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Wunschliste: Wirtschaft fordert weniger Kündigungsschutz

Nach der Bundestagswahl haben die Wirtschaftsverbände ihre Wunschliste an die künftige Regierung erneuert. Unter dem Stichwort Flexibilisierung verstehen sie vor allem eines: eine Aufweichung des Kündigungsschutzes. Die CDU reagiert zögerlich.

Berlin - Die Wirtschaft fordert von der neuen Regierung rasche Reformen – vor allem auf dem Arbeitsmarkt. So verlangen die Lobbyverbände, den Kündigungsschutz zu reduzieren, und bewegen sich damit auf einer Linie mit der FDP. Auch die Mitbestimmung soll eingeschränkt werden – und damit der Einfluss der Gewerkschaften auf Entscheidungen in den großen Unternehmen. Die Arbeitnehmervertretungen kündigten heftige Proteste gegen derartige Pläne an und beriefen sich auf anders lautende Zusagen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

„Wir brauchen neben sozialer Sicherheit auch ein ausreichendes Maß an Flexibilität“, verlangte Hans Heinrich Driftmann, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), am Montag in Berlin. Die Wähler hätten „ein deutliches Votum für eine mutige Reformpolitik abgegeben“. Er empfahl ein Sofortprogramm für die ersten 100 Tage der Regierung. Neben der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes müsse es Steuererleichterungen und Maßnahmen enthalten, die die Kreditvergabe sicherten.

Die Lockerung der Arbeitsmarktregeln ist für die Firmen der wichtigste Punkt – das geht laut Driftmann zumindest aus einer Befragung des DIHK unter 1500 Unternehmen unmittelbar vor der Wahl hervor. Im Detail sprach sich der Verbandschef dafür aus, den Kündigungsschutz erst in Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern gelten zu lassen. Derzeit liegt dieser Schwellenwert bei zehn Beschäftigten, bis Mitte der neunziger Jahre waren es fünf. Zudem macht sich der DIHK für die Erleichterung von befristeten Einstellungen stark – dies führe gerade in der wirtschaftlichen Erholungsphase zu mehr Beschäftigung, befand Driftmann.

Der Handwerksverband ZDH sprang dem DIHK zur Seite. „Die meisten Arbeitsmarktregelungen sind ja auf Großkonzerne zugeschnitten, sie können sich etwa mit Leiharbeitern die nötige Flexibilität verschaffen. Eine Lockerung des Kündigungsschutzes würde kleinen Betriebe unmittelbar zugute kommen, gerade beim nächsten Aufschwung“, sagte ein ZDH-Funktionär. Jedoch sei diese Forderung „kein Punkt für die ersten 100 Tage“.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt gibt sich moderater. Zwar verlangt auch er im Gespräch mit dieser Zeitung mehr Flexibilität – es gehe aber nicht darum, den bestehenden Kündigungsschutz der Beschäftigten zu verändern. Hundt will „den Einstieg in Arbeit für Arbeitslose erleichtern“. Daneben gelte es, Unternehmen und Arbeitnehmer mittelfristig bei Steuern und Abgaben zu entlasten.

Anders als die FDP hat die Union in ihr Wahlprogramm keine Forderung nach weniger Kündigungsschutz aufgenommen. „Am Kündigungsschutz werden wir sicher nicht schrauben“, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) dem „Handelsblatt“. Er hat im kommenden Mai Landtagswahlen zu bestehen.

Auch die Mitbestimmung wollen CDU und CSU nicht antasten – anders als die Liberalen: Statt der paritätischen Mitbestimmung in Aufsichtsräten streben sie eine Drittelparität an – die Arbeitnehmer sollen also nur noch jeden dritten Sitz in den Kontrollgremien besetzen dürfen. Betriebsräte soll es erst in Unternehmen mit 20 Beschäftigten geben dürfen – heute sind es fünf.

„Die Mitbestimmung hat sich in der Krise erneut bewährt“, hielt der IG-BCE- Vorsitzende Hubertus Schmoldt dagegen. Er gehe davon aus, dass die neue Regierung die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer nicht beschneide. Franz- Josef Möllenberg, Vorsitzender der Gewerkschaft NGG, kündigte „erbitterten Widerstand“ an, „wenn jemand Hand anlegt an Arbeitnehmerrechte“.

Wolfgang Uellenberg, Leiter der politischen Abteilung bei Verdi, glaubt nicht an Eingriffe in die Mitbestimmung oder die Tarifautonomie: „Da setzen wir auf Frau Merkel.“ Er befürchte indes Verschlechterungen beim Kündigungsschutz. Durch die unter Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) durchgesetzte Erhöhung der Schwellenwerte auf zehn Mitarbeiter hätten seinerzeit acht Millionen Arbeitnehmer ihren Kündigungsschutz verloren. Wenn die Schwelle nun auf 20 Mitarbeiter angehoben würde, wären zwölf Millionen Beschäftigte gewissermaßen „rechtlos, und der Willkür der Arbeitgeber ausgesetzt“, sagte Uellenberg dem Tagesspiegel.

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