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Eine Fracking-Anlage in Kalifornien. Viele Regionen profitieren wirtschaftlich von der Technologie.

© David McNew/Getty Images/AFP

Zerstrittene US-Demokraten: Die Debatte um Fracking könnte den Super-Tuesday entscheiden

Die strittige Erdöl-Fördertechnik spaltet die USA - und die Demokraten. Der Ruf nach einem Verbot könnte Bernie Sanders zahlreiche Stimmen kosten.

Nirgendwo in den USA wird mehr Öl und Gas gefördert, als in Texas. Der seit Anfang der 2000er Jahre anhaltende Fracking Boom bringt Wohlstand in den Bundesstaat am Golf von Mexiko, nicht zuletzt durch Flüssiggasexporte nach Europa und Asien. Dennoch hat die Industrie nicht nur Freunde. Betroffene Anwohner, Umweltschützer und Landbesitzer haben den Öl- und Gasfirmen den Kampf angesagt und führende demokratische Präsidentschaftsbewerber fordern gar ein umfassendes Fracking-Verbot.

Bei den US-Vorwahlen am heutigen „Super Tuesday“ geben Demokraten in gleich 14 Bundestaaten ihre Stimme ab – darunter Kalifornien und Texas – und es könnte es eine Vorentscheidung darüber geben, wer Präsident Donald Trump im November herausfordern wird. Gerade in Texas dürfte der Ruf nach einem Fracking-Verbot den führenden Kandidaten Bernie Sanders allerdings wertvolle Stimmen kosten.

Wie Fracking eine Region belebt

Robert Gamboa macht sich keine Sorgen um seine Gesundheit oder das Klima. Er ist der Besitzer des Coyanosa Food Center, ein kleiner Lebensmittelladen an der Landstraße 1776 im West Texanischen Niemandsland. Eigentlich ist Coyanosa nicht mehr als eine unbedeutende Ansammlung von Häusern und Wohnwagen mitten in der Wüste. Doch seit Mitte der 2000er Jahre hat der Fracking Boom die Gegend fest in seiner Hand.

Ein Netz aus hunderten Gaspipelines in einem der aktivsten Erdöl- und Gasfördergebiete der Welt, dem Permian Basin, kommt genau hier zu seinem Knotenpunkt zusammen – dem sogenannten Waha-Hub. Von hier wird das Erdgas entweder nach Mexiko exportiert, oder an die Küste geliefert, wo es verflüssigt und per Schiff nach Europa oder Asien gebracht wird. Dazu kommt ein schier endlos wirkender Strom von LKW und Pickup Trucks, die rund um die Uhr nahe gelegene Bohrlöcher mit Wasser, Sand und Chemikalien beliefern. Und natürlich die Arbeiter, die aus allen Landesteilen kommen und während sie hier sind in sogenannten Man Camps leben – provisorische Trailer Parks.

„Wir sind froh, sie hier zu haben,“ sagt Gamboa. Früher sei das hier alles mal Ackerland gewesen. Heute stehen die Öl-Arbeiter schon früh morgens Schlange, um in seinem Laden ein Frühstück zu bekommen. „Uns geht es gut mit dem Ölboom. 50 Jahre lang haben wir kein Geld verdient, aber jetzt tun wir es. Wir haben Jobs, wir haben alles, was man zum Leben braucht.“ Gamboa schreibt die gute Lage dem derzeitigen Präsidenten zu. „Donald Trump ist dafür verantwortlich. Er hat das hier alles möglich gemacht und ich finde das wundervoll.“

Im November wählen die Amerikaner erneut und Gamboa hofft auf weitere vier Jahre Amtszeit. „Ich hoffe Trump schafft es. Ich habe beim letzten Mal für ihn gestimmt und werde es wieder tun.“

Wie Fracking die Gesundheit beeinträchtigt

Jim Franklin sieht das ganz anders. „Ich würde eher den Teufel höchstpersönlich wählen, bevor ich bei Trump mein Kreuz mache.“ Zusammen mit seiner Frau Sue lebte Jim keine 50 Kilometer Luftlinie von Coyanosa entfernt, als ab Mitte der 2010er Jahre Ölfirmen ein Bohrloch nach dem anderen in der Nachbarschaft errichten. Die beiden bekamen Atemprobleme und Kopfschmerzen, konnten aber nicht beweisen, dass das Fracking direkt vor ihrer Haustür die Ursache war.

„Als wir wegzogen, waren allerdings auch die Gesundheitsprobleme weg,“ erzählt Sue. Eine der Firmen machte den beiden schließlich ein Angebot für ihr Land und 2019 zogen sie ins nahe gelegene Fort Davis in den Bergen. Dort betreiben sie einen ihrer zwei „Rock Shops“, in dem sie für Touristen Steine zu Schmuck machen. Jim und Sue sind Anhänger der Demokraten, und damit wohl in der Minderheit hier in der Gegend, sagen sie.

Die Partei sucht derzeit einen Spitzenkandidaten um bei den Präsidentschaftswahlen im November eine zweite Amtszeit Donald Trumps zu verhindern. An „Super Tuesday“ am 3. März – dem wohl wichtigsten Tag der demokratischen Vorwahlen – könnte eine Vorentscheidung fallen. In gleich 14 Bundesstaaten wird über mehr als ein Drittel der Delegierten entschieden, die im Juli den Kandidaten offiziell küren sollen. Neben Dauerthemen wie Gesundheitsvorsorge und Jobs steht der Übergang zu einer klimaschonenden Wirtschaft im Vordergrund des Wahlkampfes.

Öl- und Gasindustrie im Fokus des Wahlkampfs

Das zeigt auch eine kürzlich erschienene Umfrage des Pew Research Center. 78 Prozent der Demokraten sagten Klimaschutz sollte ein Topthema für die Regierung sein und sogar 85 Prozent nannten Umweltpolitik.

Speziell die Öl- und Gasindustrie ist dabei ins Visier derjenigen Kandidaten geraten, die ein umfassendes Verbot von „Hydraulic Fracturing“ fordern – der als Fracking bekannten und umstrittenen Technik zur Öl- und Gasförderung. Dabei wird eine Mischung aus Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck in Gesteinsschichten gepresst, um den Ertrag zu erhöhen.

Auch in Texas wird am Super Tuesday gewählt. Hier geht es immerhin um die drittgrößte Gruppe Delegierte nach Kalifornien und New York. Die USA sind der weltgrößte Öl- und Gasproduzent, noch vor Saudi Arabien und Russland, und Texas trägt mit rund 40 Prozent des Öls und 25 Prozent des Gases den Löwenanteil bei. Das alles dank des Frackingbooms.

Umweltauswirkungen von Fracking

Im Januar brachte der bei vielen als Favorit geltende US-Senator Bernie Sanders einen Gesetzentwurf ein, um die Technologie schrittweise zu verbieten. Der Text prangert neben anderen Umweltauswirkungen vor allem die hohen Emissionen an. Einerseits entweicht bei Produktion und Transport Methan – der Hauptbestandteil von Erdgas und als Treibhausgas um ein Vielfaches stärker als CO2. Anderseits kommt das Gas in vielen Fördergebieten aus denselben Bohrlöchern wie Erdöl. Häufig ist die nötige Speicher- und Transportinfrastruktur noch nicht vorhanden, und das Begleitgas wird schlicht abgefackelt („flaring“), um die sehr viel lukrativere Ölförderung nicht aufzuhalten.

So auch dort, wo Jim und Sue Franklin bis 2019 lebten. „Vorher konnten wir nachts in kompletter Dunkelheit auf die Veranda gehen und die Sterne beobachten,“ so Sue. Spätestens aber als gegenüber von ihrem Grundstück eine Fackel unablässig brannte, „wurde die Nacht zum Tag.“

Bernie Sanders fordert ein Verbot von Fracking.
Bernie Sanders fordert ein Verbot von Fracking.

© dpa

Gesundheit und Lichtverschmutzung sind in ihren Augen nicht die einzigen Probleme. Das Ehepaar unterstützt die Forderung nach einem Fracking-Verbot auch wegen des Klimas. Klimaschutz, so Jim, ist für ihn nach Gesundheitsfürsorge das wichtigste Thema im Wahlkampf. Er hofft deshalb, dass Elizabeth Warren oder Bernie Sanders die demokratische Nominierung gewinnen.

Jüngst verteidigte Sanders in einem TV-Duell in Las Vegas seine Forderung. „Wissenschaftler sagen uns, dass nicht nur in Nevada, in Vermont oder Massachusetts irreparable Schäden entstehen werden, wenn wir nicht innerhalb der nächsten sechs, sieben Jahre unglaublich mutig handeln.“ Das sei seine Botschaft an Öl- und Gasarbeiter, die ihren Job durch ein Fracking-Verbot in Gefahr sehen.

Moderate demokratische Kandidaten mit Vorteil in Texas

Genau diese Botschaft könnte Sanders in Staaten wie Texas allerdings wertvolle Stimmen kosten. Unternehmen und Lobbygruppen wie das führende American Petroleum Institute sehen darin eine Bedrohung für die Wirtschaft und investieren Millionen Dollar in eine Werbekampagne, um „ihre Geschichte“ zu erzählen.

„Durch Überflutungen der Küstenregionen wird der Klimawandel zwar auch hier in Texas ein immer wichtigeres Thema,“ sagt Mark Jones, Politikwissenschaftler an der Texanischen Rice University. Allerdings hängt der Wohlstand einiger Regionen direkt oder indirekt von der Öl- und Gasindustrie ab.

„Demokraten in Texas wissen, dass eine Sanders-Präsidentschaft katastrophale Auswirkungen auf das wirtschaftliche Wohlergehen der Menschen in ihrer Region haben könnte,“ so Jones. Der Fokus auf Klimaschutz wird Kandidaten wie ihm „im Großen und Ganzen eher schaden,“ so Jones. In vielen Regionen Texas‘ ist der Erdölsektor die größte Quelle an Jobs und Einnahmen, die wiederum einen Großteil des Bildungssystems finanzieren.

Greta Thunberg im September 2019 in Washington. Klimaschutz spielt im US-Wahlkampf aber eine untergeordnete Rolle.
Greta Thunberg im September 2019 in Washington. Klimaschutz spielt im US-Wahlkampf aber eine untergeordnete Rolle.

© Lena Klimkeit/dpa

Trey Gerfers sieht es ähnlich. Der 50-Jährige Übersetzer lebt in Marfa, eine halbe Stunde südlich von Jim und Sue Franklin. In der kleinen Künstlerstadt engagiert er sich seit einigen Jahren für Umweltthemen. Als Vorsitzender des Presidio County Underground Water Conversation District sieht er vor allem den Wasser- und Landbedarf der Öl- und Gasindustrie kritisch, aber auch die Emissionen machen ihm Sorgen. Einige in der Gegend teilten zwar diese Sorgen, so Gerfers, aber nicht öffentlich. „Sie wollen einfach ihre großen Trucks fahren und die Klimaanlage in ihren Häusern laufen lassen.“

„Es gibt eine Menge reicher Texaner wegen des Öls. In dem Moment wo Du die Förderung mit dem Hinweis aufs Klima in Frage stellst, sprichst Du nicht mehr ihre Sprache,“ sagt Gerfers. „Man muss das mit etwas verbinden, was ihnen wichtig ist.“ Zum Beispiel wie der Wasserverbrauch und Infrastrukturbau die Landschaft zerstört, auch in Naturschutzgebieten wie dem nahe gelegenen Big Bend National Park, so Gerfers.

Kaum eine Chance gegen Trump

Die Trump Regierung selbst hat keine Pläne Fracking einzuschränken. Energieminister Dan Brouillette lobt gegenüber dem US Fernsehsender CNBC die durch den Boom gefallenen Preise und sieht kein Problem fürs Klima. Im Gegenteil. „Man kann auch argumentieren, dass Erdgas dabei hilft, weltweit CO2-intensivere Energiequellen zu verdrängen,“ so Brouillette.

Für die eigenen Anhänger ist Klimaschutz ohnehin kein Topthema. Die Umfrage des Pew Research Center zeigt, dass nur 21 Prozent der Republikaner diesen als ein wichtiges Problem ansehen, um das sich die Regierung kümmern sollte. Weitaus wichtiger werden Terrorismus (87%), die Wirtschaft im Allgemeinen (74%) und Immigration (73%) eingeschätzt.

Egal wer demokratischer Spitzenkandidat wird, Trump gewinnt Texas so oder so, sagt Politologe Jones. „Wir sind nach wie vor ein republikanischer Bundesstaat.“ Die Frage sei nur, ob Trump mit 5-10 Prozentpunkten Vorsprung siegt – gegen einen moderaten wie den ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden – oder mit mehr, was bei Sanders der Fall sei. In den Förderregionen selbst wird der Abstand größer sein, so Jones. „Donald Trump wird in den Erdöl- und Erdgasregionen sehr gut abschneiden und das gerade weil demokratische Gegner wie Bernie Sanders diesen Regionen ihre Grundlage nehmen und Fracking verbieten wollen.“

 Eine Wahl, über die kein Wähler etwas weiß

Während die demokratischen Präsidentschaftsvorwahlen schon Wochen vor Super Tuesday ein großen Thema in regionalen und landesweiten Debatten sind, bleibt eine andere Wahl in Texas fast unbeachtet, obwohl auch sie für den globalen Klimawandel entscheidend sein könnte.

Ebenfalls am 3. März bestimmen demokratische Wähler, wer den Republikaner Ryan Sitton im November als einen von drei Kommissaren der Texas Railroad Commission (RRC) herausfordern soll.

„Die RRC hat nichts mit Zügen zu tun,“ sagt Chrysta Castañeda, die wohl aussichtsreichste der vier Bewerberinnen und Bewerber der Demokraten. „Vielmehr ist sie die Regulierungsbehörde der Öl- und Gasindustrie in Texas.“ Die Kommissare haben damit die Aufsicht in Bezug auf Umweltthemen, Sicherheit bei der Produktion und sie ist dafür zuständig, die natürlichen Ressourcen zu schützen.

„Es ist eine sehr wichtige Position,“ sagt Politologe Jones. Allerdings hätten die meisten Wähler keine Ahnung, wofür die RRC zuständig ist oder wer die aktuellen Kommissare sind. Daher stimmen Anhänger der Republikaner und Demokraten in der Regel für ihren jeweiligen Kandidaten. „Ich gehe davon aus, dass Sitton gewinnen wird.“

Umweltschutz und Industrie miteinander versöhnen

Castañeda selbst spricht vom „wichtigsten Wahlkampf für die Umwelt in den USA in 2020“. Die Anwältin aus Dallas hat es auf Methanemissionen und das Problem des Abfackelns von Erdölbegleitgas abgesehen. Wenn Texas ein Land wäre, stünde es im Bezug auf die totale Menge des abgefackelten Erdgases im internationalen Vergleich an achter Stelle, sagt sie. In Anbetracht der UN Klimaberichte und des Versäumnisses der nationalen Regierung hier durchzugreifen müsse man auf staatlicher regulatorischer Ebene handeln. Das Gas könne man beispielsweise an Ort und Stelle in Strom umwandeln und diesen entweder am Bohrloch selbst verwenden, oder ins Netz einspeisen.

Castañeda hofft, mit ihrer Schwerpunktsetzung an Super Tuesday eine Mehrheit der Stimmen zu bekommen. Sie stellt in der Texanischen Wählerschaft insgesamt Öffnung zu Umweltbewusstsein und Akzeptanz der Realität des Klimawandels fest. Dennoch ist sie selbst weit von den Einstellungen vieler Klimaschützer und demokratischen Präsidentschaftskandidaten wie Sanders entfernt. Vielmehr hat sie den Anspruch, Umweltschutz und die Industrie miteinander zu versöhnen.

Die Forderung nach einem sofortigen Fracking-Verbot unterstützt Castañeda nicht. Einfach Slogans verbreiten helfe nicht weiter. „Wir leben schon lange mit der Realität, die Öl- und Gasinfrastruktur in Texas um uns zu haben. Wenn morgen plötzlich jede Ölfirma von der Erdoberfläche verschwinden würde, gäbe es einen ökologischen Zusammenbruch.“ Anders als Sanders hält sie Erdgas für eine Brückenressource hin zu einer saubereren, grüneren Zukunft. „Wenn wir weltweit in anderen Ländern Kohlestrom durch Erdgas ersetzen, dann ist das schon eine sehr große Verbesserung gegenüber der heutigen Situation.“
Julian Wettengel ist Staff Correspondent beim Clean Energy Wire. Die Recherche für diesen Artikel wurde durch Förderung des American Council on Germany unterstützt.

Julian Wettengel

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