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Wirtschaft: Zum Abschied der „goldene Handschlag“

Ex-Mannesmann-Manager und Aufsichtsräte stehen wegen hoher Prämien im Zuge der Übernahme durch Vodafone vor Gericht. Künftig sollen aber auch ganz normale Arbeitnehmer Entschädigungen verlangen dürfen.

ABFINDUNGEN: WIE UNTERNEHMEN DEN RAUSSCHMISS VERSÜSSEN

Mit 140 Millionen Dollar Jahressalär hatte Richard Grasso den Bogen überspannt. Der Chef der wichtigsten Börse der Welt, der New York Stock Exchange, musste gehen. Doch selbst bei seinem unfreiwilligen Abgang macht Grasso Kasse: Acht Millionen Dollar stehen ihm vertraglich zu, wenn er „aus gutem Grund“ zurücktritt oder „ohne Grund“ entlassen wird. Kurz: Acht Millionen bekommt er in jedem Fall. Streit gibt es darum, ob sein Vertrag noch ausgezahlt wird. Schließlich geht es um mehr als 57 Millionen Dollar, und schließlich wurde Grasso gezwungen, zu kündigen. Grassos Maßlosigkeit ist ein Skandal an der Börse.

Der goldene Handschlag zum Abschied ist nicht nur in den USA umstritten. Das zeigt die Mannesmann-Affäre, die gerade ein gerichtliches Nachspiel nimmt. In allen Ländern sind dicke Abfindungen ein beliebtes Mittel, um Manager loszuwerden. Die haben Mehr-Jahres-Verträge in der Tasche. Wer diese vorzeitig auflösen will, muss viel Geld auf den Tisch legen. Die Vorstände sind in einer komfortablen Verhandlungsposition. Zumindest muss die Laufzeit der Verträge ausgezahlt werden, meist gibt es noch eine Abfindung obendrauf.

Beim ehemaligen Mannesmann-Chef Klaus Esser sah das so aus. Er kassierte 16,4 Millionen Euro, rund 2,5 Millionen davon für die restliche Vertragslaufzeit nach seinem Ausstieg. Der Großteil seines goldenen Handschlags war eine Belohnung für die enorme Wertsteigerung des Düsseldorfer Konzerns an der Börse. Essers Abschied löste heftige Debatten darüber aus, ob solche Summen noch angemessen sind. Das wird das Düsseldorfer Landgericht jetzt klären. Nach einem Bericht des Magazins „Der Spiegel“ ist Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der als Aufsichtsratsmitglied bei Mannesmann die Millionen-Prämien gebilligt hatte, vor dem Gericht mit dem Antrag gescheitert, Sachverständige zu der Höhe der Abfindungen zu hören. Die Ackermann-Anwälte hätten belegen wollen, dass die gezahlten Abfindungen an Esser angemessen waren, schreibt „Der Spiegel“. Nach Meinung des Landgerichts sei die Frage der Angemessenheit jedoch kein Gewohnheitsrecht, sondern die Beurteilung obliege allein dem Gericht. Was jedoch über dem gesamten Prozess schwebt, ist die Frage, ob mit den Millionen schweren Sonderzahlungen an Esser und andere Mannesmänner die Übernahme durch den britischen Mobilfunker Vodafone erkauft worden ist.

Der Fall Neukirchen

Etwas preiswerter stieg dagegen Deutschlands Chefsanierer Kajo Neukirchen bei MG Technologies aus, der früheren Metallgesellschaft. Neukirchen verabschiedete sich nach zehn Jahren mit einer Abfindung von 13,2 Millionen Euro, das entsprach der Restlaufzeit seines Vertrages. An sich wäre das nicht zu bemängeln. Nur: Neukirchen wurde gar nicht gefeuert, sondern zog per Kündigung selbst die Konsequenz aus dem Wechsel der MG-Großaktionärs, mit dem er sich verkracht hatte. Neukirchens goldener Handschlag forderte umgehend Protest bei Aktionärsschützern und Fondsmanagern heraus.

Regeln oder gar Grenzen für die Abfindung von Spitzenmanagern gibt es weder in Deutschland noch in anderen Ländern. „Da geht es manchmal zu wie auf einem Basar“, sagt ein Personalberater. Das kann sich bald ändern. Denn die Abzocker haben eine Debatte in Gang gebracht, die schon bald Beschränkungen zur Folge haben könnte. So schlug die britische Industrieministerin Patricia Hewitt jüngst vor, Bezüge und Abfindungen wenigstens bei Pleitefirmen zu deckeln. Auslöser war unter anderem der Chef des Pharmakonzerns Glaxo Smithkline, der sich seinen Rauswurf vorsorglich im Vertrag mit 28 Millionen Dollar absichern lassen wollte und an den Aktionären scheiterte.

In den Niederlanden wird auf Vorschlag von Morris Tabaksblat, dem ehemaligen Vorstandschef von Unilever, derzeit eine knallharte Regelung diskutiert: Vorstände sollen danach allenfalls zwei Vierjahresverträge bekommen können, Abfindungen aber maximal in Höhe eines Jahreseinkommens gezahlt werden.

So scharf sollte das Thema laut Christian Strenger, Aufsichtsrat der DWS Investment GmbH, in Deutschland nicht behandelt werden. Nach seiner Meinung reicht es, die hier zu Lande üblichen Vertragslaufzeiten von fünf auf drei Jahre zu reduzieren. Abfindungen selbst sollten nicht gedeckelt werden. Da die Vorstände bei Trennung schon einen Teil ihres Vertrages erfüllt haben, „kommen wir bei einer Regellaufzeit von drei Jahren an Abfindungen von einem Jahressalär schon recht nah heran“, sagte Strenger dem Tagesspiegel am Sonntag. Ziel aller Regelungen sollte aber auch sein, „nicht mehr die juristische Vertragslaufzeit, sondern die wirklichen langfristigen Verdienste der Vorstände zu honorieren.“ Gesetzliche Regeln sind bislang in Deutschland nicht geplant. Abfindungen sollen Bestandteil des freiwilligen Corporate Governance Kodex werden. Dieser Kodex regelt neuerdings auch die lange umstrittene Offenlegung von Vorstandsgehältern. Generell wünscht sich Strenger, Mitglied der Corporate Governance Kommission in Deutschland, mehr Transparenz beim goldenen Handschlag. Außergewöhnliche Zusatzdotierungen, die Strenger in Einzelfällen für durchaus begründbar hält, sollten künftig besser durch die Hauptversammlung genehmigt werden.

Das Thema Abfindungen beschäftigt aber nicht nur die Topmanager in Konzernen und Aktiengesellschaften. Auch Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen oder leitende Angestellte fragen sich, ob sie die wachsenden Risiken der Arbeitslosigkeit nicht durch Abfindungen auffangen könnten. Nur 20 bis 30 Prozent der Geschäftsführer und Vorstände haben nach den Erfahrungen von Arnulf Tänzer, Bereichsleiter bei der Beratungsfirma Kienbaum, Abfindungsvereinbarungen von vornherein in ihren Verträgen festgeschrieben. Das Interesse an solchen Regelungen nehme aber zu, vor allem bei älteren Managern.

Für Führungskräfte ohne Geschäftsführungsfunktionen ist der goldene Handschlag allenfalls ein leicht veredelter Abschied. Denn die Verträge dieser Mitarbeiter orientieren sich am gesetzlichen Kündigungsrecht. Und das trifft – bisher jedenfalls – keine Vorsorge für den Fall des Falles. Die rot-grüne Bundesregierung hat jedoch eine Novelle des Kündigungsschutzgesetzes vorgelegt, die am Freitag vom Bundestag beschlossen worden ist (siehe Kasten), am 1. Januar 2004 in Kraft treten soll und feste Abfindungssätze von einem halben Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr vorsieht. Völlig überflüssig, heißt es dazu beim Deutschen Gewerkschaftsbund DGB. Damit werde lediglich die Rechtsprechung in ein Gesetz gegossen. Für die Arbeitnehmer habe das nur Nachteile, weil der Verhandlungsspielraum für Abfindungen – nach oben, versteht sich – eingeschränkt werde.

Dieter Fockenbrock

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