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Erich Sixt. „Ich bleibe, solange ich geistig beweglich bin.“ Foto: dapd

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Zur Person: „Wir werden alle Italiener“

„Ich befürchte, dass die Schuldenkrise auf die Realwirtschaft durchschlägt“ Autovermieter Erich Sixt über die Zukunft des Euro, Chancen in der Krise und die Abschaffung von Elektroautos.

DER CHEF

Erich Sixt, 1944 in Österreich geboren, ist seit mehr als 40 Jahren im Vermietgeschäft tätig. Nach einem abgebrochenen BWL-Studium stieg er 1969 in das familiengeführte Unternehmen ein, das seit 1986 an der Börse notiert ist. Die Familie Sixt hält rund 57 Prozent der Aktien. Erich Sixt hat mit seiner Frau Regine, die Leiterin des internationalen Marketings ist, zwei Söhne.

DIE FIRMA

Sixt ist mit einem Umsatz von gut 1,5 Milliarden Euro (2010) der größte deutsche Autovermieter. Bis 2015 will das Unternehmen mit weltweit mehr als 1800 Vermietstationen auch in Europa Nummer eins werden – vor Europcar. 2011 peilt Sixt einen Rekordgewinn von mehr als 137 Millionen Euro an.

Herr Sixt, Ihr Unternehmen wird im kommenden Jahr 100 Jahre alt. Gehen Sie mit dem höchsten Gewinn der Firmengeschichte ins Jubiläumsjahr?

So einfach, wie die Analysten es sich ausrechnen, ist es nicht. Autovermietung ist ein Tagesgeschäft. Wir müssen sehen, wie das vierte Quartal läuft.

Im letzten Winter hat Ihnen das Schneechaos geholfen, weil der Flugverkehr zusammengebrochen ist.

Viel Schnee ist schlecht, aber Naturkatastrophen können unserem Geschäft helfen, ja. Die Aschewolke nach dem Vulkanausbruch in Island war auch so eine Katastrophe, von der wir profitiert haben.

In Deutschland sind Sie Marktführer, in Europa liegt Sixt noch auf Rang vier – hinter Europcar, Avis und Hertz. Bis 2015 wollen Sie Nummer eins sein. Ist das angesichts der politischen Stürme, die über Europa fegen, nicht ein bisschen ambitioniert?

Jede Krise hat ihre Chancen und die nutzen wir gerade. Zum Beispiel in Spanien, wo Vermieter reihenweise in die Insolvenz gegangen sind, weil sie unterfinanziert waren und nun die Finanzierungskosten in der Krise explodiert sind. Ein Drittel unseres Vermietumsatzes kommt aus dem Ausland, hier sind wir dieses Jahr um mehr als 20 Prozent gewachsen, im Inland um acht Prozent. Das war mehr, als der Gesamtmarkt zulegen konnte.

Dennoch fallen Ihre Prognosen für 2012 ungewöhnlich vorsichtig aus. Ist Sixt denn besser auf einen Einbruch der Märkte vorbereitet als Anfang 2009, als Sie im ersten Quartal rote Zahlen geschrieben haben?

2009 war das schlimmste Jahr in meiner Berufslaufbahn. Wir haben damals eine Reihe von Fehlern gemacht und sind kalt erwischt worden. Heute ist unser Fuhrpark flexibler und wir sind sehr viel vorsichtiger bei der Anschaffung neuer Autos. Nach der Lehman-Pleite sind wir noch im Herbst 2008 von einem leichten Aufschwung für 2009 ausgegangen. Entsprechend hatten wir Festverträge mit den Herstellern für Autos in großen Mengen. Das wird uns nicht mehr passieren.

Wie viele Autos haben Sie für 2012 bestellt?

Diese Zahl würde unsere Wettbewerber sicher auch interessieren. Wir sind einer der größten Flottenabnehmer Europas und werden dieses Jahr deutlich mehr als 100 000 Fahrzeuge im Wert von mehr als 3,2 Milliarden Euro in unsere Vermiet- und Leasingflotte einsteuern. Für 2012 sind wir, wie gesagt, vorsichtig. Aber wir könnten jederzeit auch eine stärkere Nachfrage bedienen.

Sind die Hersteller dem Großabnehmer Sixt weit genug entgegengekommen?

Die Konditionen könnten immer besser sein. Immerhin machen wir für die Produkte der Hersteller Werbung, mit bezahlten Probefahrten sozusagen. Die Kunden probieren bei uns Autos aus, die sie normalerweise nicht ausprobieren würden.

Die Hälfte Ihrer Kunden sind Geschäftskunden. 2009 gab es einen massiven Einbruch bei den Geschäftsreisen. Kann Sixt so etwas wieder treffen?

Wir erwarten ein solches Drama nicht noch einmal. Die Unternehmen haben ihre Reisebudgets schon massiv zusammengestrichen. Viel weniger geht gar nicht. Es ist viel passiert im Flottenmanagement. Auch die Geschäftskunden nehmen öfter kleinere Autos als früher.

Die Unsicherheit, wie es in Europa weitergeht, ist derzeit groß. Hat der Euro nach Ihrer Einschätzung eine Zukunft?

Dazu haben wir ja schon vor Monaten eine Aussage in unserer Werbung gemacht: „Liebe Griechen, Sixt akzeptiert wieder Drachmen.“ Das war fast prophetisch.

Und es hat Ihnen eine Morddrohung eingebracht und eine Menge Ärger mit griechischen Kunden …

Ja, ich habe mich auch dafür entschuldigt. Für mich ist aber in der Tat unverständlich, warum man die Griechen nicht aus der Eurozone entlässt. Das würde dem Land und den Menschen wirklich helfen. Das Grundproblem in dieser Schuldenkrise ist, dass die Politiker über Milliarden Euro verfügen, die ihnen nicht gehören. Sie würden sicher anders entscheiden, wenn ihr Geldbeutel betroffen wäre. Es war eine tragische Fehlentscheidung der Bundesregierung, den Euro so massiv zu stützen. Denn in ein paar Wochen, das weiß jeder, wird Frau Merkel umkippen und die Europäische Zentralbank wird die Notenpresse anwerfen. Ein historischer Fehler, den wir noch bereuen werden.

Haben Sie Vorsorge getroffen für den Fall, dass der Euroraum auseinanderbricht?

Ich befürchte, dass die Schuldenkrise auf die Realwirtschaft durchschlägt. Der Euro wird so schnell nicht zusammenbrechen. Er wird zunächst stark abgewertet werden, was für unseren Export gar nicht so schlecht ist. Wir werden quasi alle Italiener. Die haben früher auch von einer unterbewerteten Lira profitiert. Das Anwerfen der Notenpresse kann dazu führen, dass die Zinsen fallen und die Kapitalmärkte sich erholen. Die Inflation muss sich nicht sofort einstellen, das Chaos kommt später. Vielleicht in fünf Jahren. Dann hätten wir wohl keinen Euro mehr. Aber so weit müssen wir nicht planen.

Dann sprechen wir über 2012. Wie schlimm kann es denn für Sixt kommen?

Wir wollen unsere Aktionäre positiv überraschen und sind deshalb bewusst vorsichtig. Wir gehen davon aus, dass Sixt auch 2012 ordentlich verdienen und eine vernünftige Kapitalverzinsung haben wird. Momentan liegt sie bei 20 Prozent. Selbst wenn unser Gewinn deutlich zurückginge, würden wir unser Kapital noch immer attraktiv verzinsen.

Seit einigen Monaten vermietet Sixt zusammen mit BMW Autos im Carsharing – auch in Berlin. Wem hilft Drive-Now mehr, dem Autokonzern oder dem Vermieter?

Beiden gleichermaßen. BMW liefert die Autos und Fahrzeugtechnologien, und wir liefern Drive-Now die IT-Systeme und Dienstleistungen. Wir haben in München und Berlin aktuell 11 000 registrierte Nutzer, nur ein halbes Jahr nach dem Start. 2014, vielleicht sogar schon 2013, wollen wir mit Drive-Now Geld verdienen. Jede Stadt mit mehr als 500 000 Einwohnern ist interessant. Und Beispiele wie Zipcar in den USA zeigen, dass Carsharing auch in klassischen Automärkten sensationell laufen kann.

Weil das Auto als Statussymbol an Bedeutung verliert. Geht Ihnen die Geschäftsgrundlage verloren?

Nein, im Gegenteil. Wir profitieren ja davon. Mobilität ist weiter gefragt. Aber nur die Hälfte der Jugendlichen will zum Beispiel noch ein eigenes Auto besitzen. Stattdessen geben sie lieber 100 Euro im Monat für einen iPhone-Vertrag aus. Hier ist ein unglaublicher Wandel eingetreten, der verblüffend ist. Als meine Söhne kleiner waren, waren sie begeistert von Autos und kannten jedes technische Detail.

Warum vermieten Sie keine Elektroautos?

Weil das Pilotprojekt ein Desaster war. Genauso wie Erdgas-Fahrzeuge, von denen wir rund 2000 hatten. Die Leute bekennen sich zwar zur Nachhaltigkeit – in der Praxis handeln sie aber anders. Reine Elektroautos bieten wir derzeit nur im Firmenleasing an, weil einigen Unternehmen dieses Glaubensbekenntnis wichtig ist und sie Elektroautos ausdrücklich wünschen.

Glaubensbekenntnis?

Die Debatte um die Elektromobilität ist eine typisch deutsche Wahnsinnsdiskussion. Man stelle sich vor, wie viele Milliarden Euro da verpulvert werden. Die Technologie wird besser, aber sie ist noch lange nicht marktreif. Und selbst wenn wir 2020 eine Million emissionsfreie E-Autos auf die Straße bringen, ist das gemessen am weltweiten CO2-Ausstoß ein Witz. Wenn es Handlungsbedarf gibt, dann bei emissionsstarken Altautos. Sixt kann keinen Markt für Elektromobilität schaffen.

Vielleicht werden das Ihre Söhne tun. Ihr Vertrag wurde gerade bis 2016 verlängert. Dann sind Sie 72. Bereiten Sie sich langsam auf den Rückzug vor?

Warren Buffett ist 81 und seine Aktionäre fragen sich immer noch, wann er geht. Ich bleibe, solange ich geistig beweglich bin. Mein ältester Sohn ist erst 32 …

… Mark Zuckerberg, der Facebook-Gründer, ist 27.

Mag sein. Sixt ist zwar kleiner, aber auch komplexer als Facebook. Es gibt keine Erbfolge, wir sind eine Börsengesellschaft. Aber wenn sich meine Söhne bewähren, könnten sie eine der Alternativen sein.

Wäre das 100-jährige Jubiläum kein schöner Anlass, um einen Generationenwechsel bekannt zu geben?

Banken feiern solche Jubiläen, Sixt weniger. Von uns erwartet man Dynamik und dass wir uns um das Morgen kümmern. 100 Jahre – ich will das gar nicht an die große Glocke hängen. Es soll niemand sagen: Die sind ja ganz schön angestaubt.

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