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Telefonieren im griechischen Touristenort Sarti am Strand. Am Juni ohne Zusatzkosten.

© dpa

Update

Zusatzkosten fürs Telefonieren: EU-Parlament besiegelt endgültiges Aus für Roaming-Gebühren

Ab Mitte Juni kann EU-weit ohne zusätzliche Gebühren mit dem Handy telefoniert, SMS versendet oder im Internet gesurft werden. Doch die Frage ist, welche Auswirkungen der Wegfall der Gebühren hat?

Das Aus der Roaming-Gebühren in Europa ist endgültig beschlossene Sache: Das Europaparlament verabschiedete am Donnerstag eine Verordnung, welche Obergrenzen für die gegenseitige Gebührenabrechnung zwischen europäischen Mobilfunkunternehmen festlegt. Damit können Verbraucher ab Mitte Juni EU-weit ohne zusätzliche Gebühren mit ihrem Handy telefonieren, SMS versenden oder im Internet surfen.

Dafür etabliert die EU nun Obergrenzen von 3,2 Cent pro Minute für Anrufe und 1 Cent für SMS. Für Datenvolumen sinken die Obergrenzen schrittweise von zunächst 7,70 Euro pro Gigabyte ab dem 15. Juni auf schließlich 2,50 Euro pro Gigabyte ab dem 1. Januar 2022. Diese Kostendeckel liegen nach EU-Angaben um etwa 90 Prozent unter den aktuellen Begrenzungen. Die neuen Regeln sollen ab Mitte Juni für die 28 EU-Staaten sowie für Island, Norwegen und Liechtenstein gelten. Auch die Mitgliedsländer müssen noch offiziell zustimmen. Der zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Andrus Ansip, sprach von einer „großartigen Errungenschaft“, die einen unmittelbaren Einfluss auf das Leben der Menschen haben werde. Die EU-Kommission hatte im Herbst ursprüngliche Pläne aufgegeben, die Roaming-Freiheit für Verbraucher auf 90 Tage pro Jahr zu beschränken. Stattdessen sollen Anbieter einen Missbrauch wie etwa das dauerhafte Telefonieren mit billigen ausländischen Sim-Karten unterbinden können.

„Es ist völlig unklar, was nach dem 15. Juni passiert“

Es ist eine Zäsur in der Entwicklung des Mobilfunks: Das umstrittene EU-Roaming wird an dem Tag kostenfrei. Es geht um jene Gebühren, die anfallen, wenn Mobilfunkkunden im EU-Ausland zum Handy greifen. Zum Ärger von Verbraucherschützern und Regulierern hielten die Roaming-Kosten die Tarife lange Zeit hoch und sorgten dafür, dass die Anbieter sich eine goldene Nase verdienten. Nun soll EU-Reisenden kein Eurocent extra mehr fürs Herumwandern durch fremde Netze aus der Tasche gezogen werden. Zwar müssen auch künftig Roaming-Kosten bezahlt werden, aber es sind nicht mehr die Endkunden, die zur Kasse gebeten werden - im Prinzip jedenfalls.

Doch die Frage ist, welche Auswirkungen hat der Wegfall der Gebühren? „Es ist völlig unklar, was nach dem 15. Juni passiert“, analysiert Susanne Blohm, Referentin für Digitales und Medien bei der Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin. Andere wie das Vergleichsportal Verivox sehen bereits eine Preiswende am Mobilfunk-Himmel heraufziehen. Verbraucher würden für eine Leistung bezahlen, die eigentlich kostenfrei sei, unterstreicht Christian Schiele, Produktchef Telekommunikation bei Verivox. Anbieter wie Telekom und Telefónica hatten bereits vor längerer Zeit ihre Tarife angepasst und EU-Roaming als Inklusivleistung ins Programm genommen. Dafür wurde der Preis leicht nach oben angepasst. Entfallen nun die Roaminggebühren, kommt es zu einer indirekten Preiserhöhung.

Die Marktriesen um Telefónica, Deutsche Telekom und Vodafone bleiben gelassen

Es sei denn, die Unternehmen rechnen die Kosten wieder heraus. Der Kostenfaktor Roaming, argumentiert Verivox, werde nun aufs Inland verlagert und in die Handytarife eingepreist. Folge: Nichtreisende und Geringverdienende zahlten am Ende die Zeche. Einige Discounter wie Billigmarken bei Drillisch sind bereits dazu übergegangen, rein nationale Tarifmodelle zu entwickeln, die eine Auslandsnutzung ausschließen.

Die Marktriesen um Telefónica, Deutsche Telekom und Vodafone bleiben gelassen. „Die betroffenen Bestandskunden in Altverträgen werden keinen zusätzlich Aufpreis mehr bezahlen müssen“, verspricht Vodafone-Sprecher Thorsten Hoepken. In den Standardtarifen sei das EU-Roaming schon inbegriffen, was auch für Telekom und Telefónica zutrifft. Für die meisten Kunden, so schätzt ein Telekom-Sprecher, ergäben sich deshalb ohnehin keine Änderungen. Arbeit kommt auf jeden Fall auf Mobilfunker zu, die sich mit Netzkapazitäten bei den großen Betreibern eingedeckt haben. Sie müssen bei der Rechnungstellung ihre Tarife anpassen. „Die Kunden werden von uns rechtzeitig per Mail oder SMS informiert“, versichert ein Freenet-Sprecher.

Mit 12 Millionen Kunden gehören die Norddeutschen zu den größten netzunabhängigen Betreibern. Dass das kostenlose Roaming in der EU die Mobilfunkpreise einebnen wird, steht nicht zu erwarten. Zu unterschiedlich ist das Preisniveau in den Mitgliedsländern. Zugleich verschlingen die Kosten für den Netzausbau viel Geld, das verdient werden muss.

In Deutschland hat zudem die Übernahme von E-Plus durch Telefónica den Wettbewerb eher erlahmen lassen. Statt Preise zu senken, zeige sich die Tendenz, immer mehr Leistungen in Tarife zu packen, obwohl die Kunden das oft gar nicht benötigen, sagt ein Marktbeobachter. Das sieht Telekom-Experte Thorsten Gerpott, Professor der Universität Duisburg-Essen, ähnlich: „Es gilt hier: Mehr Leistung für das gleiche Geld.“ (dpa, AFP)

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