zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Zentralbank will bald die Zinsen erhöhen

Schritt für Anfang Dezember erwartet / Börse robust

Berlin - Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, hat die erste Zinserhöhung der EZB seit gut fünf Jahren angekündigt. „Nach zweieinhalb Jahren historisch niedriger Zinsen denke ich, dass der Rat bereit ist, die Entscheidung zu treffen, die Zinsen zu ändern und das gegenwärtige Zinsniveau leicht anzuheben“, kündigte Trichet überraschend am Freitag auf einem Bankenkongress in Frankfurt am Main an.

Die EZB wolle damit das Vertrauen in die Preisstabilität aufrechterhalten, sagte Trichet. Eine Anhebung des seit Juni 2003 unverändert bei 2,0 Prozent stabilen Leitzinses würde zwar einen Teil der für die Wirtschaft günstigen Umstände beseitigen. Die Geldpolitik werde aber weiterhin zu Wachstum und mehr Beschäftigung in der Eurozone beitragen, versicherte Trichet.

Hebt die EZB die Zinsen an, werden Kredite für Unternehmen und auch Privatpersonen teurer. Manche Experten und Politiker befürchten, dass eine Zinserhöhung das Wirtschaftswachstum bremsen könnte. Die EZB achtet jedoch vor allem darauf, dass die Inflationsrate niedrig bleibt. Schon mehrmals hatte Trichet in den vergangenen Monaten darauf hingewiesen, dass die Wahrung der Preisstabilität womöglich eine Zinserhöhung erfordere. Die Inflation in der Euro-Zone lag im Oktober bei 2,5 Prozent – Preisstabilität sieht die Bank bis etwa zwei Prozent gesichert. An den Finanzmärkten wurde zunehmend auf die nächste Ratssitzung am 1. Dezember als Termin für die Erhöhung gesetzt. Zuletzt war aber noch unklar, ob die Währungshüter nicht doch noch einige Monate abwarten würden, bis sich die Konjunktur gebessert hätte. Experten gehen von einer Anhebung um 0,25 Prozentpunkte aus.

Auf den Finanzmärkten reagierten Anleihen mit starken Kursverlusten auf Trichets Worte, der Euro legte deutlich auf 1,1748 Dollar zu. Obwohl die EZB schon lange vor Inflationsgefahren warnt, die vom hohen Ölpreis und der hohen Geldversorgung der Wirtschaft ausgehen, war der Zeitpunkt einer Zinserhöhung noch immer ungewiss. Mit Trichets Aussage sei eine Zinserhöhung im Dezember „damit fast sicher“, sagte Michael Schubert, Volkswirt von der Commerzbank.

Die deutschen Aktien haben am Freitag unter dem Eindruck steigender Kurse an den Weltbörsen in New York und Tokio kräftig an Wert gewonnen. Der Dax stieg um 0,47 Prozent auf 5123,5 Punkte und notierte damit so hoch wie seit April 2002 nicht mehr. In New York war der Nasdaq-Composite am Donnerstag auf das höchste Niveau seit Juni 2001 geklettert. Auch der Nikkei-Index, der mit einem Plus von 1,5 Prozent auf den höchsten Stand seit Dezember 2000 kletterte, stützte den Dax.

Experten erwarten, dass sich die positive Entwicklung in den kommenden Monaten trotz einer möglichen Zinserhöhung fortsetzen wird. „Die Jahresendrallye läuft schon“, sagte Frank Geilfuß vom Bankhaus Löbbecke dem Tagesspiegel. Grund dafür sei vor allem die noch zu niedrige Bewertung der Aktien angesichts der guten Unternehmensgewinne. „Die amerikanischen und die europäischen Unternehmen haben in der Mehrheit besser abgeschnitten als erwartet“, sagte Geilfuß. Die Berichtssaison für das dritte Quartal ist gerade zu Ende gegangen. In Deutschland legte mit Infineon am Freitag das letzte Dax-Unternehmen seine Zahlen vor (siehe Seite 17) . Geilfuß zufolge gibt es derzeit eine „fundamentale Unterbewertung der Märkte“. Im Jahr 2000 habe der Dax bei 8000 Punkten gelegen und die Unternehmensgewinne der Unternehmen seien schlechter ausgefallen als in diesem Jahr. Geilfuß sieht in den nächsten Wochen noch Potenzial. Der Dax könnte bis zum Jahresende über 5300 Punkte steigen.

Auch Robert Halver von Vontobel Asset Management ist optimistisch. „Ich rechne mit einer hohen Jahresendrallye“, sagte er. Neben den unterbewerteten Aktien gibt er als Grund den Abwärtstrend am Rentenmarkt an. Die institutionellen Anleger würden deshalb ihre Anlagen in Aktien umschichten, sagte Halver. Trotz der wahrscheinlichen Zinserhöhung werde der Dax weiter steigen. Der Zinsschritt sei bereits eingepreist und würde nur moderat ausfallen.

Flora Wisdorff

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false