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Wirtschaft: Zoff um Züge

Siemens und die Deutsche Bahn streiten mit immer härteren Bandagen.

Berlin - Angefangen hat alles mit einer schlichten Pressemitteilung. „Siemens sorgt für die zuverlässigsten Nahverkehrszüge in Großbritannien“, ließ der Konzern kürzlich wissen. Bei 99 Prozent liege der entsprechende Wert im täglichen Betrieb. So wie auf der Insel soll es nach dem Willen der Münchener auch in Berlin laufen, bei der S-Bahn. „Wir glauben, dass wir für die Passagiere eine höhere Fahrzeugverfügbarkeit hinbekommen werden“, sagte Johannes Emmelheinz, zuständiger Manager für die Zug-Instandhaltung. Noch hat die Deutsche Bahn in der Hauptstadt das Sagen. Ab 2017 will aber Siemens die Züge bauen und warten.

Dem Staatskonzern gefällt der Vorstoß natürlich gar nicht. „Das empfinde ich als ziemlich frech“, sagte am Montag Ulrich Homburg, im Bahn-Vorstand für Personenverkehr zuständig. „Ein Affront gegenüber unseren Mitarbeitern“ sei das, empörte er sich.

Es geht um eine Menge Geld. Siemens repariert in vielen anderen Ländern bereits Züge und will sich auch die lukrativen Aufträge für Berlin und das Ruhrgebiet sichern, die bald vergeben werden. Das verspricht dauerhafte, hohe Einnahmen. Die Autobranche verdient längst nicht nur mit dem Neuwagen-Verkauf gut, sondern auch mit dem Service. Der Bahn, die in ihren Werkstätten tausende Leute beschäftigt, fürchtet nun um ihr Geschäft.

„Da werden Zahlen in die Welt gesetzt, die durch nichts unterlegt sind“, kritisierte Homburg die von Siemens behauptete 99-prozentige Zuverlässigkeit. Auf einen solchen Wert komme kein von Siemens in Großbritannien betriebener Zug. Damit unterstellten die Münchener zudem, dass die Bahn ihr Material nicht ordentlich instand halte. Denn die Zahlen aus der Praxis hierzulande sind schlechter. „Das ist ein schmales Brett, auf dem man sich da bewegt“, urteilte Homburg.

Bei der Berliner S-Bahn-Krise vor vier Jahren hatte die Bahn indes Wartungsfehler selbst eingeräumt; wichtige Teile waren nicht rechtzeitig ausgetauscht worden. „Ich würde die S-Bahn nicht als Beispiel nehmen“, wandte Homburg ein. Die Konstruktionsmängel an den Zügen hätten deutlich schwerer gewogen.

Pikant ist der Streit, weil Siemens zugleich mit der Lieferung von ICE-Zügen für die Bahn im Verzug ist. 16 neue Exemplare sollten schon seit Ende 2011 fahren. Mittlerweile gibt es nicht einmal mehr einen festen Liefertermin. „Wenn die Versprechungen bezüglich der Qualität die Qualität der Lieferpläne haben, muss ich das nicht weiter kommentieren“, sagte Homburg. Und berichtete wieder von der entrüsteten Belegschaft. Die würde sagen: „Die Kollegen, die uns seit Jahren die Züge nicht liefern, behaupten, sie könnten es besser.“ Carsten Brönstrup

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