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Voll. Im Jahr 2050 werden zwei von drei Menschen in Städten leben.

© Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa

Zukunft der Mobilität: Mit dem eigenen Auto schaffen wir die Verkehrswende nicht

Politik und Industrie reden seit Jahren über die Notwendigkeit einer Mobilitätswende. Doch wohin wenden? Trotz der langen Diskussion fehlt es an Orientierung. Ein Kommentar.

Mobil sein wollen wir alle. Auf den Beinen, auf dem Rad, im Auto, im Zug oder im Flugzeug. Wer beweglich ist, hält auch den Kopf mobil. Wir genießen die Freiheit, den Standort zu wechseln, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen und zu erleben, neu zu denken. Im Alltag oder auf Reisen. Mobilität ist ein Menschheitstraum, den immer mehr von uns träumen. Dabei ist der Lebens- und Mobilitätsstil der Industrieländer für Millionen Menschen auf der Welt Vorbild und Lebensziel.

Leider fangen genau hier die Probleme an. Wollten alle so mobil sein wie wir, stünde der Globus bald im Stau. Zwei von drei Menschen werden im Jahr 2050 in Städten leben. Wer wollte ihnen verbieten, schnell, komfortabel und sicher unterwegs zu sein? Ein Blick in die überfüllten, verschmutzten Megacitys der Gegenwart lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Die Mobilität der Zukunft muss eine andere als die heutige sein. Mit dem eigenen Auto werden wir die Mobilitätswende jedenfalls nicht schaffen. Doch wohin wenden?

Alle reden mit, weil es um viel geht

Obwohl über diese Frage nicht erst seit gestern nachgedacht wird, fehlt die Orientierung. Verständigen kann man sich noch darauf, dass wir die natürlichen Ressourcen schonen, mehr teilen statt besitzen und digital vernetzt sein müssen, wenn uns nicht irgendwann die Luft zum Atmen ausgehen soll. Dann aber wird die Navigation unübersichtlich und kleinteilig. Denn alle reden mit, müssen ja mitreden – weil es um viel geht.

Nehmen wir die Autoindustrie, die es im Moment nicht ganz leicht hat. Nicht, weil ihre Geschäfte schlecht liefen. Die laufen sogar besser denn je. Sondern weil die Autobauer quasi für alles verantwortlich gemacht werden, was schief läuft beim Versuch, eine Mobilitätswende einzuleiten. Daran haben sie großen Anteil. Daimler-Chef Dieter Zetsche sagte auf der Hauptversammlung in Berlin: „Der Erfolg des Autos ist seine größte Herausforderung. Dieses Paradox zu lösen, ist unsere Aufgabe.“ Richtig erkannt. Bei der Aufgabenbewältigung allerdings verstrickt sich nicht nur Daimler, sondern die gesamte Branche in Widersprüche.

Die Autobranche verstrickt sich in Widersprüche

Den Diesel, den die Unternehmen selbst in Verruf gebracht haben, verkaufen sie uns als unverzichtbare Technologie zur Einhaltung von CO2-Grenzwerten. Die Elektromobilität, in die die Hersteller Milliarden investieren, finanzieren sie mit dem Verkauf von CO2-Killern: SUVs. Die Wertschöpfung, die sie durch Regulierung gefährdet sieht, lässt die Industrie an anderer Stelle brach liegen: bei der Produktion von Batteriezellen.

Bei denen, die die Produkte der Autoindustrie kaufen sollen, entsteht so eine Art Schleudertrauma. Drei Viertel der Deutschen haben Umfragen zufolge kein Vertrauen mehr in die deutsche Autoindustrie. Die kontert mit dem Argument, dass Autos ja nach wie vor gekauft würden wie verrückt, auch SUVs. Das stimmt. Es vernebelt aber die Tatsache, dass die Hersteller diese Nachfrage nach Kräften lenken. Mit Preisen, Rabatten, mit Marketing und politischem Lobbying.

Der Politik fehlt es an Durchsetzungswillen

Gerade an der Schnittstelle zur Politik wird deutlich, warum die Mobilitätswende noch nicht stattgefunden hat. Mangelt es der Industrie an Glaubwürdigkeit, so fehlt es der Politik an Durchsetzungswillen. Seit Jahrzehnten predigen Verkehrsminister, dass mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert werden sollte – passiert ist fast nichts. Seit nun fast zehn Jahren wird diskutiert, wie man mehr Elektroautos auf die Straße bekommt – gezündet hat die Förderung nicht. Lange galten ein niedriger Spritverbrauch und geringe CO2-Emissionen als politisch gewollter Maßstab für die Autoingenieure – bis Dieselgate eine fast hysterische NOx-Debatte auslöste.

Helfen würde, wenn die, die das Projekt Future Mobility steuern sollen (und könnten) – die Politik und die Industrie – nicht nur ein Ziel vor Augen hätten, sondern auch wüssten, wie man es erreicht. In die Zukunft kann niemand schauen. Aber Entscheidungen könnten getroffen werden – zukunftsweisende.

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