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Wirtschaft: Zwei Bretter, die die Welt bedeuten

Österreich bangt um den legendären Skihersteller Kneissl. Ein Scheich sollte die Firma retten – das ging schief. Nun bietet sich ein deutscher Investor an

Der Kufsteiner Heimatverein hatte sich das schön ausgedacht: Eine historische Wintersportausstellung im Museum auf der Feste Kufstein mit historischen Ski der Firma Kneissl, deren Firmengelände sich zu Füßen der Burg, auf der anderen Seite des Inns ausbreitet. Bürgermeister Martin Krumschnabel betonte bei der Eröffnung, „dass Kufstein durch Kneissl ewig mit dem Wintersport in Verbindung gebracht werden soll“.

Im April war das. Und schon damals klangen Krumschnabels Worte für viele im Ort wie das Pfeifen im Walde: Schließlich hatte die Firma zwei Monate zuvor Konkurs anmelden müssen. Und tatsächlich, drei Monate nach der Feier, am 13. Juli, wurde die Skiproduktion geschlossen, 17 Mitarbeiter mussten gehen.

Die kleine Sportartikelfirma stand einmal für das ganz Große, für Siege der österreichischen Nation: Karl Schranz fuhr Kneissl. Der Mann hat – außer olympischem Gold – ab 1962 alles gewonnen, was man im Rennlauf holen kann. Seine Ski sind ausgestellt im Museum, zu sehen sind auch schrille 70er-Jahre-Modelle, Holzski von 1950 mit Kugelgelenkbackenbindung, ein Foto von Leonard Stock, der auf Kneissl 1980 in Lake Placid Gold holte. Sogar die Gebirgsbrigaden des Österreichischen Heeres waren 1938, kurz vor dem Anschluss ans Deutsche Reich, mit Kufsteiner Brettern unterwegs, wie ein weißer Militärski zeigt.

Den Sommer über hielten nur vier Angestellte im Kneissl-Werk die Stellung, um den Abverkauf der bereits gefertigten Ski abzuwickeln. Ein Rest Hoffnung blieb. Es war ja nicht der erste Konkurs.

Die Geschichte begann 1919, als Franz Kneissl die ersten Ski Österreichs herstellte. In den 60er Jahren entwickelten die Kufsteiner den „White Star“, einen Kunststoffski mit Holzkern, das Non-Plus-Ultra auf der Piste. In den 70ern kamen Langlaufski und Tennisschläger dazu. 1980 wurden bei den Winterspielen 27 Medaillen, davon 11 Mal Gold, auf Kneissl-Ski gewonnen. Doch im selben Jahr musste die Firma erstmals einen Konkursantrag stellen.

Damals fanden sich Geldgeber. Und zehn Jahre später landeten die Kufsteiner so mit dem „Big Foot“ einen Coup: Das Winterspaßgerät verkaufte sich rasend gut. Und 1992 produzierte Kneissl mit dem „Ergo“ den ersten Carving-Ski, eine Erfindung, die die Ski-Industrie aufmischte. Kneissl expandierte, schluckte Schuh- und Skibindungsfirmen wie Raichle, Dynafit und Marker. 2003 folgte der nächste Konkursantrag. Eine Tiroler Unternehmergruppe übernimmt den Traditionsbetrieb. Doch Kneissl fuhr weiter bergab.

Die aktuelle Krise begann 2008, als der austro-arabische Scheich Mohamed bin Issa Al Jaber, der schon die österreichische Fluglinie AUA nicht retten konnte, Mehrheitseigentümer von Kneissl wurde. Auf dessen Initiative hin versuchte es Geschäftsführer Andreas Gebauer mit Hotelprojekten und mit der Kombination aus Ski und Sekt. Kneissl eröffnete 2009 in Innsbruck eine Starlounge, eine Skiboutique, und erklärte: „Tirol muss wieder Kneissl-Land werden“. Zehn weitere Starlounges sollen in Österreich folgen, aber da, sagt Gebauer heute, die notwendige Liquidität von Al Jaber nicht zur Verfügung gestellt wurde, mussten einige bereits im Bau befindliche Star Lounges eingestellt werden.

Am 8. Februar 2011 folgte der bisher letzte Insolvenzantrag. „Scheich Al Jaber hätte im Rahmen des Sanierungsverfahrens bis 15. Juni 2011 etwa 2,1 Millionen Euro zahlen müssen“, erklärt Geschäftsführer Gebauer schriftlich dazu. Es habe von ihm die persönliche Zusicherung sowie eine Garantie seiner Gesellschaft in London, der MBI International, gegeben. „Das Geld wurde weder von ihm noch von der MBI zur Verfügung gestellt.“ Warum nicht? „Darauf kann nur Al Jaber eine Antwort geben.“

Die aktuelle Ausstellung im Heimatmuseum wirkt – wenngleich ungeplant – wie das Vermächtnis, ein Nachruf, auf die alteingesessene Kufsteiner Firma. Im Werk ein paar hundert Meter weiter bewahrte man sich dabei ein Stück Humor: Seit dem Sommerschlussverkauf hängen dort Plakate. Man sieht darauf drei Männer in der Wüste, wie Scheichs gekleidet, die auf einer Düne die letzten in Kufstein produzierten Ski verkaufen.

Eher ernst sagt Rechtsanwalt Stefan Geiler, der als Insolvenzverwalter eine Lösung sucht, es sei nicht gelungen, „die offensive Expansionsstrategie umzusetzen“. Man habe versucht „die Marke international zu platzieren“, aber dann habe „die Geldpipeline ausgesetzt“.

Anfang Oktober sickerte nun durch, Kneissl werde in deutsche Hände kommen. Die Beteiligungsfirma Friends of Sports werde Kneissl kaufen, hieß es. Dahinter steht vor allem Kramer Elastics: Der fränkische Hersteller von Snowboards wurde 1998 von Andreas Kramer gegründet. Konkursverwalter Geiler sagte dazu: „Wir sind in den Endbesprechungen, ich gehe davon aus, dass wir es so abwickeln können. Und zwar zeitnah.“ Der Gläubigerausschuss habe gesagt, „mit dem Konzept von Friends of Sports können wir umgehen“. Nach wie vor soll Al Jaber weiter Interesse bekundet haben, aber dazu wollte Geiler Anfang Oktober nichts mehr sagen: „Wir kommentieren das nicht. Wir bestätigen das weder noch dementieren wir.“

Vor wenigen Tagen brachte Al Jaber mehr als Interesse auf: Er überwies 200 000 Euro, als Anzahlung. Der saudisch-österreichische Investor soll zwei Millionen Euro für die Konkursmasse angeboten haben. Doch wenn das Insolvenzgericht den Kaufvertrag mit der Kramer Elastics absegnet, ist Al Jaber draußen. Und wenn nicht sehr bald eine Entscheidung fällt, wie es mit Kneissl weitergeht, ist die ehemals renommierte Skifirma auch für dieses Wintergeschäft draußen und ein Stück Österreich Geschichte.

Was aus Noch-Geschäftsführer Andreas Gebauer wird, ist unklar. Er hat seinen Hauptwohnsitz im südspanischen Andalusien, in der Nähe von Granada und sagt: „Wenn der Investor gefunden ist, dann gehe ich erst einmal für etliche Wochen auf Urlaub!“

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