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Die richtige Balance. Wer ständig von A nach B hetzt und den Kopf nicht frei bekommt vor lauter Arbeit, sollte vor allem eins: Innehalten. UInd keine Sorge, ein gesundes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben wieder zu finden, kann man lernen. Foto: fotolia

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Wirtschaft: Zur inneren Ruhe finden

Wer ständig unter Stress leidet, spürt das irgendwann auch am eigenen Körper. Seminare und Coachings können helfen, die Last abzuschütteln.

Warum fährt der Vordermann bloß so langsam, und schon wieder eine rote Ampel! Diese Gedanken gingen Marina Schulz früher ständig durch den Kopf, wenn sie wie so oft mit dem Auto von einem Termin zum anderen hetzte. Die 54-Jährige ist Geschäftsführerin einer mittelständischen Werbefirma und neben Buchhaltung und Personal auch für den Außendienst zuständig. „Ich stehe eigentlich immer unter Termindruck“, sagt sie. Oft ertappte sich Schulz dabei, wie sie ganz verkrampft am Lenkrad saß, oder gar nicht mehr wusste, wie sie genau von A nach B gekommen war. Weil sie den Stress und die Last endlich loswerden wollte, ließ sich die Geschäftsfrau von einem Coaching helfen. Die richtige Entscheidung, sagt sie heute. Denn nun wisse sie, wie sie aktiv gegen Stresssituationen vorgehen könne.

Wie die 54-Jährige erleben viele Berufstätige eine enorme Anspannung während der Arbeit. Gründe dafür sind zum Beispiel ein zu voller Terminkalender, Knatsch mit dem Chef oder Kollegen. Häufig wirkt sich die Belastung irgendwann auf das Privatleben aus. Dabei hängt es von jedem selbst ab, was als Stress empfunden wird. Das heißt, während der eine etwa bei einem Kalender voller Termine zu Höchstformen aufläuft, leidet der andere darunter und würde sich am liebsten verstecken.

An sich ist Stress etwas ganz normales, sagen Experten. Wichtig sei nur, dass nach den Phasen der Anspannung auch wieder eine Erholung eintrete. Wenn diese fehle, könne das Ganze zum Problem werden. Wer permanent Stressimpulsen ausgesetzt sei, spüre das früher oder später auch durch körperliche Symptome. Doch oft ist es schwierig, sich selbst aus einem Stress-Korsett zu befreien. Seminare und Coachings wollen Abhilfe schaffen. Angebote können zum Teil noch kurzfristig gebucht werden, damit der Energiespeicher nach der Sommerpause wieder voll getankt ist. Gerade bei der Wahl eines Coaches kommt es allerdings auf die Qualifikation des Trainers und den eigenen Geldbeutel an.

Grundsätzlich gilt es zwischen einem Seminar oder Kurs als Gruppenveranstaltung und einem Coaching als Einzelberatung zu unterscheiden. Wer sich dem Thema erst einmal langsam annähern will, entscheidet sich in der Regel zunächst für ein Seminar. Das ist nicht so teuer wie ein persönlicher Coach und gibt einen ersten grundlegenden Einblick in die Stressbekämpfung. Angebote lassen sich mit Suchworten wie „Seminar“ und „Anti-Stress“ oder „Work-Life-Balance“ im Internet leicht ausfindig machen. Auch in der Weiterbildungsdatenbank für Berlin und Brandenburg finden sich einige Einträge. Die Anbieter sind in der Regel private Unternehmen oder wie etwa im Fall der TrainerSocietät Berlin ein Zusammenschluss verschiedener Trainer.

Je größer der Leidensdruck ist und je persönlicher die Beratung sein soll, desto eher führt der Weg zu einem privaten Coaching. Hier gilt es allerdings genau hinzuschauen, denn die Berufsbezeichung „Coach“ ist nicht geschützt und ein privater Trainer kostet im Schnitt mindestens 100 Euro und bis zu 300 Euro pro Stunde – wobei eine Therapie meist aus fünf bis zehn Sitzungen besteht. Um nicht auf unseriöse Angebote hereinzufallen und den für sich passenden Anbieter zu finden, sollte man sich mindestens drei verschiedene Coaches anschauen, rät Christopher Rauen vom Vorstand des Deutschen Bundesverbands Coaching (DBVC). Schwarze Schafe seien dabei aber leicht zu enttarnen, wenn man auf die Qualifikation, Art der Verträge, Methoden und Referenzen schaue.

Ein seriöser Coach gibt zum Beispiel kein Erfolgsversprechen ab nach dem Motto „In nur drei Wochen sind sie geheilt“. Die Methoden sollten wissenschaftlich fundiert und mit renommierten Studien untermauert sein. Auch der Trainer selbst sollte eine entsprechende Ausbildung oder ein Studium vorweisen können. Um sich ein umfassendes Bild zu machen, gibt es in der Regel kostenlose Vorgespräche. „Ein Anbieter sollte hierbei auch anhand von Fallbeispielen erklären können, wie er arbeitet“, so Rauen.

So lässt sich außerdem herausfinden, ob die Chemie zwischen Klient und Trainer stimmt – eine wichtige Voraussetzung dafür, dass das Coaching am Ende zum Erfolg führt. Dahinter steht die Idee, dass ein guter Coach wie ein Sparringspartner fungiert. Er hält seinem Gegenüber mithilfe von Fragen einen Spiegel vor Augen, so dass der die eigenen Probleme und Schwachstellen erkennen kann. „Der Schlüssel zu jeder Veränderung ist ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, warum gerade was passiert“, erklärt Anti-Stress-Coach Günter Peters.

Nur wer auch die Signale seines Körpers beachte und weniger nur auf seinen Kopf höre, könne Stress abbauen. „Wir müssen unseren Auto-Piloten ausschalten, um mit dem nötigen Abstand eine Situation in Ruhe angehen zu können.“ Dazu zähle auch, sich regelmäßig Zeit für sich selbst zu nehmen zum Beispiel einen freien Abend unter der Woche, den man nur mit sich verbringt, oder auch Pausen im Alltag.

Ähnlich beschreibt es auch der Berliner Trainer Klaus Kampmann. „Von Natur aus ist der Mensch fähig, sich selbst wieder zu entstressen.“ Der Weg dahin führe allerdings über ein dauerhaftes Training. „Wer sich vom Stress befreien will, muss in der Regel seine Betrachtungsweise und seine Verhaltensmuster grundlegend ändern.“ Dabei würden schon wenige Tage ausreichen, um erste Verbesserungen zu spüren. Ein gesünderes Verhalten stelle sich aber meist erst nach mehreren Wochen und Monaten ein.„Stress lässt sich nicht einfach wie das Licht mit einem Schalter ausknipsen“, erläutert Kampmann.

Er empfiehlt daher zum Beispiel jeden Tag vier bis fünf kleine Entspannungsübungen zu machen, um über die Wiederholungen mehr Sicherheit im Umgang mit Belastungen zu gewinnen. „Am Ende müssen diese Übungen zur täglichen psychischen Hygiene werden wie das Zähneputzen auch.“

Geschäftsfrau Marina Schulz hat diesen Weg bereits hinter sich gebracht und fährt heute viel entspannter Auto als noch vor einem halben Jahr. Sie hat zum Beispiel gelernt, eine rote Ampel als geschenkte Zeit zu sehen und als kleine Auszeit zu nutzen. Außerdem hat sie auf ihrem Armaturenbrett zwei kleine Klebezettel angeheftet mit den Worten Blume und England. Mit diesen Worten verbindet sie schöne Erinnerungen, die sie zum Schmunzeln bringen. Immer wenn sie gestresst ins Auto steigt, schaut sie nun auf diese Worte und die schönen Erinnerungen lassen die Stressgedanken verschwinden.

Lara Sogorski

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