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Gequältes Lächeln: Air-Berlin-Chef Mehdorn.

© dpa

Zinslast: Air Berlin muss frisches Geld teuer bezahlen

Hohe 11,5 Prozent Zinsen bekommen Anleger für eine neue Air-Berlin-Anleihe – ein Indiz dafür, dass die Lage beim Unternehmen ernst ist. Die Fluggesellschaft hüllt sich in Schweigen.

Über Geld spricht man nicht, sagt der Volksmund. Insofern gibt man sich dieser Tage bei Air Berlin betont volksnah: „Zum Thema Anleihe ist alles gesagt“, erklärte Unternehmenssprecher Uwe Berlinghoff dem Tagesspiegel am Dienstag – dem ersten Tag, an dem die neue Anleihe an der Börse gehandelt wurde. Also sprechen Zahlen für sich? Die Anleihe pendelte am Ausgabekurs.

Vergangenen Mittwoch hatte die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft begonnen, eine Anleihe über 100 Millionen Euro mit drei Jahren Laufzeit zu platzieren. Am Freitag wurde das Orderbuch geschlossen, da mehr als genügend Interessenten zugegriffen hatten. Das dürfte an der ungewöhnlich hohen jährlichen Verzinsung von 11,5 Prozent liegen.

Die wiederum kann viele Gründe haben: Ein schwaches Marktumfeld in der Branche oder Probleme innerhalb des Unternehmens: Der neue Chef Hartmut Mehdorn hatte am Montag auf der Baustelle des neuen Berliner Großflughafens bei seinem ersten öffentlichen Auftritt als Airline-Chef eingeräumt: „Wir haben ein wirtschaftliches Problem“. Das hätten andere aber auch, relativierte er und verwies dann auf die Luftverkehrssteuer und hohe Treibstoffkosten: „Da kann man sich schon Sorgen machen.“ Die machen sich Anleger auch – mehr noch als bei Wettbewerbern. Der Kurs der Aktie ist seit Mehdorns Amtsantritt Anfang September von 2,81 Euro auf 2,56 Euro gesunken. Allerdings fiel das Lufthansa-Papier in dem Zeitraum ähnlich stark – auf 9,24 Euro am Dienstag.

Beide Airlines leiden unter Treibstoffkosten und der neuen Abgabe. Air Berlins Problem aber sind die Verbindlichkeiten. Die Nettofinanzschulden betrugen zum Ende des zweiten Quartals 346 Millionen Euro. Bei einem prognostizierten Gewinn von 9,5 Millionen Euro ist das ein großer Batzen.

Air Berlins Finanzvorstand Ulf Hüttmeyer hatte am vergangenen Freitag erklärt, dass man mit den am Markt eingenommenen 100 Millionen Euro die Voraussetzung zur Refinanzierung bestehender Verbindlichkeiten geschaffen habe. Konkret will die Gesellschaft mit dem Erlös eine 2007 ausgegebene Wandelanleihe über 220 Millionen Euro teilweise zurückkaufen – die war allerdings nur mit 1,5 Prozent verzinst. „Die Finanzierung erhöht die Flexibilität, aber auch die Zinskosten“, sagte Nils Machemehl von Equity Research vergangene Woche. Andere, von der Agentur Reuters befragte Experten schätzten, dass Air Berlins jährliche Zinskosten durch die Aktion um zehn bis zwölf Millionen Euro steigen.

Davon profitieren risikobereite Anleger. So werden Unternehmensanleihen von mittelständischen Firmen inzwischen in eigenen Börsensegmenten gehandelt. Marktführer ist vor Frankfurt, Düsseldorf und Hamburg die Börse Stuttgart mit dem Segment Bond-M, wo 20 Anleihen notiert sind – davon allein drei von Air Berlin. Seit dem Start von Bond-M im Mai 2010 hat Stuttgart nach eigenen Angaben Unternehmensanleihen mit einem Gesamtvolumen von mehr als 1,4 Milliarden Euro in das Mittelstandssegment aufgenommen.

Alle dort notierten Air-Berlin-Bonds fallen mit einer besonders hohen Verzinsung auf. Schon die im April dieses Jahres und im November 2010 emittierten Anleihen, die zusammen ein Volumen von 350 Millionen Euro haben, rentieren im oberen Bereich des Bond-M-Feldes: aktuell bei knapp 13 beziehungsweise 11,5 Prozent (bei Zinskupons von 8,25 und 8,5 Prozent). Mit einem Kupon von 11,5 Prozent ist die neuste gehandelte Anleihe die einzige im zweistelligen Prozentbereich. Mit einem Aufschlag von knapp 9,5 Prozent zum Referenzzinssatz der Banken (Euribor) muss sich Air Berlin – objektiv betrachtet – überdurchschnittlich teuer am Markt finanzieren.

Ob das ein hohes Ausfallrisiko reflektiert? Dazu möchte man bei Air Berlin nichts sagen. Anlageexperten geben zu bedenken, dass die Schuldtitel von Mittelständlern grundsätzlich ein höheres Risiko haben als Bonds großer, internationaler Konzerne. Darauf deuten auch die mäßigen bis schlechten Ratingnoten der Papiere im Stuttgarter Handel hin, die bis zu einer Creditreform-Note B für das Unternehmen 3W Power reichen, was einer Ausfallwahrscheinlichkeit von 20 Prozent in fünf Jahren entspricht. Auffallend: Keine der drei Air-Berlin-Anleihen verfügt über ein Rating. Warum? Auch dazu wollte der Sprecher nichts sagen.

Generell müssen Privatanleger wissen, dass Mittelstandsanleihen Schuldverschreibungen sind, die im Falle einer Insolvenz nicht mehr (oder nur zu einem kleinen Teil) bedient werden. Auch die Zinszahlungen werden dann ausgesetzt. Zugleich stürzen dann die Kurse der Bonds an der Börse ab, ein Verkauf ist nur noch mit hohem Verlust realisierbar.

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