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Vom Uni-Netzwerk zum globalen Gesamtdienstleister. Mehr als 1,2 Milliarden Menschen, rund ein Sechstel der Weltbevölkerung, sind auf Facebook organisiert. Bald sollen die Nutzer gar keinen Grund mehr haben, sich auf anderen Seiten zu tummeln.

© AFP

Zehn Jahre Facebook: Was das Netzwerk so erfolgreich macht

Eine Dekade der digitalen Selbstdarstellung: Facebook wird zehn Jahre alt – hat das Netzwerk seinen Zenit schon überschritten?

Urlaubsbilder, die neueste Lanz-Petition, das obligatorische Katzenbildchen: Facebook feiert an diesem Dienstag seinen zehnten Geburtstag. Am 4. Februar 2004 startete der Harvard-Student Mark Zuckerberg die Webseite thefacebook.com. Heute zählt das Online-Netzwerk 1,2 Milliarden Nutzer – und ist doch gerade erst den Kinderschuhen entwachsen.

Die Pubertät mit Datenschutz- und Privatsphäredebatte ist noch nicht richtig durchgestanden. Der Schritt an die Börse, für Großunternehmen so etwas wie das Verlassen des Elternhauses, ist getan – da wird Facebook bereits der Totenschein ausgestellt. Bis spätestens 2017, so diagnostizieren John Cannarella und Joshua Spencer von der Princeton Universität in ihrer Ende Januar veröffentlichten Studie, werde Facebook bis zu 80 Prozent seiner Nutzer verlieren. Der Zenit sei bereits erreicht. Abgeleitet wird die Analyse aus den „Google Trends“, also der Häufigkeit von Suchanfragen im Internet. Die Forscher ziehen Parallelen zur Ausbreitung von Epidemien: Facebook habe sich mit den Jahren viral verbreitet. Inzwischen seien aber die Suchanfragen und das Interesse der Nutzer zurückgegangen, heißt es in der Studie. Die Nutzer würden immun, so die These.

Als Referenz wird in der Studie das soziale Netzwerk Myspace angeführt. Die Plattform hatte auf ihrem Höhepunkt 2008 mehr als 75 Millionen Besucher im Monat. Nach dem Hype kam der Fall. Heute sind nur noch etwas mehr als 20 Millionen Nutzer registriert.

Ob sich aus dieser Entwicklung aber wirklich die Zukunft von Facebook ableiten lässt, darf bezweifelt werden. Das mediale Nutzungsverhalten hat sich weiterentwickelt und verändert. Längst werden soziale Netzwerke, wie auch Facebook, nicht mehr über Browser angesteuert, sondern über Applikationen auf Smartphones und Tablets, die keinen direkten Einfluss mehr auf Google und seinen Suchmaschinenalgorithmus haben.

Zeit für virtuelle Imagepflege

Auch das schwindende Interesse der Nutzer lässt sich an den Zahlen aus dem Quartalsbericht nur bedingt ablesen: Zwar wächst das Netzwerk nicht mehr so rasant wie früher, doch die Facebook-Junkies werden stetig mehr. 2013 steigerte das Unternehmen den Anteil der täglich aktiven Nutzer um 22 Prozent auf 757 Millionen. Mehr als 1,2 Milliarden Menschen, rund ein Sechstel der Weltbevölkerung, sind auf Facebook organisiert. Immer mehr sind auf mobilen Endgeräten unterwegs. Rund sechs Stunden verbringt der Durchschnittsnutzer im Laufe eines Monats in seinem blauen Wohnzimmer.

Zeit genug, um im Netz virtuelle Imagepflege zu betreiben. Es ist das Erfolgsrezept von Facebook: Der Nutzer entscheidet selbst, welche Informationen er postet. Identitätsmanagement wird massentauglich. Während bei Videoplattformen wie Youtube eine originelle Idee oder ein technisches Grundverständnis vorhanden sein müssen, um wahrgenommen zu werden, reicht bei Facebook theoretisch schon ein schönes Profilbild, um sich bei anderen ins rechte Licht zu rücken.

Der Unterschied zwischen Online- und Offline-Welt wird dabei zunehmend ignoriert. Wie ein Kleinkind, das sich im Spiegel das erste Mal selbst erkennt und ein Bewusstsein für sich selbst entwickelt, befinden sich die Facebook-Nutzer in einer Art zweitem Spiegelstadium: vom „Ich“ zum „Wir“.

Facebook: Eine Bühne mitsamt Publikum

Die perfektionierte Selbstdarstellung im Netzwerk folgt dabei der Theorie des Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ So kann man sich im sozialen Netz nicht nicht selbst darstellen. Selbst wer nichts postet, sagt damit etwas über sich und sein Selbstbild aus.

Facebook macht sich diesen Zwang zur permanenten Präsenz und unterbewussten Identitätsarbeit zunutze. In Zeiten, in denen von der Ware Aufmerksamkeit gesprochen wird und Informationen im Überfluss vorhanden sind, liefert Facebook seinen Nutzern für diese Identitätsarbeit die perfekte Plattform: Eine Bühne mitsamt Publikum. Dadurch machen sich die Nutzer aber auch abhängig vom Feedback der Freunde und Bekannten. Wie eine Facebook-Studie zeigte, versuchen sie, möglichst massentauglich zu posten – und zensieren sich mitunter selbst.

Bald sollen die Nutzer gar keinen Grund mehr haben, sich auf anderen Seiten zu tummeln. Schon jetzt vereint Facebook die Angebote mehrerer Netzwerke. Die Verknüpfung zu Studienkollegen und Schulfreunden über die Profilinformationen erinnert an StudiVZ. Der Nutzer erhält die Möglichkeit Musikstreamingdienste einzubinden (Myspace). Der Kauf von Produkten über Facebook kann direkt abgewickelt werden (Amazon, Ebay). Facebook wird zum Gesamtdienstleister. Zum zehnten Geburtstag schenkt sich Facebook mit „Paper“ eine neue Applikation, die den Nutzern erlaubt, Nachrichten abzufragen und nach selbst gewählten Themen anzeigen zu lassen. Facebook wartet also nicht darauf, dass Konkurrenten Alternativen programmieren, Facebook entwickelt mit der News-App eine Alternative zu sich selbst – für jene, die des alten Facebooks schon überdrüssig geworden sind. Facebook stirbt nicht. Facebook wird erwachsen.

Nachtrag: Als Dank an seine Nutzer hat Facebook zum zehnten Geburtstag ein kleines Feature online gestellt. Mit "Lookback" kann jeder Nutzer auf seine schönsten Momente auf Facebook zurückschauen. Ihre persönliche Nostalgie zum Jahrestag finden Sie unter: https://www.facebook.com/lookback.

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