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Wirtschaft: Zeit ist Geld - die neuen Lebensversicherungen sind steuerlich bald uninteressant. Niemand sollte in Torschlußpanik geraten: Es gibt bessere Alternativen

Der Zettel im Schaufenster passt nicht zum modernen Design der Bankfiliale. Doch die Botschaft war der Angestellten wichtiger als der Stilbruch: "Noch sind steuerfreie Lebensversicherungen möglich.

Der Zettel im Schaufenster passt nicht zum modernen Design der Bankfiliale. Doch die Botschaft war der Angestellten wichtiger als der Stilbruch: "Noch sind steuerfreie Lebensversicherungen möglich. Lassen Sie sich ein Angebot unterbreiten." Improvisation ist Trumpf bei der letzten großen Abschluss-Welle von Lebensversicherungen. Schließlich muss es schnell gehen. Wenn die Steuerpläne der rot-grünen Bundesregierung so wie derzeit beschlossen ab November im Bundesgesetzblatt stehen, wird das klassische Vorsorgeprodukt der Deutschen praktisch unverkäuflich sein. Der Plan im einzelnen: Künftig sollen die Versicherten die Erträge aus diesen Policen im Jahr der Auszahlung voll versteuern. Einmal im Leben dürfen sie dabei einen Freibetrag von 20 Prozent der Erträge geltend machen, maximal jedoch 30 000 Mark. Das reicht hinten und vorne nicht: Ein heute 35-Jähriger, der monatlich 300 Mark einzahlt, kommt mit 65 Jahren auf bis zu 250 000 Mark Erträge aus seiner Police. Diese werden ihn im Jahr der Auszahlung in die höchste Steuerprogression treiben. Hat er dann noch Arbeitseinkünfte, wird die Rendite von heute 5,5 bis sieben Prozent (je nach Gesellschaft) auf 3,5 bis fünf Prozent sinken.

Die Deutschen müssen sich dann neu orientieren: Laut Emnid zahlen 67 Prozent aller Bürger, die bereits etwas für ihr Alter zurückgelegt haben, das Geld in eine Lebensversicherung ein. "Häufig gibt es bessere Alternativen", erklärt Dietmar Vogelsang, Sachverständigen für private Finanzplanung. Als ersten Schritt rät der Finanz-Profi seinen Klienten immer zu einer Bestandsaufnahme: "Wo stehe ich heute finanziell? Welches Vermögen möchte ich bis zum Ruhestand aufbauen? Welche Mittel kann ich dafür freimachen?" Im zweiten Schritt prüft Vogelsang dann, welche Produkte zu den Vorgaben passen. Besonders das Alter spielt bei den Überlegungen eine wichtige Rolle. Die 30- bis 45-Jährigen verfügen dabei allerdings über das wertvollste Kapital bei der Altersvorsorge: Zeit.

Dieses Kapital können sie am besten bei einer Aktienanlage einsetzen. Aktien erzielen im Schnitt zweistellige Renditen. Sie schwanken zwar auch stark in ihrem Wert, doch das ist für Vorsorge mit einem Aktienfonds-Sparplan sogar vorteilhaft. Sind die Kurse niedrig, gibt es besonders viele Anteile zum günstigen Preis, sind sie hoch, besonders wenige zum teuren Preis. So erreichen die Anleger beim Kauf automatisch einen besonders günstigen Durchschnittspreis - die beste Basis für eine hohe Rendite.

Die klassischen Vorsorgeprodukte Kapital-Lebensversicherung und private Rentenversicherung dürfen dagegen maximal 30 Prozent der Buchwerte in die renditestarken Aktien investieren. "Sie sind außerdem oft nicht flexibel genug", weiß der Sachverständige Vogelsang. Während Fonds-Sparpläne jederzeit zum Börsenwert versilbert werden können, verlieren die Versicherten bei einem vorzeitigen Ausstieg immer: Sie zahlen die Abschlusskosten für die Beiträge der gesamten Laufzeit meist in den ersten drei Jahren und erhalten diese auch nicht anteilig zurück. Besser ist es deshalb, mit Aktienfonds anzusparen und später zu entscheiden, ob das Fonds-Guthaben in eine sofort beginnende Police mit lebenslanger Rentenzahlung fließen soll oder ein Auszahlplan attraktiver ist. Nur Selbstständige und Beamte, die ihre Vorsorge-Höchstbeträge nicht ausgeschöpft haben, sollten den Abschluss einer Rentenversicherung erwägen.

Arbeitnehmer haben ihre Vorsorgebeträge meist ohnehin schon über die Sozialversicherungen ausgeschöpft und sollten deshalb auf jeden Fall Fonds-Sparpläne vorziehen. Sie sollten dabei jedoch auf einen hohen Aktienanteil und eine europäische oder besser noch internationale Ausrichtung achten. Strikt meiden sollten sie fragwürdige Kombinations-Produkte. "Die Göttinger Gruppe verbindet zum Beispiel eine Anlage in den Sun Life American Growth Fund mit ihrer SecuRente", beobachtet Ursula Dolscius vom Deutschen Finanzdienstleistungs-Informationszentrum. "Die SecuRente ist ein hochriskanter Beteiligungs-Sparplan und für eine sichere Altersvorsorge kaum geeignet." Vorsicht ist auch bei allen anderen Sparplänen angebracht, die in nicht-börsennotierte Unternehmensbeteiligungen oder Immobilienanlagen investieren. "Alle Ansparpläne dieser Art, die wir bisher gesehen haben, weisen gravierende Nachteile, wie zu hohe Kosten oder ein zu hohes Risiko, auf", warnt Dolcius Kollege Wilfried Tator. Völlig problemlos sind aber auch die von unabhängigen Beratern empfohlenen Fonds-Sparpläne nicht. So müssen die Anleger darauf achten, rechtzeitig in weniger schwankungsanfällige Anlagen wie Anleihen- oder offene Immobilienfonds umzuschichten. Sonst kann ein Rückschlag an der Börse kurz vor dem Ruhestand das Vermögen schrumpfen lassen.

Diese Arbeit nehmen die Investmentgesellschaften ihren Kunden bei vielen Vorsorgeplänen ab. Zwei Systeme stehen zur Auswahl: Wer risikofreudig ist und nur einen vergleichsweise geringen Teil seiner Alterseinkünfte aus dem Fonds-Guthaben beziehen will, lässt erst wenige Jahre vor dem Ausstieg aus dem Arbeitsleben umschichten. Wer dagegen mehr Wert auf Sicherheit legt oder den größten Teil seiner Einkünfte im Ruhestand aus den Fonds beziehen will, sollte ein System mit laufender Umschichtung wählen.

Die Kölner Oppenheim-Gruppe hat für ein solches System die optimale Umschichtung ermittelt. Einem 30-jährigen Angestellten ohne besonderes Vermögen rät die Privatbank beispielsweise zu einem Aktienanteil von 84 Prozent, der dann Jahr für Jahr abnimmt, bis er mit 65 Jahren 40 Prozent erreicht. "Ein 30-jähriger Beamter sollte sogar mit 100 Prozent starten, da er seinen Arbeitsplatz nicht verlieren kann und beim Gehalt meist nicht so starke Steigerungen erzielt wie ein Angestellter in der Privatwirtschaft", erläutert Thomas Ebertz, unter dessen Führung das System entwickelt wurde.

Viele Fonds-Policen zu teuer

Welches System die Anleger auch wählen - das Risiko, vor dem Ruhestand aus körperlichen Gründen nicht mehr arbeiten zu können, müssen sie stets separat über eine Berufsunfähigkeits-Police absichern. Wer andere Menschen mit seinem Einkommen versorgt, braucht außerdem auch noch eine Risiko-Lebensversicherung. Eine Kapital-Lebensversicherung ist für beides nicht nötig. Nur die 50- bis 53-jährigen sollten prüfen, ob sie eine solche Police noch vor dem Steuer-Stichtag abschließen sollten. Das kann sinnvoll sein, wenn sie noch keine derartige Versicherung besitzen oder die Ablaufleistung zu gering ist. Für 30- bis 50-Jährige, die bis zur Gesetzesänderung noch Steuervorteile nutzen wollen, kann eine fondsgebundene Lebensversicherung attraktiv sein. Dabei wird ein Fonds-Sparplan mit kombinierter Risiko-Lebensversicherung abgeschlossen, dessen Erträge steuerfrei sind, wenn die Police die dafür üblichen Voraussetzungen erfüllt: mindestens zwölf Jahre Laufzeit, mindesten fünf Jahre Beitragszahlung, mindestens 60 Prozent der Beitragssumme als Todesfallschutz. Allerdings haben die Fonds-Policen fast immer einen Haken. "Die meisten Angebote weisen eine hohe Kostenbelastung auf", kritisiert Gutachter Vogelsang.

Das Urteil des Sachverständigen trifft für mehr als 90 Prozent des Marktes zu. Ein Produkt glänzt allerdings durch niedrige Kosten und ein gutes Fonds-Angebot: die Wertpapier-Police der Cosmos. Kann der Direktversicherer seine Leistungen einhalten, kostet einen 35-Jährigen die Fonds-Police nicht mehr als der bei Aktienfonds übliche Ausgabeaufschlag von fünf bis sechs Prozent.

Unter den 26 Fonds, die zur Auswahl stehen, sind auch bewährte Aktien-Allrounder wie der Templeton Growth, der Akkumula von DWS und der Metzler Wachstum International sowie Regionenfonds wie Fleming Pacific, Fleming Eastern European, Julius Baer Europe, DWS Investa und DWS Provesta. Für die Sicherung der Gewinne stehen ein offener Immobilien- und mehrere Anleihefonds zur Verfügung. Jeder Fonds-Tausch kostet pauschal 50 Mark. Größter Nachteil: Die eingerechneten Überschüsse können entfallen, wenn die Kosten höher sind als erwartet. Leider nennt Cosmos die Höhe der kalkulierten Überschüsse nicht. Deshalb sollte nur ein Teil der Vorsorge über die Police laufen. Über einen zusätzlichen direkten Sparplan können Anleger dann in andere Top-Fonds investieren: Läuft diese Anlage besser, lassen sie sich das Fonds-Guthaben auszahlen und hören einfach früher mit der Arbeit auf.

Ulrich Buchholz

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