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Industrie-Idylle. Direkt am Ufer des Rheins steht in Duisburg das Thyssen-Krupp-Stahlwerk. Ohne die Befreiung von der EEG-Umlage wäre die Stahlproduktion hierzulande kaum noch rentabel. Foto: dpa

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Wirtschaft: Zu viel gefördert

Die EU-Kommission erhöht den Druck auf die deutsche Energiepolitik und vor allem das EEG.

EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia wollte eigentlich schon vor der Sommerpause sein Urteil fällen. In Brüssel gilt es jedoch als ein offenes Geheimnis, dass der Spanier auf Drängen seines deutschen Kollegen Günther Oettinger (CDU) gewartet hat – bis nach der Bundestagswahl. Für die noch amtierende Regierung ist die nun in den nächsten Wochen erwartete Beihilferechtsentscheidung nämlich durchaus pikant. Die oberste Wettbewerbsbehörde prüft derzeit, ob eine von der schwarz-gelben Koalition beschlossene Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes eine unzulässige Subventionierung der Schwerindustrie darstellt.

In seiner rot-grünen Ursprungsversion hatte das EEG den Brüsseler Marktwirtschaftstest bestanden, doch wollte die Regierung Merkel die energieintensiven, im globalen Wettbewerb stehenden Branchen von den Kosten der Energiewende entlasten und machte eine teilweise Befreiung von der EEG-Umlage möglich. Die beantragen nun immer mehr Firmen – nach 2055 im vergangenen Jahr sind es 2013 schon 2400. Was sie nicht zahlen, wird auf die anderen Stromverbraucher umgelegt.

Eine Verbraucherorganisation sowie mehrere kleinere Unternehmen aus Deutschland haben sich darüber nach Angaben der Kommission beschwert. Und nach Angaben aus der Brüsseler Behörde gilt es als sehr wahrscheinlich, dass der entsprechende Artikel 40 des EEG als nicht mit EU-Recht vereinbar gerügt werden wird. „Wenn man so viele Ausnahmen erlaubt“, sagt auch die Energieökonomin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, „stellt sich schon die Frage, ob das nicht eine Wettbewerbsverzerrung darstellt“. Sollte der Prüfung ein Beihilfeverfahren folgen, könnten die deutschen Unternehmen rückwirkend die eingesparten Millionenbeträge nachzahlen müssen.

Noch mehr Sprengkraft dürfte ein weiteres Papier aus dem Hause Almunia entfalten. „Wir planen eine öffentliche Konsultation zu neuen Energie- und Umweltschutzleitlinien“, teilt Almunias Sprecher mit. Dahinter verbirgt sich eine Art Gebrauchsanweisung dafür, wie die Behörde das Wettbewerbsrecht auslegt. Es geht somit um die Frage, welche Energieformen künftig unter welchen Bedingungen staatlich gefördert werden dürfen.

Die Förderkriterien müssen nach Ansicht der EU-Kommission strenger werden, wie aus einem Entwurf hervorgeht. Anders als in der Einführungsphase, so die Argumentation, sind die Erneuerbaren längst nicht mehr so teuer zu produzieren. Die Kommission erachtet die insgesamt 30 Milliarden Euro, mit denen die EU-Staaten im Jahr 2011 die Erneuerbaren förderten, daher als deutlich zu hoch: „Jede öffentliche Unterstützung muss zeitlich begrenzt sein“, heißt es in dem Papier: „Wo sie noch nötig ist, sollte sie auf ein Minimum beschränkt sein und den Marktpreis ergänzen und nicht ersetzen.“ Für den festen Einspeisetarif des deutschen EEG käme mit dieser Vorgabe das Aus. Höchstens ein Aufschlag auf den Börsenpreis käme dann noch in Betracht.

Wie die Ökostromförderung generell billiger werden kann – dazu hat die EU- Behörde weitreichende Vorstellungen entwickelt. In Artikel 122 des Leitlinienentwurfs ist als Voraussetzung für eine Subventionierung beispielsweise von einem „technologieneutralen Bieterverfahren“ die Rede. Was bedeutet das? Es würden nur jene Betreiber von Solar-, Wind- oder Biomasseanlage vom Staat finanziell unterstützt, die eine gewisse Energiemenge zum besten Preis produzieren.

Gegen diese Pläne läuft der Luxemburger Europaabgeordnete Claude Turmes von den Grünen Sturm. Er sieht darin den Versuch, großen Energiekonzernen Profit zuzuschanzen. Bisher wird in Deutschland jeder gefördert, der sich beispielsweise Solarzellen aufs Dach bauen lässt. Privatpersonen halten daher auch 39,7 Prozent aller erneuerbaren Kapazitäten in Deutschland, Landwirte 10,8 Prozent, während die vier großen Energieversorger RWE, Eon, Vattenfall und EnBW nur auf 6,5 Prozent kommen. „Brüssel bedroht diese Bürgerenergie“, kritisiert Turmes: „Einzelne Bürger oder auch kleine kommunale Erzeuger sind bei solchen Ausschreibungen de facto chancenlos und könnten höchstens als ,Unterzulieferer’ an RWE oder die EnBW liefern.“ Im Umfeld des deutschen EU-Kommissars Oettinger wiederum will man den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen, die Bürger nicht im Blick zu haben. Im jetzigen System „finanzieren die Mieter über den Strompreis die Fotovoltaik der Hausbesitzer“, heißt es dort: „Sozial gerecht ist das schon mal gar nicht.“

Die EU-Kommission forciert auch die weitere Integration des Energiebinnenmarktes, die einem Gipfelbeschluss von 2011 zufolge eigentlich schon 2014 vollendet werden soll. Der Bieterwettbewerb für Erneuerbare soll daher europaweit stattfinden. Das kommt Oettingers Mantra, wonach Windenergie vor allem im Norden und Solarkraft vorrangig in Südeuropa gefördert werden soll, sehr nah. Deutschland könnte in letzter Konsequenz Solarparks in Griechenland subventionieren. „Damit in einem anderen Mitgliedstaat produzierte Energie auf das nationale Erneuerbaren-Ziel angerechnet werden kann“, heißt es im Textentwurf, „müssen Kooperationsabkommen geschlossen werden“.

Das Ausland soll zudem bei einem zweiten Punkt ins Spiel kommen – den Kapazitätsmärkten. Weil der Wind nicht immer weht und die Sonne nicht immer scheint, schwankt die Produktionsmenge bei den Erneuerbaren. Um eine gewisse Grundlast zur Verfügung zu stellen, sind konventionelle Kraftwerke als Reserve notwendig, in die zu investieren aber nicht lohnt. „Das Problem haben wir, weil die Erneuerbaren so hoch subventioniert sind“, heißt es in der EU-Kommission: „Wir sind nicht der Meinung, dass man jetzt unbedingt Kohle und Gas subventionieren muss.“ In solche „Kapazitäten“ Steuergeld zu stecken, soll nur noch dann beihilferechtlich in Ordnung sein, wenn die nötigen Megawatt nicht aus dem Ausland beschafft werden können.

„Ich halte es gerade im Sinne der Systemstabilität für wichtig, dass Deutschland künftig stärker auf Kapazitäten im EU-Ausland zugreift und umgekehrt“, sagt auch Claudia Kemfert vom DIW. Von einer Ausschreibungspflicht und einer europaweiten Neuverteilung der Subventionen hält sie dagegen wenig: „Energiepolitik ist Sache der Mitgliedstaaten – Europa kann sie ihnen nicht aus der Hand nehmen.“ Die Bundesregierung teilt dagegen, so ein EU-Diplomat, „die Endvorstellung, dass dort produziert wird, wo es am günstigsten ist“.

Der Grünen-Politiker Turmes hat einen anderen Verdacht: „Es geht darum, das EEG zu begraben, während gleichzeitig die Atomenergie neu belebt werden soll.“ Tatsächlich taucht deren Subventionierung, nach Brüsseler Schätzungen rund 35 Milliarden Euro jährlich, erstmals in den Leitlinien auf. Während die Kommission argumentiert, damit würden deren Kosten im Vergleich zu denen für erneuerbare Energien transparenter, befürchtet Turmes, dass der Atomstrom neu legitimiert wird. Heißt es doch im Entwurfspapier zu den Kernkraftsubventionen, dass „die EU-Kommission nicht bezweifelt, dass sie einem gemeinsamen Ziel der EU dienen“.

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