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Wohnungsmarkt: Zwischen Miete und Rendite

Nach dem Karlsruher Urteil ist nicht nur Berlin auf der Suche nach neuen Geldquellen. Dem Dresdner Beispiel folgend stehen die landeseigenen Wohnungen ganz oben auf der Liste. Nicht nur für die Mieter könnte das beträchtliche Auswirkungen haben.

Frankfurt/Main - Arm, aber sexy, so beschreibt Berlins regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) seine hochverschuldete Stadt. Doch die Hauptstadt ist längst nicht arm genug, um beim Bund zu betteln, entschieden die Verfassungsrichter in Karlsruhe. Sie könne ja ihre Wohnungen im Wert von mehr als fünf Milliarden Euro verkaufen. Schließlich hat Dresden vorgemacht, wie man auf diese Art seine Schulden los wird. Auch in Nordrhein-Westfahlen stehen mehr als 100.000 landeseigene Wohnungen zum Verkauf, weitere 65.000 in Hessen. Während vor allem ausländische Investoren nach den im internationalen Vergleich billigen Immobilien gieren, graust es Mieter, Verbraucherschützer und Stadtentwickler beim Gedanken an die Zukunft.

Städtische Wohnungen zu verkaufen ist langfristig ein ganz und gar untaugliches Mittel, die Haushalte zu sanieren, sagt Franz-Georg Rips, Direktor des Deutschen Mieterbundes (DMB). Auch Gerhard Braun, Professor für Stadtentwicklung an der FU Berlin, fürchtet, dass die Löcher so nur kurzfristig gestopft werden. "Ein Investor müsste erst einmal viel Geld in die Wohnungen stecken, um sie wieder lukrativ zu machen." Das hätte unweigerlich höhere Mieten zur Folge, die die finanziell Schwächeren nicht zahlen können. "Die würden sich dann in schlechten Lagen sammeln - in wahren Ghettos", mahnt der Experte. "Die Folgekosten wären höher als der Betrag, der jetzt durch den Verkauf erzielt wird."

Stadtentwicklung

Die Städte schaffen sich nur neue Probleme, wenn sie die Entwicklung der Viertel ganz aus der Hand geben, sind sich viele Experten einig. "Wer Wohnimmobilien allein als Renditeobjekt betrachtet, vernachlässigt die soziale Bedeutung für Bewohner und Stadtquartiere", warnt Edda Müller, Chefin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Trotz aller Anonymität der Großstadt gibt es auch in Berlin, Düsseldorf oder Frankfurt Nachbarn, die nach der alten Dame im ersten Stock sehen, Einkäufe besorgen, den Hund Gassi führen, wenn Herrchen nicht da ist, oder die Blumen gießen. "Ich würde einen Teufel tun, in die sozialen Gefüge der Wohngebiete einzugreifen", sagt Stadtentwicklungs-Professor Braun.

Dabei gebe es durchaus Alternativen, die Geld in die Stadtsäckel spülen und trotzdem die soziale Struktur erhalten, sagt der Wissenschaftler und verweist auf das Beispiel Norwegen. Hier gebe es faktisch keine Mietwohnungen mehr, seitdem die Bewohner mit der Mietzahlung stückweise Eigentum an der Wohnung erwerben. Schon aus eigenem Interesse kümmerten sie sich dann auch um den Zustand der Wohnung und das Umfeld. Verdreckte und heruntergekommene Wohngegenden suche man daher vergeblich. "Das ist Privatisierung von unten nach oben."

Mietspiegel schützt

Die Kritik an einem Verkauf an private Investoren hält Eckart John von Freyend für überzogen. Es gibt "kaum ein Land, in dem die Mietrechte so weitgehend geschützt sind wie in Deutschland", sagt der Cheflobbyist der Branche beim Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA). So verhindere die Bindung an die örtlichen Mietspiegel ungerechtfertigte Mieterhöhungen. Auch Kündigungen seien faktisch unmöglich, so lange der Mieter pünktlich zahlt.

Käufer großer Wohnungsbestände müssten zudem häufig Auflagen beachten, sagt von Freyend. Die Befürworter führen an dieser Stelle gerne die Sozial-Charta der Gagfah an: Als die Wohnungsgesellschaft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) 2004 an den US-Investor Fortress verkauft wurde, garantierte der Käufer den damaligen Mietern Kündigungsschutz, räumte Bewohnern über 60 Jahren ein lebenslanges Wohnrecht ein und schränkte Mieterhöhungen ein. Dennoch ist durchgesickert, dass Gagfah, die am Donnerstag ihr Börsendebüt gab, die Mieten kräftig erhöhen und die Kosten senken will. Noch hält sich Fortress aber zurück: Ein Abzocker-Image könnte schließlich weitere Wohnungszukäufe in deutschen Kommunen erschweren. (Von Katharina Becker, AFP)

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