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ZUR PERSON: „Wir sind die Trüffelschweine“

Norbert Quinkert, Chef der Technologiestiftung Berlin, über nörgelnde Berliner, innovative Wissenschaftler und eine Fusion mit den Berlin Partnern

KARRIERE

Der Systemanalytiker Norbert Quinkert, 1943 geboren, arbeitete in verschiedenen Managementpositionen für die US-Konzerne General Electric und Motorola. Seit 2010 leitet er die Technologiestiftung Berlin (TSB). Quinkert hält noch diverse Aufsichtsratsmandate, unter anderem in Adlershof.

TSB

Die TSB befasst sich mit der „Förderung von Wissenschaft und Forschung“ und der Entwicklung der in Berlin besonders ausgeprägten Technologiefelder. Das Budget von rund zehn Millionen Euro stammt zum Großteil aus öffentlichen Kassen. An der Spitze des Kuratoriums sitzt Günter Stock, Präsident der hiesigen Akademie der Wissenschaften.

Herr Quinkert, wie läuft die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft?

Ich bin außerordentlich zufrieden mit der Zusammenarbeit, die ja auf einer schmalen Basis stattfindet: Wir haben wenig Industrie, und die ist auch noch sehr kleinteilig strukturiert. Gerade eben haben wir eine Studie erstellt, die die Zusammenarbeit zwischen Fachhochschulen und der Wirtschaft beleuchtet, und die Ergebnisse sind überaus positiv.

Warum wird dann in Politik, Kammern und Verbänden immer wieder die Arbeit der TSB infrage gestellt?

Weil die TSB nicht richtig wahrgenommen wird. Das wiederum hängt damit zusammen, dass die TSB aus etlichen Teilen besteht, zum Beispiel aus Initiativen oder Projekten wie Biotop, FAV oder Medici. Rund drei Viertel der Aktivitäten der TSB fanden bislang unter anderem Namen statt. Diese Zersplitterung des Markenkerns werden wir beenden. Wir haben uns ein einheitliches Markendesign gegeben und die verschiedenen Fahnen eingerollt. Jetzt arbeiten alle unter der Dachmarke TSB.

Einer Umfrage der IHK zufolge kennen mehr als zwei Drittel der Unternehmen die Wirtschaftsförderung Berlin Partner, aber weniger als ein Fünftel die TSB.

Diese Umfrage war überhaupt nicht satisfaktionsfähig. Es ist die Frage gestellt worden, ob die Firmen die TSB kennen und ob sie für eine Zusammenführung der TSB mit den Berlin Partnern sind. Das ist methodisch nicht sauber, weil den Befragten schon eine Antwort in den Mund gelegt wurde.

Es bleibt der Eindruck, dass die TSB weit weg ist von den Unternehmen.

Die Konstruktion ist so gedacht, dass die Stiftung als Think Tank der TSB fungiert und die GmbH als wirtschaftsnaher Arm der TSB die Vorgaben der Stiftung umsetzt. Das sind kommunizierende Röhren. Nun eine der Röhren abzuschneiden und mit den Berlin Partnern zusammenzulegen – das kann nicht funktionieren. Zum Zweiten ist Brandenburg ein wesentlicher Partner der GmbH; zu deren Budget von 7,5 Millionen steuert Potsdam eine Million bei. Selbstverständlich hat Brandenburg die Erwartung, dass die TSB auch neutral und unabhängig bleibt.

In Brandenburg sind Wirtschaftsförderungsgesellschaft und Technologiegesellschaft schon lange unter einem Dach.

Ja, aber auch dort sind das zwei völlig verschiedene Abteilungen. Doch zurück zur TSB GmbH. Diese darf nicht für ein einzelnes Unternehmen arbeiten, wie das ja bei Berlin Partnern Kerngeschäft ist.

Was macht dann die TSB überhaupt?

Wir sind im vorwettbewerblichen Bereich tätig. Unsere Mitarbeiter sind die Trüffelschweine, die nach Innovationen suchen in kleinen Unternehmen, in den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und den Universitäten.

Finden die auch mal etwas?

Aber ja. Zum Beispiel Doktoranden, die eine Idee haben. Wir helfen denen, damit aus der Idee vielleicht ein Projekt wird, mit dem man dann auch guten Gewissens zur Investitionsbank gehen kann.

Sind wir nicht schwach bei Ausgründungen aus Wissenschaftseinrichtungen?

Nein. Sowohl in Adlershof als auch in Charlottenburg gibt es jede Menge Ausgründungen. In der Bismarckstraße hat der Senat ein Haus gekauft für Gründer aus der Wissenschaft – nach einem halben Jahr ist das schon zu einem Viertel belegt. Aber man muss bei diesen kleinen Pflänzchen Geduld haben. Wie zum Beispiel in Adlershof, der Standort ist inzwischen 20 Jahre alt.

Ähnlich alt sind die Klagen über den Technologietransfers: Berlin hat viel Wissenschaft, aber wenig innovative Industrie.

Natürlich können wir uns noch wesentlich verbessern. Das höchste Lob des Berliners ist ja „da kann man nicht meckern“. Es wird hier gerne genörgelt. Dabei tut sich eine Menge. Allein im Bereich Informationstechnologien und neue Medien haben wir tausende kleiner Firmen. Aus der TU gibt es jede Menge Neugründungen. In Adlershof gibt es Ausgründungen aus Instituten der Humboldt-Universität, zum Beispiel in der Optoelektronik oder Lasertechnologie. Und wir sind mit vielfältigen Projekten dabei.

Selbst in Kreisen Ihres Kuratoriums heißt es, die TSB mache viele Projekte, habe aber keine übergeordnete Strategie.

Das ist Quatsch. Wir orientieren uns an den Kompetenzfeldern, die von der TSB-Stiftung in Abstimmung mit der Politik konzipiert wurden. Diese Felder werden nun von der GmbH beackert, das ist die Strategie. Und dabei müssen wir uns auf die Kleinen konzentrieren – wir bringen die überhaupt erst zur Gründung. Noch mal: Wir sind die Trüffelschweine.

Beschreiben Sie mal einen Trüffel.

Wir haben gemeinsam mit der Charité und der Feuerwehr einen Computertomografen mobil gemacht, der in Rettungsfahrzeugen eingesetzt wird. Es gibt etwa 12 000 Schlaganfälle pro Jahr in Berlin. Mit dem Gerät kann man sofort den Kopf des Patienten röntgen und dann entsprechend der Diagnose behandeln. Wenn man das in der ersten halben Stunde macht, kann man wesentliche Spätfolgen eines Schlaganfalls vermeiden.

Die Profilierung Berlins in der Gesundheitswirtschaft ist unstrittig. Aber was ist mit anderen Kompetenzfeldern?

Nehmen wir den Verkehr, konkret den neuen Flughafen. In einem Netzwerk haben wir ein System für die Vorfeldsicherheit entwickelt, damit sich die diversen Fahrzeuge nichts ins Gehege kommen. Allein unser Kompetenzfeld Verkehr hat in den letzten zehn Jahren Projekte im Volumen von 15 Millionen in der Region umgesetzt. Diese 15 Millionen haben ein Gesamtvolumen von 150 Millionen induziert, von dem unsere Industrie direkt profitiert. Das ist ein Hebel von zehn – ich verstehe nicht, wenn man da unsere Projektorientierung kritisiert.

Was ist mit dem Zukunftsthema Green Economy?

In der Elektromobilität sind wir gut unterwegs. Der einzige griffige Vorschlag, nämlich ein E-Mobility-Schaufenster in Tempelhof einzurichten, kommt von uns. Und gerade erst haben wir ein Projekt gestartet in einem Altbau, wo wir mit Maßnahmen zur Energieeinsparung und zum Einsatz erneuerbarer Energien die Modernisierung von Wohnungen testen. Wir beschäftigen uns auch mit Fragen der Leitungssicherheit und mit der Integration von intelligenten Stromnetzen.

In der GmbH arbeiten 79 Personen, in der TSB Stiftung 15 – sind die technologisch auf der Höhe der Zeit?

Das sind alles Naturwissenschaftler und Techniker, Spezialisten auf ihren Gebieten, ob das Elektronik, Energie oder Software ist. Extrem kompetente Leute, die eine hohe Loyalität haben: die Fluktuation geht gegen null. Das war für mich, der ich aus der Wirtschaft komme, sehr motivierend. Das gilt im Übrigen auch für die Kollegen von Berlin Partnern, mit denen wir ausgezeichnet zusammenarbeiten. Wir brauchen keine Fusion.

Die SPD hat das in ihrem Wahlprogramm.

Ich kann mir das nur so erklären, dass die nicht verstanden haben, wie wir arbeiten, was wir machen. Bislang hat mir noch keiner erklärt, was bei einer Fusion rauskommen soll.

Dann kann alles bleiben wie es ist?

Nein, wir müssen beim Thema Energie stärker werden, bislang haben wir dafür drei Leute. Für die Gesundheitswirtschaft mit Biotechnologie und Medizintechnik sind es knapp 30. Das ist ein Missverhältnis, das wir ausgleichen müssen.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

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