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„Auto ist Heartware“, heißt es in der PS-Branche. Mit Emotionen und Visionen versuchen die Berliner Bewerber, die Automesse in die Stadt zu holen.

© Messe Berlin

Zukunft der Internationalen Autoausstellung: Berlins IAA-Bewerbung entscheidet sich zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor

Kurz vor der Entscheidung über den künftigen Standort der Internationalen Autoausstellung IAA: Berlin ist Favorit, München und Hamburg hoffen.

Kann Christo München retten? Wenn der fast 85-jährige Verpackungskünstler die BMW- Türme verschwinden lässt, dann wäre auch der größte Makel Münchens weg. Denn die Zentrale des Autoherstellers ist gut sichtbar vom Olympiagelände, wo der Outdoor-Bereich der neuen IAA vorgesehen ist. Für das Management von Mercedes und Audi eine bizarre Vorstellung: Hunderttausende Autofans kommen zur Autoschau im Schatten der BMW-Türme. Also das Gebäude verhüllen. Aber das erhöht ja noch – wir kennen das aus Berlin – die Sichtbarkeit.

Drei von sieben Städten sind übriggeblieben

Es bleibt also alles, wie es ist – und München hat wegen BMW bestenfalls Außenseiterchancen im Wettbewerb um die Internationale Autoausstellung, die im September 2021 zum ersten Mal seit Jahrzehnten nicht in Frankfurt am Main stattfinden wird. München, Hamburg und Berlin hatten eine erste Bewerbungsrunde mit sieben Städten überstanden. Am 3. März entscheidet der Vorstand des Verbandes der Autoindustrie, der die Messe veranstaltet, über den Standort.

Berlin hat die Präsentation Ende Januar gewonnen, und der Berliner Messechef Christian Göke kann den Vorsprung ins Ziel bringen, wenn er überzeugend auf zwei Fragen zu antworten weiß: Ist die Sicherheit der größten deutschen Messe im manchmal chaotischen Berlin gewährleistet? Es soll mittelständische Autozulieferer von der Schwäbischen Alb und in Niederbayern geben, die halten Berlin für Sin City. Und zweitens: Verdient der Autoverband VDA genügend Geld mit der neuen IAA, um seine Lobbyarbeit wie bislang maßgeblich mit den Erlösen der Messe zu finanzieren?

Autofanmeile auf Straße des 17. Juni

Wir können IAA und wir wollen IAA – das war die Kernbotschaft des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) bei der Präsentation des Berliner Konzeptes in der VDA-Zentrale vor vier Wochen. Göke erläuterte damals den Marketingleuten aus der Industrie die Großveranstaltungskompetenz der Stadt beziehungsweise der Messegesellschaft: Fanmeilen und Silvesterpartys auf der Straße des 17. Juni funktionieren reibungslos. Warum sollte das nicht auch bei dem Mobilitätsspektakel gelingen?

Die bekanntesten zwei Kilometer Deutschlands zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor spielen in Gökes IAA-Konzept eine Schlüsselrolle. Kanzlerin und Pop-Konzert zur IAA-Eröffnung vor dem Tor liefern die Bilder für die Welt. Hier sollen während der Messe junge Leute Spaß haben und Autos ausprobieren. Für die Millennials, also die um die Jahrtausendwende geborene Generation, „ist das Brandenburger Tor wichtiger als alles andere“, glaubt Göke. Die Autofanmeile vor dem Tor hat er als großes „Happening“ vor Augen: So wie sich hier im Sommer 2014 die Fußballweltmeister von Rio feiern ließen, so möchte Göke die Weltleitmesse der Autobranche am historischen Ort zelebrieren.

Innovationen durch Kooperationen

„Die neue IAA ist ein Konzept, mit der sich die austragende Stadt gemeinsam mit uns zu einer Smart City entwickeln soll“, beschreibt der VDA die Aufgabe. Auch deshalb sind Kooperationspartner Teil des Berliner Konzeptes: Die Energieversorger Vattenfall und Gasag gehören dazu, eine Start-up-Plattform mit ein paar Hunderttausend jungen Firmen in der Datenbank, die Kontakte zur Industrie vermittelt, die Influencer-Veranstaltung „Glow“, die Mobilitätsapp Jelbi und der Springer Verlag. „Innovationen entstehen durch Partnerschaften“, sagt Göke. Deshalb soll die neue IAA die Autohersteller mit den Zulieferern, mit Gründern und Tech-Konzernen zusammenbringen. Und mit der Politik. Einen Automotive Summit hat Göke im Kopf und schaut ausnahmsweise nach München: Was die Sicherheitskonferenz für die weltweite Außenpolitik sei, das könne die neue IAA für die Mobilitätpolitik in Ballungsräumen werden.

"Berlin ist Neuanfang"

Messen sind Marketingveranstaltungen und Messechefs in der Regel beredte Verkäufer. „Berlin ist Neuanfang. Ohne weiteren Kommunikationsbedarf. National und international“, argumentiert Göke. Er will mit der Berliner IAA die ganze Stadt einbeziehen und dabei zeigen, „wie zunehmende Autofeindlichkeit in Städten und hohe Wertschätzung des Pkws harmonisch in ein größeres System eingebunden werden können“.

Angeführt von Michael Müller präsentierte das Bewerbungsteam Ende Januar das Berliner Konzept beim VDA. Damals noch dabei: Jürgen Klinsmann.
Angeführt von Michael Müller präsentierte das Bewerbungsteam Ende Januar das Berliner Konzept beim VDA. Damals noch dabei: Jürgen Klinsmann.

© Davids

Sechs Tage soll die IAA dauern, das sind vier Tage weniger als bislang, aber dafür tritt sie großflächiger auf: Inmitten der Messehallen am Funkturm, wo die Autos zu sehen sind, will Göke im Sommergarten einen Offroad-Parcours aufbauen für die beliebten SUV. Die berühmte Avus neben dem Messegelände bietet sich an als „Heritage-Drive“ für Oldtimer, und auf dem Tempelhofer Feld ist das Elektroautorennen der Formel E vorgesehen. Berlin stellt also seine besten Plätze zur Verfügung und wirbt ganz nebenbei mit dem weichen Entertainmentfaktor der Großstadt: Göke hat den Autoverbandsleuten eine Schlange vor dem Club Berghain gezeigt. Dazu kommt die harte Infrastruktur: In Berlin stehen 147 000 Hotelbetten bereit, in München 80 000 und in Hamburg 68 000. Hotels in allen Kategorien sind ein wichtiger Punkt, denn Transport und Unterbringung kommt Aussteller in der Regel doppelt so teuer wie die eigentliche Standmiete. Womit wir beim Geld wären. Das Schwierigste zum Schluss.

München winkt mit Geld

In dieser Woche finden dazu die entscheidenden Gespräche in der VDA-Zentrale am Bebelplatz statt. Regierungschef Müller hat Göke gesagt, was er vom Land erwarten kann: keinen Cent. So hat sich auch der Hamburger Wirtschaftssenator geäußert: Aus dem Haushalt der Hansestadt gibt es nichts für die IAA. In Bayern dagegen schöpfen die Messemacher aus dem Vollen. Vor ein paar Tagen beschloss die Staatsregierung, 15 Millionen Euro für die IAA zur Verfügung zu stellen – sofern München den Zuschlag bekommt. Das Geld stammt aus dem 300 Millionen Euro großen Topf des „Zukunftsforum Automobil“, mit dem der Freistaat die Transformation der Autoindustrie fördert. „Bitte kommt nach München, wir wollen Euch hier“, appelliert Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) an die Autobosse.

Ramona Pop bleibt in Deckung

Solche warmen Worte hört man von der Berliner Wirtschaftssenatorin nicht; Ramona Pop schweigt vielmehr auffallend deutlich, seitdem ein Parteitag der Grünen Ende vergangenen Jahres gegen die IAA votierte. Das hat der Berliner Bewerbung bislang aber nicht geschadet.

Es hängt nun alles an den Rechenkünsten von Christian Göke, der dem Autoverband und gleichzeitig dem Eigentümer der Messegesellschaft, dem Land Berlin, darlegen muss, wie sich die neue IAA in der Hauptstadt nicht nur trägt, sondern auch noch Geld für den VDA abwirft. Um die 20 Millionen, so wird in der Branche kolportiert, hat der Autoverband bislang als Veranstalter der IAA kassiert.

München wäre – zumindest für die erste neue IAA im September 2021 – der profitabelste Ort. Aber welche Stadt hat das nachhaltigste Geschäftsmodell für die kommenden zehn Jahre? Natürlich Berlin, sagt Göke und träumt vom Sprung nach vorn: Mit der IAA wäre Berlin der größte deutsche Messeplatz mit noch mehr Ausstrahlung und Anziehungskraft. Das politische Zentrum des Landes erlebe auch deshalb wieder goldene 20er Jahre, weil „IAA is coming home“.

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