeit.

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© Tsp

VW: KLEINES VERKAUFSPLUS

Europas größter Automobilkonzern erwartet einen massiven Einbruch auf seinem Markt erst im kommenden Jahr. Volkswagen-Vertriebschef Detlef Wittig sagte für 2010 einen Rückgang von rund einer Million Autos voraus. Im laufenden Jahr rechnet er auf dem deutschen Markt mit dem Verkauf von 3,7 Millionen Pkw. 2010 werden es nach Auslaufen der Abwrackprämie 2,6 bis 2,8 Millionen sein, wie Wittig in einer Telefonkonferenz sagte. Im Jahr 2008 waren in Deutschland noch rund 3,1 Millionen Autos verkauft worden.

Die staatliche Abwrackprämie bewahrt VW in diesem Jahr vor einem noch größeren Gewinneinbruch. Der operative Gewinn fiel im abgelaufenen Quartal um mehr als die Hälfte auf 928 Millionen Euro, wobei Analysten einen weitaus stärkeren Rückgang befürchtet hatten. Im Gegensatz etwa zu Peugeot und Renault erzielte VW zwischen April und Juni mit 1,4 Prozent sogar ein kleines Verkaufsplus. Der Konzernumsatz sank dennoch um acht Prozent auf gut 27 Milliarden Euro. „Der bisherige Jahresverlauf zeigt, dass wir mit unserem Modell des Mehrmarkenkonzerns bestens gerüstet sind“, sagte Konzernchef Martin Winterkorn. Auch in einer besonders schwierigen Phase auf den internationalen Automobilmärkten sei es gelungen, Marktanteile zu gewinnen. „Klar ist, dass die Geschäftsaussichten unsicher bleiben und wir weiterhin mit Risiken rechnen müssen“, fügte Winterkorn hinzu.

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MAN: SCHWARZE ZAHLEN

Anders als für PKW gibt es für LKW keine Abwrackprämie. Das hatte zur Folge, dass das Hauptgeschäft von MAN, der Verkauf von LKW und Bussen, bereits eingebrochen ist. Nun wird auch das übrige Geschäft von der Wirtschaftskrise erfasst. Um mehr als die Hälfte seien die Bestellungen für Dieselmotoren und Nutzfahrzeuge im ersten Halbjahr zurückgegangen, um 29 Prozent die für Turbomaschinen, sagte Konzernchef Hakan Samuelsson. Die Auftragseingänge haben sich auf nur noch 4,5 Milliarden Euro halbiert.

Nach Steuern schrieb MAN im zweiten Quartal mit 27 Millionen Euro nur noch knapp schwarze Zahlen. Die Erholung der von MAN belieferten Märkte werde jahrelang dauern, stellte Samuelsson klar. Dennoch hofft er, ohne Entlassungen über die Runden zu kommen. Die in Deutschland bei MAN flächendeckende Kurzarbeit könne notfalls bis Ende 2010 verlängert werden. Ende Juni hatte MAN noch knapp 49 500 Beschäftigte weltweit. Das waren 1800 Menschen weniger als im Vorquartal. Vor allem Leiharbeiter verloren ihren Job. Der Druck auf das Personal wird aber noch auf unabsehbare Zeit anhalten.

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LUFTHANSA: SPARSAME PASSAGIERE

Dass die Firmen sparen müssen, bekommt auch die Lufthansa zu spüren. „Die Luftfahrt steckt in der schwersten Krise aller Zeiten“, sagte Finanzchef Stephan Gemkow. Die Durchschnittserlöse pro Passagier gehen stark zurück, weil immer weniger First und Business- Class-Tickets gekauft werden. „Unsere Fluggäste wandern in den Jets von vorne nach hinten“, sagte Gemkow. Nun drohen auch bei der Lufthansa „drastische Sparmaßnahmen“. Im Langstreckenverkehr könnte bis zu acht Prozent des Angebotes gestrichen werden. Das könnte auch zu Personaleinschnitten führen, die deutlich über dem bislang angekündigten Abbau von 400 Stellen in der Verwaltung der Passagiersparte hinausgehen. Zudem deutete Gemkow an, dass 2010 etliche Flugzeugbestellungen storniert werden könnten. Zwar verbuchte Lufthansa im zweiten Quartal einen Betriebsgewinn von 52 Millionen Euro. Angesichts des Verlustes im ersten Quartal bleibt für das erste Halbjahr aber nur ein Betriebsgewinn von acht Millionen. (mit tmh/ro)

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