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Carsten Kengeter, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Börse Group, geht in Frankfurt am Main auf der Hauptversammlung des Unternehmens zum Rednerpult.

© dpa

Zusammenschluss mit London: Deutsche-Börse-Aktionäre bleiben skeptisch

Bei der Hauptversammlung der Deutsche Börse AG zweifeln viele Aktionäre, was das Zusammengehen mit London angeht. Doch das soll sich selbst bei einem Brexit lohnen, meint Chef Kengeter.

Von breiter Zustimmung unter den rund 600 Aktionären war in der Jahrhunderthalle in Frankfurt-Höchst nichts zu spüren. Im Gegenteil: Mit deutlicher Skepsis haben Anteilseigner auf der Hauptversammlung der Deutsche Börse AG auf den geplanten Zusammenschluss mit der Londoner Börse (LSE) reagiert. Kritik gab es am Mittwoch vor allem am künftigen Sitz der Obergesellschaft in London und auch am Festhalten der Pläne nach einem möglichen Brexit, dem Austritt Großbritanniens aus der EU. Dann drohe den Aktionären ein erheblicher Wertverlust, außerdem finde künftig die Hauptversammlung in London statt. Dort könnten aber Kleinaktionäre nicht teilnehmen. Carsten Kengeter, Vorstandschef der Deutschen Börse, betonte, er nehme die Bedenken ernst. Er halte sie aber für unbegründet, die Fusion sei der absolut richtige Schritt. "Größe ist in unserer Branche das A und O", sagte der Börsen-Chef auf dem mit einer Präsenz von 66 Prozent erstaunlich gut besuchten Aktionärstreffen, das aber nicht über das Fusionsvorhaben abstimmte. Dies soll vermutlich im Juni über ein schriftliches Umlaufverfahren erfolgen, bei dem 75 Prozent aller Aktionäre zustimmen müssen.

"Viele haben Angst, sind unsicher", sagte Kleinaktionär Jens Starke-Wuschko. Er erinnerte an den angeblich gleichberechtigten Zusammenschluss des ehemaligen Chemie- und Pharmakonzerns Hoechst mit der französischen Rhone-Poulenc zu Aventis 1999. "Heute ist Hoechst praktisch komplett verschwunden. Die Franzosen sehen sich immer zuerst. Die Briten auch." Generell sei nicht nachvollziehbar, dass das stärkere der beiden Unternehmen, die Deutsche Börse, der Verlagerung des Sitzes der Obergesellschaft nach London zustimme, sagten andere Anteilseigner.

Der Brexit nährt die Zweifel

Andreas Lang von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) betonte zwar, mit der Fusion würden beide Börsen zu den führenden US-Börsen aufschließen. Auch die geplanten jährlichen Einsparungen von 450 Millionen Euro nach drei Jahren seien zu begrüßen. Allerdings würde der Wert der LSE-Aktien nach einem möglichen Brexit drastisch sinken. "Dann, Herr Kengeter, hätten sie viel Geld versenkt." Es sei auch fraglich, ob der Standort Frankfurt durch die Fusion wirklich gewinne, wie der Börsen-Chef behaupte. Aktionäre vermissten auch Angaben darüber, ob eine Alleinstellung der Deutschen Börse keine Option sein. Faktisch haben deutsche Anleger freilich nicht das entscheidende Wort. Sie halten nur 15 Prozent der Anteile, Privatanleger sogar nur 5 Prozent. Bei Ausländern liegen 85 Prozent der Aktien der Deutsche Börse AG, davon 28 Prozent in Großbritannien und 31 Prozent in den USA.

Kengeter ließ sich durch Kritik und kritische Fragen nicht beirren. Er wiederholte fast gebetsmühlenartig, dass die Fusion richtig und kein spontaner Akt sei, sondern Teil einer "wohlüberlegten Wachstumsstrategie". Größe sei für Börsen entscheidend. "In diesem Geschäft steigt der Wert, je mehr Nutzer hinzukommen". Das zusammengefügte Unternehmen werde künftig zwei Hauptsitze haben, mit den Börsen in London und in Frankfurt. "Frankfurt bleibt Stadt des Dax", sagte Kengeter mit Blick auf den Deutschen Aktienindex Dax. Das deutsche Finanzzentrum werde "zentrale Säule eines weltweit führenden Börsenbetreibers". Frankfurt werde nicht verlieren, sondern gewinnen. Kengeter sagte auch, mit der Fusion leiste man einen Beitrag zur Finanzstabilität und zur Stärkung Europas. "Bei unserer geplanten Fusion geht es nicht primär um ein betriebswirtschaftliches und standortpolitisches Kräftemessen. Es geht vielmehr darum, dass wir an der wirtschaftlichen Basis Europas etwas ändern".

Der Umsatz soll bei 4,7 Milliarden liegen

Kengeter zeigte sich überzeugt, dass die Wettbewerbs- und Aufsichtsbehörden und damit auch der für die Frankfurter Börse zuständige hessische Wirtschaftsminister zustimmen werden. Man sei in intensiven Gesprächen. Beide Unternehmen ergänzten sich ideal, zudem habe sich der Wettbewerb der Börsen weltweit auch durch die zunehmende Regulierung verstärkt. Kengeter ist auch überzeugt, dass der Zusammenschluss auch bei einem Brexit zustande kommt. "Er bleibt auch dann erfolgversprechend". Dann Aktionären rechnete er vor, dass das fusionierte Unternehmen 2015 einen Umsatz von 4,7 Milliarden und einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 2,2 Milliarden Euro erzielt hätte. Im ersten Quartal hat die Deutsche Börse für die Vorbereitungen der Fusion nach Angaben von Finanzchef Gregor Pottmeyer 16 Millionen Euro ausgegeben, insgesamt sei ein niedriger dreistelliger Millionenbetrag veranschlagt.

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