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Wirtschaft: Zahnersatz-Skandal weitet sich aus

Weitere Dentallabore stehen unter Betrugsverdacht / Staatsanwaltschaft erlässt erste Haftbefehle

Berlin (pet/I.B.)). Der Abrechnungsskandal um BilligZahnersatz aus China weitet sich aus. „Wir haben weitere Labore im Visier“, sagte Oliver Giebel, der Sprecher der AOK Niedersachsen, dieser Zeitung am Freitag. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) forderte die Strafermittlungsbehörden unterdessen zu rascher Arbeit auf – und wies gleichzeitig eine Mitschuld der Politik zurück.

Bislang wurde nur die Mülheimer Zahntechnikfirma Globudent beschuldigt, zusammen mit Zahnärzten überhöhte Rechnungen für Billig-Prothesen aus China ausgestellt und die Differenz mit den Zahnärzten geteilt zu haben. Gegen drei Geschäftsführer und Manager der Firma ist nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Wuppertal inzwischen Haftbefehl erlassen worden, einer der Beschuldigten habe umfassend ausgesagt und die Vorwürfe bestätigt. Der Mann ist inzwischen wieder auf freiem Fuß, da keine Fluchtgefahr bestehe, die beiden anderen sitzen in Haft. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft hat die Firma in etwa 1000 Fällen falsch abgerechnet, daran beteiligt gewesen seien rund 300 Ärzte. Die AOK Niedersachsen, die eine spezielle Einsatztruppe für Kassenbetrug unterhält, geht dagegen davon aus, dass bis zu 2000 Zahnärzte mit dem Labor gemeinsame Sache gemacht haben könnten. Der Schaden beläuft sich nach AOK-Angaben auf mindestens 50 Millionen Euro.

Nach Bekanntwerden der neuen Fälle muss die Zahl möglicherweise deutlich nach oben korrigiert werden. Die AOK hat inzwischen Hinweise, dass deutlich mehr Dentallabore in den Betrug verwickelt sein könnten. Die Kasse verdächtigt „deutschlandweit eine zweistellige Zahl von Laboren“, die Kosten für Zahnersatz gegenüber Kassen und Patienten falsch abgerechnet zu haben. Die Ermittlungen gingen nicht nur in Richtung China, sondern auch nach Bangkok, Manila, in die Türkei, Ungarn, Polen, Russland, Kanada und Schweden, sagte AOK-Sprecher Giebel. Unter den Verdächtigten ist auch das Berliner Dentallabor Prodentum (siehe Kasten). Aus der Zahntechnikerbranche hieß es unterdessen, es sei üblich, Zahnersatz zumindest zum Teil in Billiglohnländern fertigen zu lassen. Die Innung wies das zurück.

Die Berliner Zahnärztekammer hat allein in der Hauptstadt bislang insgesamt 18 Zahnarztpraxen entdeckt, die mit Globudent Geschäftsbeziehungen unterhielten. Das sei jedoch noch kein Hinweis darauf, dass diese Ärzte tatsächlich illegal abgerechnet hätten. In Brandenburg sind es nach Angaben der Krankenkassen weitere vierzehn Zahnarztpraxen, die mit der umstrittenen Firma kooperierten. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) sah sich am Freitag nicht in der Lage, zu sagen, wieviele Praxen bundesweit mit Globudent oder einem anderen verdächtigten Labor zusammengearbeitet haben. Den Vorwurf der niedersächsischen Landtagsfraktionen von SPD und Grünen, die Kassenzahnärzte kämen ihrer Prüfpflicht bei Abrechnungen nicht nach, wies KZBV- Vorstandsmitglied Dieter Krenkel zurück. „Das ist Unsinn“, sagte er. Dem Zahnersatz könne man nicht ansehen, ob er aus China oder Taiwan komme.

Bundesgesundheitsministerin Schmidt sagte dem Tagesspiegel am Freitag, sie sei entsetzt über die Vorwürfe. „Nun hoffe ich darauf, dass die Strafermittlungsbehörden rasch arbeiten.“ Es müsse dafür gesorgt werden, dass solche Skandale künftig unterblieben. Schmid warnte davor, die Branche unter einen Generalverdacht zu stellen. „Ein solcher Verdacht ist zurückzuweisen.“

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