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Wirtschaft: Wolfgang Herzberg

(Geb. 1948)||Er verdrängte viel. Aber die Termine des Hockey-Clubs bestimmt nicht.

Er verdrängte viel. Aber die Termine des Hockey-Clubs bestimmt nicht. Im Vorstandsraum der Hockey-Baude hängt noch ein altes Bild von ihm. Wolfgang beim Abschlag. Ein kräftiger junger Mann, die blonden Haare gescheitelt, im engen weißen Trikot und noch engerer schwarzer Hose. Auf den weißen Stutzen prangt das Emblem des SC Charlottenburg.

Etwa so muss er ausgesehen haben, als er seiner großen Liebe begegnete. Sie lernten sich auf einem Übungsleiterlehrgang kennen, Marianne stammte aus einer Bremer Hockey-Familie. Wenig später war Sohn Ralph unterwegs. Während der 42 Stunden dauernden Entbindung pendelte Wolfgang zwischen Hockey-Platz und Kreißsaal hin und her. Als der Stammhalter endlich da war, hatte der junge Vater nicht nur zwei Spiele in den Beinen, sondern auch einen beachtlichen Alkoholpegel im Blut. „Wolfgang“, sagen seine Freunde, „war ein Lebemann. Ein Hans Dampf in allen Gassen“. Die dritte Halbzeit am Tresen war ihm genauso wichtig, wie die ersten beiden auf dem Hockey-Platz.

Einmal hatte er sich gemeinsam mit seinem älteren Bruder Klaus den großen weißen Ford des Großvaters geliehen. Zum Punktspiel wollten sie damit vorfahren. Klaus kam dann mit der Straßenbahn zurück, Wolfgang Stunden später mit dem Auto. Nur schepperte es jetzt ganz fürchterlich. Während er im Clubhaus gefeiert hatte, sind ihm die Reifen zerstochen worden. Sternhagelvoll kam er mit vier Platten die Suarezstraße herauf, stellte das Auto ab und wankte, als sei nichts gewesen, an Klaus und Marianne vorbei direkt ins Bett.

1994 machte ein Herzinfarkt Wolfgang Herzberg zum Invalidenrentner. Er ließ das Rauchen sein, Alkohol trank er nur noch zu besonderen Anlässen. Vom Essen allerdings mochte der 100-Kilo- Mann nicht lassen. Als selbstständiger Vertreter für Wurst- und Fleischwaren konnte er nicht nur viel übers Essen sprechen, sondern auch viel davon wegdrücken. „Was hat man denn sonst vom Leben?“ 1995 sagten ihm die Ärzte, dass er ein Kandidat für ein Spenderherz sei. Erst zehn Jahre später ließ er sich auf die Spenderliste schreiben. „Mein Vater war ein Meister der Verdrängung“, sagt Sohn Ralph.

1996 starb Marianne an Krebs. Hockey, bis dahin nur ein zeitaufwendiges Hobby, wurde nun zu Wolfgangs Lebensaufgabe. Der Sohn hat noch einen alten Kalender von ihm, voll gekritzelt von vorn bis hinten: Treffen mit der Stadträtin, Sportausschuss, Mitgliederversammlung, Sponsorengespräche … Und natürlich die Spiele, die Anstoßzeiten aller Mannschaften von den Minis bis zu den Bundesliga-Herren stehen da, keine Zeile ist unbeschrieben. Wolfgang Herzberg, war Vorsitzender des SCC.

Selbst als er im Krankenhaus lag, telefonierte er mit dem Stadtrat oder dem Vereinspräsidenten. Von der Intensivstation aus diktierte er Sigrid, seiner Lebensgefährtin der letzten Jahre, Briefe.

Im Jahr 2002 begann sich Wolfgang Herzbergs großer Traum zu erfüllen: ein Kunstrasen direkt vorm Clubhaus. Acht Jahre lang hatte er Klinken geputzt, hatte verhandelt, argumentiert, kalkuliert. Als die Bauarbeiten begannen, verlagerte er seinen ärztlich verordneten Spaziergang von der Wilmersdorfer Straße ins Mommsenstadion, fotografierte, dokumentierte, ließ sich erklären, wie ein Kunstrasen vernäht wird.

Als das Prunkstück schließlich fertig war, hat Wolfgang seine Sigrid immer wieder liebevoll an sich gedrückt und geflüstert: „Is dit nicht schön?“ Nach seinem Tod, schlug Sohn Ralph vor: „Nennt den Platz doch Wolfgang-Herzberg- Platz.“

Karola Schrader

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