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Rendite im Kopf. Wer die psychologischen Stolperfallen kennt, hat bessere Chancen auf Erfolg am Aktienmarkt.

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Wirtschaftspsychologie: Drei Dinge, die jeder Anleger über Psychologie wissen muss

Anleger kennen diese Fragen: Kaufen? Verkaufen? Oder doch lieber warten? Doch häufig spielt ihnen die Psyche einen Streich – und sie treffen falsche Entscheidungen.

1. DAS PROBLEM MIT DEN GEFÜHLEN

Erinnern Sie sich noch an Mister Spock? Wann immer sein Raumschiff Enterprise drohte, von einem schwarzen Loch verschluckt zu werden, oder Klingonen sich anschickten, die Raumreisenden mit Phaserwaffen zu eliminieren, war der spitzohrige Offizier der Einzige an Bord, der die Nerven behielt. Grund dafür war seine Herkunft: Als gebürtiger Halb-Vulkanier stammte Spock aus einer Gesellschaft, die es gewohnt war, ihre Emotionen zu unterdrücken und somit Herausforderungen stets logisch anzugehen.

Auch die wirtschaftswissenschaftlichen Theorien gingen jahrzehntelang davon aus, dass reale Menschen ihre ökonomischen Entscheidungen treffen wie der fiktive Mister Spock im Fernsehen. Der „Homo oeconomicus“, davon waren die Wirtschaftswissenschaftler überzeugt, handele grundsätzlich nutzenmaximierend und rational.

Die israelischen Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky widerlegten diese Annahme 1979 mit ihrer "Prospect Theory“. Darin beschreiben die beiden Forscher die Neigung von Börsenanlegern, Aktien abzustoßen, deren Wert gestiegen ist, und umgekehrt solche zu halten, deren Wert gesunken ist. „Begründet ist dieses Verhalten in einer Verlustaversion“, erklärt Erik Hölzl, Wirtschaftspsychologe an der Universität von Köln.

„Wenn ich hundert Euro gewinne, freue ich mich. Verliere ich hundert Euro, ärgere ich mich. Um sich der Verärgerung nicht aussetzen zu müssen, zögern viele Anleger deshalb mit dem Verkauf ihrer Aktien und hoffen weiter auf steigende Kurse.“

Verstärkt wird dieser sogenannte Dispositionseffekt dadurch, dass die Verärgerung über Verluste laut Kahneman und Tversky etwa doppelt so stark empfunden wird wie die Freude über Gewinne. „Die Angst vor dem Verlust lässt Anleger risikobereiter werden und führt nicht selten dazu, dass sie sich damit noch tiefer in den Verlust hineinstürzen“, sagt Hölzl.

Letztendlich beruht der Dispositionseffekt auf einem Problem mit dem Selbstwertgefühl. Denn wer ein verlustreiches Aktienpaket verkauft, muss sich die unangenehme Frage stellen, ob möglicherweise schon die Kaufentscheidung ein Fehler war. „Sich einzugestehen, einen Fehler begangen zu haben, ist unangenehm“, schlussfolgert Hölzl.

Laut mehreren Studien fällt der Dispositionseffekt deshalb auch unterschiedlich stark aus: Aktien, die vom Anleger selbst gewählt wurden, werden im Verlustfall eher verkauft als Aktien, die vererbt oder geschenkt wurden.

2. DAS PROBLEM MIT DER HEIMATLIEBE

Die Anlagephilosophie des weltweit erfolgreichsten Investors ist eine denkbar einfache: „Investiere niemals in ein Geschäft, dass du nicht verstehst“, schrieb Warren Buffett in seiner Biografie. Statt kurzlebigen Börsentrends nachzujagen, investierte er sein Geld daher lieber in zeitlose Marken wie Coca-Cola, die Ketchup-Firma Kraft Foods oder die Einzelhandelskette Wal-Mart. Für den Amerikaner hat sich diese Maxime fraglos ausgezahlt: Auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen dieser Welt schafft er es seit Jahren unter die ersten drei Plätze.

Heißt auf Buffett hören also siegen lernen? Nicht unbedingt. Denn wer nur kauft, was er kennt, verkennt bisweilen das Risiko: „Dinge, die uns vertraut erscheinen, bewerten wir weniger riskant“, fasst Wirtschaftspsychologe Hölzl ein Phänomen zusammen, das in der Psychologie „Familiarity Bias“ genannt wird.

„Aber nur, weil wir mit manchen Branchen oder Unternehmen vertrauter sind als mit anderen, bedeutet das nicht, dass es sich auch wirklich um eine gute Geldanlage handelt“, warnt Hölzl. Denn wie gut die Fundamentalwerte der Unternehmen tatsächlich sind, bleibt dem gewöhnlichen Anleger zumeist verborgen – auch wenn ihm das Geschäftsmodell vertraut sein mag.

Heißt auf Starinvestor Warren Buffett hören, siegen lernen? Nicht unbedingt.
Heißt auf Starinvestor Warren Buffett hören, siegen lernen? Nicht unbedingt.

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Eine Spielart dieses Phänomens des „Familiarity Bias“ führte im vergangenen Jahr eine gemeinsame Auswertung deutscher Banken über die Anlagevorlieben ihrer Kunden vor Augen. Neun der zehn Top-Titel stammten demnach aus dem Dax. Die Aktie mit dem größten Volumen in den 2,5 Millionen ausgewerteten Depots war BASF. Darauf folgten Daimler, Allianz und die Deutsche Telekom. Auf dem fünften Platz fand sich die einzige nichtdeutsche Aktie in den Top 10: Apple. Die Plätze sechs bis zehn wurden wiederum von alten Bekannten aus dem Dax belegt: Siemens, Deutsche Bank, Bayer, SAP und Commerzbank.

Auch eine Analyse der Aktientransaktionen belegte, dass die Deutschen besonders auf heimische Papiere setzen. Von Januar bis Mai 2015 entfielen 58 Prozent der Käufe und Verkäufe auf deutsche und nur 42 Prozent auf ausländische Werte. Wirtschaftspsychologe Hölzl nennt diese Vorliebe für heimische Werte den „Local Bias“ und warnt zugleich vor seinen Risiken.

Denn nur weil Siemens, VW oder Bayer vertrauter erscheinen als General Electrics, Toyota und Teva, heißt das nicht, dass sie auch grundsätzlich eine bessere Wahl wären. Denn wer Aktien nur aus einem bestimmten Land kauft, holt sich damit auch Werte ins Depot, deren Risiken stark miteinander verknüpft sind. „Wer aber alle seine Eier im selben Korb trägt, darf nicht stolpern“, warnt Hölzl.

Denn wenn Deutschland erst einmal durch die nächste Rezession geht, werden alle deutsche Unternehmen davon in Mitleidenschaft gezogen werden. Stattdessen sollten Anleger daher vor allem eins tun, rät der Wirtschaftspsychologe: „Das Risiko streuen, streuen und nochmals streuen.“

3. DAS PROBLEM MIT DEM EGO

Der Versicherungskonzern Axa legte im vergangenen Jahr eine Studie mit verblüffendem Ergebnis vor. Befragt nach der eigenen Fahrkompetenz, antworteten 96 Prozent der Deutschen, sie hielten sich für „ziemlich gute“ oder sogar „sehr gute“ Autofahrer. Statistisch seien derlei Zahlen allerdings eher unwahrscheinlich, sagt Wirtschaftspsychologe Hölzl: „Es ist ein weit verbreitetes Phänomen, dass wir glauben, Dinge besser zu können als andere und auch mehr zu wissen als andere.“

Der amerikanische Ökonom Howard Raiffa war der erste Forscher, der auf dieses erstaunliche Phänomen stieß. Hunderte Probanden hatte er um eine Schätzung gebeten, wie hoch die jährliche Eierproduktion in den USA sei oder wie viele Chirurgen das Telefonbuch von Boston zählt. Die Befragten sollten jeweils eine Spanne angeben, in der sie das richtige Ergebnis zu 98 Prozent vermuteten. Es kam, wie es kommen musste: Ganze 40 Prozent der Befragten lagen mit ihrer Schätzung falsch.

Wie unter Forschungsprobanden geht es deshalb auch unter Anlegern zu, glaubt Wirtschaftspsychologe Hölzl: „Viele Anleger glauben, mehr über einen Bereich zu wissen, als es objektiv der Fall ist“, sagt er. Erstaunlicherweise sind es dabei nicht nur Privatanleger, die ihre eigenen Prognosen hinsichtlich der Entwicklung von Börsenkursen oder Unternehmensumsätzen überschätzen, sondern auch gestandene Profis.

2006 befragte der Investoren-Guru James Montier rund 300 Fondsmanager nach ihrer Performance. Das Ergebnis: 74 Prozent waren überzeugt davon, ihre Fonds überdurchschnittlich erfolgreich geführt zu haben, während die restlichen 26 Prozent sich als immerhin durchschnittlich erfolgreich beschrieben. Kurzum: Eine unterdurchschnittliche Performance glaubte niemand abgeliefert zu haben.

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