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Julia Klöckner, Bundesministerin für Landwirtschaft und Ernährung (CDU), hielt eine Keynote.

© Susanne Aschenkersbaumer

World Food Convention: Wie stillen wir den Hunger der Welt?

Auf der "World Food Convention" in Berlin haben internationale Experten aus Politik und Wirtschaft über Instrumente gegen Hunger und Umweltzerstörung diskutiert. Es gab erschreckende Zahlen.

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Mit dramatischen Zahlen war der Chefökonom des Welternährungsprogramms, Arif Husain, nach Berlin gekommen: Nach Jahren des Rückgangs sei die Anzahl der Menschen, die abends hungrig ins Bett gehen müssen, seit 2016 von 777 auf 850 Millionen gestiegen, sagte Husain am Dienstag auf der World Food Convention, einer vom Tagesspiegel organisierten Konferenz zur Zukunft der globalen Ernährung. Schuld daran sind laut Husain Krieg und globale Erwärmung. 124 Millionen Menschen litten weltweit unter extremer Nahrungsunsicherheit, 74 Millionen davon aufgrund von militärischen Konflikten und 38 Millionen wegen des Klimawandels.

Bundeslandlandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) will dem Hunger in der Welt mit einer „Agrar- und Ernährungspolitik aus einem Guss“ begegnen, wie sie in ihrem Grußwort erläuterte. „Der Schlüssel dazu ist eine leistungsfähige und lokal angepasste Landwirtschaft.“ In vielen Weltgegenden sieht sie Steigerungspotential für landwirtschaftliche Erträge: In Deutschland würden beispielsweise 9000 Kilogramm Mais pro Hektar produziert, in Äthiopien seien es 2700 Kilogramm. Außerdem würden dort nur 15 Prozent der Flächen für Landwirtschaft genutzt, obwohl sich 40 Prozent dafür eigneten.

Klöckner kritisierte „ideologische Grabenkämpfe“ in der Debatte um eine wirksame Ernährungspolitik: Wer in Deutschland sich für hochwertiges Saatgut ausspreche, dem werde schnell unterstellt, auf der „Ausbeuterseite“ zu stehen. Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, betonte, dass sich Saatgut auch außerhalb der Labore von Konzernen züchten lasse. Er kenne einen Biobauern, der mit selbst gezüchtetem Saatgut so viel erwirtschafte wie seine Nachbarn, die konventionell arbeiteten.

Bayer-Manager: Öko-Landbau erzielt nur 50 bis 70 Prozent der Erträge

Mit ökologischer Landwirtschaft ließen sich nur 50 bis 70 Prozent der Erträge erzielen, wie sie in der konventionellen Landwirtschaft möglich seien, widersprach Volker Koch-Achelpöhler von Bayer, seit dem Zusammenschluss mit Monsanto der größte Hersteller von Saatgut und Pestiziden und einer der Sponsoren der World Food Convention.

Volker Koch-Achelpöhler vertrat bei den Debatten den Bayer-Konzern, seit dem Zusammenschluss mit Monsanto der größte Hersteller von Saatgut und Pestiziden - und einer der Sponsoren der Veranstaltung.
Volker Koch-Achelpöhler vertrat bei den Debatten den Bayer-Konzern, seit dem Zusammenschluss mit Monsanto der größte Hersteller von Saatgut und Pestiziden - und einer der Sponsoren der Veranstaltung.

© Susanne Aschenkersbaumer

„Das Recht auf Nahrung ist ein universelles Menschenrecht“, meinte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Er ist überzeugt davon, dass die Erde alle Menschen ernähren könne. Nur: „Es fehlt der Weltgemeinschaft an Verantwortungsbewusstsein und an Wille.“ Damit meint er vor allem die EU-Regierungen, die ihren Markt durch Abschottung schützen wollten und damit Bauern im Süden das Leben schwermachten.

Müller wünscht sich ein „gerechtes Handelssystem“ sowie „faire Preise“ etwa für Kaffeebauern in Westafrika. Er möchte weltweit die Gleichberechtigung der Frauen fördern und ihnen Zugang zu Land und Krediten ermöglichen. Aber auch „Verteilungsprobleme“ hierzulande sprach der Minister an. „Ein Drittel der Lebensmittel landet in der Tonne oder verrottet, das ist beschämend.“ Von der eigenen politischen Klasse erwartet der CSU-Politiker in dem Zusammenhang „Entschlossenheit“.

Müller genervt von Flüchtlingsdebatte und dem Streit der Union

Von der aktuellen Debatte über die Schließung deutscher und europäischer Grenzen zeigte er sich genervt und sprach von einer „relativ kleinkarierten Diskussion“. Die Fragen von Flucht und Migration ließen sich keineswegs hierzulande lösen. Vielmehr müsse sich weltweit etwas bewegen – auch mit Geld. „Es ist nicht hinnehmbar, dass ich um ein paar Millionen Euro fighten muss“, rief er mit Blick auf den Bundeshaushalt. „Gebt mir das Geld, sag ich den deutschen Parlamentariern.“ Müller will mehr Mittel in den Süden leiten, dort investieren, wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben. Andernfalls kämen mehr Flüchtlinge - und „die Menschen holen sich, was ihnen zusteht“.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CDU) äußerte am Rande der World Food Convention genervt über den Streit in der Union zur Flüchtlingsfrage.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CDU) äußerte am Rande der World Food Convention genervt über den Streit in der Union zur Flüchtlingsfrage.

© Susanne Aschenkersbaumer

Von der Digitalisierung der Landwirtschaft versprechen sich die Konferenzteilnehmer Einiges zur Lösung des Problems, die wachsende Weltbevölkerung ohne Zerstörung des Planeten zu ernähren. Der Einsatz der Technik reicht derzeit von selbst fahrenden Traktoren über Drohnen, die über Felder fliegen, um den günstigsten Zeitpunkt zu erkennen, um beispielsweise Maniok zu ernten.

Debisi Araba, Afrika-Direktor des Internationalen Zentrums für Landwirtschaft in den Tropen, berichtete von ganz simplen Einsatzmöglichkeiten, etwa wenn Bauern, auf deren Hof eine Krankheit ausgebrochen wird, über Whatsapp anfragen, ob Kollegen damit bereits Erfahrungen gemacht haben.

Debisi Araba, Afrika-Direktor des Internationalen Zentrums für Landwirtschaft in den Tropen auf der World Food Convention 2018 in Berlin.
Debisi Araba, Afrika-Direktor des Internationalen Zentrums für Landwirtschaft in den Tropen auf der World Food Convention 2018 in Berlin.

© Susanne Aschenkersbaumer

Der studierte Biologe und Grünen-Politiker Hofreiter sprach sich strikt gegen genveränderte Pflanzen aus. In Kanada habe beispielsweise genveränderter Raps ein „Super-Unkraut“ produziert, das sich nicht mehr bekämpfen lasse. Gegen Fleisch aus dem Genlabor hat der Grünen-Politiker dagegen nichts einzuwenden. Doch zur Welternährungskrise trage es nicht bei. Ein im Labor gezüchteter Burger koste zurzeit 10000 bis 20000 Euro.

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