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Wirtschaft: Wundermittel gegen den "Wild-West" am Bau

BERLIN (chi).Das Problem ist hinlänglich bekannt.

BERLIN (chi).Das Problem ist hinlänglich bekannt.Auf rund 800 Großbaustellen werden derzeit in Berlin jedes Jahr 25 bis 30 Mrd.DM in den Sand gebuddelt, doch die heimischen Baufirmen haben davon wenig, ganz im Gegenteil.Allein im vergangenen Jahr schrumpfte der Umsatz der Berliner Baubetriebe um 11,7 Prozent auf rund zehn Mrd.DM, mußten knapp 1000 Betriebe - etwa zehn Prozent - Konkurs anmelden.Gleichzeitig stieg die Zahl der arbeitslosen Bauarbeiter in Berlin um weitere 10 000 auf mehr als 30 000 an.Im Klartext: Jeder dritte Bauarbeiter in der Stadt muß stempeln gehen, während sich eine gleich große Zahl, nämlich 30 000 Beschäftigte aus anderen EU-Staaten ganz legal zu niedrigeren Löhnen auf den Baustellen tummeln und schätzungsweise weitere 30 000 illegal.Kein Wunder, daß sich mancher fragt, ob gegen den "Wild-West" am Bau kein Kraut gewachsen ist.Haben denn alle staatlichen Riegel - vom Entsendegesetz über den Mindestlohn bis zur Tariftreueerklärung des Senats - nichts genutzt? Sind diese Maßnahmen allesamt nur stumpfe Waffen?

Sie sind ziemlich stumpf, wie sich auf einer Tagung der Senatsverwaltung für Arbeit und der IG Bau Berlin am Donnerstag herausstellte

Beispiel Entsendegesetz: Laut der im März 1996 in Kraft getretenen Regelung sollten EU-Betriebe melden, wieviele ausländische Arbeitnehmer sie wohin und wie lange nach Deutschland entsenden.Gemeldet wurden bislang deutschlandweit 80 000 EU-Arbeitnehmer, "nicht einmal ein Drittel", schätzt der Berliner IG-Bau-Chef Klaus Pankau.Mehr noch: Den Bußgeldern von bis zu 500 000 DM entziehen sich viele Firmen, die Zusammenarbeit der Behörden "klappt gerade noch mit Österreich."

Beispiel Werkverträge: Für die Beschäftigung von Arbeitnehmern aus Osteuropa gibt es Kontingente, die je nach Branche und Region festgelegt werden.Berlin ist, was den Bau betrifft, "gesperrt", doch werden Ausnahmegenehmigungen vergeben.Nach Angaben des Landesarbeitsamtes ganze 750.Die Realität sieht anders aus.

Beispiel Tarifbindung: Bei öffentlichen Aufträgen verlangt die Senatsverwaltung, daß die Auftragnehmer die in Berlin geltenden Tariflöhne einhalten.Für den Bereich Straßenbau wurde dies gerade vom Kartellgericht als wettbewerbswidrig untersagt, die Senatsverwaltung zieht nun vor den Bundesgerichtshof.Doch auch so bleibt die Wirkung begrenzt: Ganze 15 Prozent des gegenwärtigen Bauvolumens wird von der Senatsverwaltung vergeben, der Bund beteiligt sich nicht.Und im Wohnungsbau greift die "Waffe" immer weniger, seit der soziale Wohnungsbau zurückgefahren wurde und in den übrigen geförderten Bereichen private Unternehmen die Aufträge vergeben.

Dennoch sieht Arbeitssenatorin Christine Bergmann keinen anderen Weg, als die Gesetze weiter zu verschärfen und die Kontrollen zu verbessern.Berlin werde hier Druck auf Bundesebene ausüben, denn schließlich sei "der Leidensdruck hier am größten", sagte sie am Donnerstag.So fordert sie, daß die Beschäftigung von Schwarzarbeitern und Illegalen nicht nur als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat eingestuft wird - den Arbeitgebern würden damit auch Gefängnisstrafen drohen.Als weitere Rezepte nannte Bergmann die Einführung einer Generalunternehmerhaftung für Subunternehmer, die unbefristete Verlängerung des Entsendegesetzes, das nach der bisherigen Regelung im September 1999 auslaufen wird, die Erhöhung der Bußgelder bei Verstößen gegen die Richtlinie und die Einrichtung eines EU-weiten Informationsverbundes, um die Amtshilfe über die Grenzen hinweg zu verbessern.Darüberhinaus forderte sie ein Gesetz zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit, das bislang im Bundesrat Zustimmung fand, im Bundestag aber scheiterte.Vor allem aber, so Bergmann, "müssen wir zu gemeinsamen Normen in Europa kommen".Die Bereitschaft dafür sei in den anderen Staaten vorhanden, zeigte sie sich zuversichtlich.

Der Schlüssel gegen Lohndumping liegt in Brüssel.Darin waren sich alle einig.Viel Zeit bleibt nicht: Sollte es bis zur Ost-Erweiterung der Union - vorgesehen ist bislang das Jahr 2003 - keine einheitlichen Normen geben, "droht ein Desaster in Berlin und Brandenburg", sagte IG-Bau-Chef Pankau.Das Lohngefälle zu Polen liege bei 1 : 4.

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